Deutschland ist das letzte Land in der Europäischen Union, das noch großflächige Werbung für Zigaretten zulässt. Doch schon bald könnte Schluss sein mit den Anzeigen auf Plakatwänden und Kinospots, die mit schönen Bildern Reklame für das gesundheitsschädliche Qualmen machen.
Ein unerwarteter Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel sorgte vor einer Woche dafür, dass neue Bewegung in einen Prozess kam, der jahrelang festgefahren schien. „Wenn es nach mir geht, sollten wir die Werbung für Tabakprodukte verbieten“, sagte die Kanzlerin bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Ihre Fraktion werde bis zum Jahresende dazu eine Stellungnahme verfassen, kündigte sie an. Nachgefragt hatten die Grünen – die kurz darauf mit einem eigenen Gesetzentwurf für eine Ausweitung des Tabakwerbeverbots scheiterten.
Deutschland hatte sich schon 2005 zu einem Werbeverbot verpflichtet
Schon 2005 hatte sich Deutschland mit der Unterzeichnung eines völkerrechtlich bindenden Vertrags der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Einführung eines weitreichenden Tabak-Werbebanns verpflichtet. Doch seither ist kaum etwas passiert. Zwar wurde ein Gesetzentwurf erarbeitet, doch der kam nie zur Entscheidung. Vor allem die Union verhinderte die Umsetzung eines Verbots. Der damalige Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sorgte sogar noch auf den letzten Drücker dafür, dass das Vorhaben aus dem aktuellen Koalitionsvertrag herausgestrichen wurde. Hintergrund dürften die beträchtlichen Einnahmen sein, die deutsche Kommunen etwa durch die Vermietung von Plakatflächen für Tabakwerbung erzielen.
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Seit Kauder von Ralph Brinkhaus abgelöst wurde, hat sich der Wind in der Union merklich gedreht. Der unerwartete Merkel-Satz tut ein übriges. So sagt Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein: „Meines Erachtens steht dem Werbeverbot nichts mehr im Wege.“ Es seien noch ein paar Randthemen zu klären, etwa das Inkrafttreten, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. „Aber selbst der Zigarettenindustrie ist klar, dass ein Werbeverbot kommen wird“, glaubt er. Insgesamt sei er kein Freund von Verbotspolitik, ein Tabakwerbeverbot müsse eine Ausnahme bleiben: „Die Gesundheitsgefahren, die von Tabak – auch für Unbeteiligte – ausgehen, sind unbestreitbar und besonders. Ich sage das an die Adresse derer, die morgen mit einem Werbeverbot für Alkohol, Zucker oder fetthaltige Lebensmittel aufwarten.“
Die Bundesdrogenbeauftragte hatte sich vergeblich um ein Werbeverbot bemüht
Lange hatte auch Marlene Mortler in der Union für ein umfassendes Reklameverbot für Zigaretten, Zigarren & Co gekämpft. Die 63-Jährige war in den vergangenen fünfeinhalb Jahren Bundesdrogenbeauftragte. Doch das Amt hat sie jetzt zusammen mit ihrem Bundestagsmandat abgegeben. Mortler war bei den Europawahlen erfolgreich und zieht nun ins Europaparlament ein. Ihr Berliner Büro ist bereits ausgeräumt, in diesen Tagen wechselt die CSU-Politikerin nach Brüssel. Die ehemalige Kreisbäuerin will sich dort künftig wieder hauptsächlich der Landwirtschaftspolitik widmen. Wer Mortler als Drogenbeauftragte nachfolgt, ist noch nicht bekannt. Der Posten steht der CSU zu, im Gespräch sind dem Vernehmen nach unter anderem der Münchener Arzt Stephan Pilsinger oder die Krankenpflegerin Emmi Zeulner aus Oberfranken.
Die Grünen Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther kritisiert: „Marlene Mortler hat es in ihrer Amtszeit als Drogenbeauftragte nicht geschafft, das Tabakwerbeverbot durchzusetzen. Es wäre ein notwendiges Signal, wenn ihre Nachfolgerin ein glücklicheres Händchen beweisen könnte.“ Die Koalition müsse die Sommerpause nutzen, um endlich das von der BuKanzlerin angekündigte Tabakwerbeverbot auf den Weg zu bringen, sagte sie unserer Redaktion.
Ärztevertreter fordern ein schnelles Verbot der Tabak-Werbung
Auch Ärztevertreter drängen zur Eile. Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, fordert: „Es ist höchste Zeit, Tabakwerbung im öffentlichen Raum zu unterbinden, damit gerade Kinder und Jugendliche nicht länger durch Außenreklame und Kinowerbung buchstäblich zum Rauchen verführt werden. Jährlich 120.000 vorzeitige Todesfälle durch Tabak mahnen uns dringend zum Handeln.“