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Gegen Merkels Gesetzespläne: CSU-Politiker Gauweiler: "Die Euro-Rettung läuft wie Schneebälle rösten"

Gegen Merkels Gesetzespläne

CSU-Politiker Gauweiler: "Die Euro-Rettung läuft wie Schneebälle rösten"

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    CSU-Politiker Peter Gauweiler.
    CSU-Politiker Peter Gauweiler. Foto: ud gr

    München Die Europäische Union möchte einen Rettungsschirm für alle Euro-Länder in Höhe von 750 Milliarden Euro einrichten. Derzeit ist ungewiss, ob Kanzlerin Angela Merkel dafür im Bundestag die Stimmen der Regierungsparteien bekommt. Zudem entscheidet am 7. September das Bundesverfassungsgericht über eine Klage des Münchner CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler gegen den Schirm. Im Interview spricht er über die gemeinsame Währung, den Kurs der Regierung Merkel und die Zukunft Europas.

    Herr Gauweiler, sind Sie zuversichtlich, was Ihre Klage gegen den Euro-Rettungsschirm anbelangt?

    Gauweiler: Ich möchte dem Bundesverfassungsgericht nicht vorgreifen. Es hat sich die Sache aber nicht leicht gemacht, was sich unter anderem daran zeigt, dass es eine ausführliche mündliche Verhandlung anberaumt und nicht nur die Bundesbank und die Europäische Zentralbank, sondern auch Professor Hans-Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut mit großer Aufmerksamkeit angehört hat.

    Zeigt Ihre Klage nicht, dass Sie den Euro insgesamt für einen Fehler halten?

    Gauweiler: Hinterher kann man natürlich immer gut richten. Ja, ich war stets ein Kritiker der Einführung. Der Euro hätte aber funktionieren können, wenn man die Spielregeln eingehalten hätte. Helmut Kohl war der Vater des Euro, Theo Waigel hat ihn mit seinem Beharren auf Stabilitätskriterien, die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und das Verbot eines „Bail-out“, also des Eintretens für die Schulden anderer Länder, akzeptabel gemacht. Wie gesagt: Es hätte funktionieren können … Der Rest ist Geschichte.

    Jetzt ist die Schuldenkrise da und die EU-Länder müssen mit ihr umgehen. Altkanzler Kohl hat kürzlich in der Zeitschrift „Internationale Politik“ ein beherzteres Zupacken und eine „Politische Union“ gefordert, wenn wir, wie er sagt, Europa nicht auseinanderbrechen lassen wollen. Brauchen wir also nicht mehr statt weniger Europa?

    Gauweiler: Die Idee der Bindung und Einbindung der europäischen Länder ist im Grundziel ja richtig: Sie verfolgt die Idee des ewigen Friedens des Philosophen Immanuel Kant. Die Frage ist nur, ob die Idee durch die Umwandlung der Brüsseler Konstruktion in ein Riesenreich gefördert oder ruiniert wird. Ich befürchte Letzteres.

    Viele denken anders, sogar die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen fordert die „Vereinigten Staaten von Europa“.

    Gauweiler: Dieser Begriff ist ja an die USA angelehnt. Ich bin aber dagegen, Europa in einen einheitlichen Staat umzuwandeln. Erstens widerspricht dies der Natur Europas, das kulturelle Unterschiede als Wert betrachtet. Und zweitens ließe sich selbst mit einer Art „Bundesrepublik Europa“ das aktuelle Finanzproblem nicht lösen: Ein europäischer „Herr Schäuble“ – also ein europäischer Finanzminister – könnte auf den griechischen Haushalt genauso wenig Einfluss nehmen wie der deutsche Herr Schäuble auf die Verschuldung des Herrn Wowereit in Berlin. Die Vereinigten Staaten von Europa würden zudem eine Art „europäischen Länderfinanzausgleich“ begründen. Bayerische Steuerzahler haften bereits ungern für die Schulden Berlins und Bremens. In einer Transferunion müssten wir kontinental für die Schulden anderer Staaten einstehen. Das können wir nicht. Das wollen wir auch nicht.

    Heißt das, Sie werden dem Euro-Rettungsschirm im Bundestag nicht zustimmen?

    Gauweiler: Ich stimme dem Rettungsschirm nicht zu, weil ich mich an die Stabilitätsverträge gebunden fühle und weil ich es für einen Irrweg halte, dass Deutschland mehr Schulden aufnimmt, damit noch mehr überschuldete Länder sich ihrerseits noch weiter verschulden.

    Ein Kompromissvorschlag sieht jetzt vor, dass der Bundestag bei Grundsatzentscheidungen im Rahmen des Euro-Rettungsschirms befragt wird. Könnten Sie sich damit anfreunden?

    Gauweiler: Demokratie heißt nicht, dass eine Volksvertretung ein bisschen Mitsprache bekommt wie eine Schülermitverwaltung oder ein Elternbeirat, sondern dass das Volk durch das Parlament bestimmt. Besonders wichtig für diese Entscheidungsfreiheit ist dabei der Haushalt. Der Bundeshaushalt hat derzeit ein Volumen von rund 300 Milliarden Euro. Wenn Deutschland aber über 200 Milliarden an Bürgschaften für krisengeplagte Staaten vergeben muss, ist es mit dieser Dispositionsfreiheit nicht mehr weit her.

    Angenommen Ihre Klage hätte Erfolg oder angenommen, der Euro-Rettungsschirm scheitert im Bundestag, dann hätte dies vielleicht eine unabschätzbare politische und ökonomische Erschütterung zur Folge. Ist dieses Risiko die Sache wert?

    Gauweiler: Unser Erfolg der letzten 60 Jahre war die Mischung aus Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit. Das eine geht nicht ohne das andere. Wir dürfen dies nicht aufgeben! Es darf nicht sein, dass der Weg in supranationale Organisationen die Demokratie abschneidet.

    Lassen Sie uns den Blick auf die Bundesregierung allgemein werfen. Helmut Kohl hat der Regierung Merkel vorgeworfen, dass Deutschland den Kompass verloren hat. Er denkt an Europa, Wehrpflicht, Atomausstieg … Wie sehen Sie dies?

    Gauweiler: Die Aktionen der Kanzlerin erscheinen häufig als Reaktion auf die innenpolitische Schwäche des Systems, auf die innenpolitischen Seiltänzereien. Dies gibt ihrer Regierung einen opportunistischen Zug, einen lavierenden Zug.

    Woran liegt dieses Unstete? Am Druck der Opposition? Oder der Flügel der eigenen Partei?

    Gauweiler: Das müssten Sie Angela Merkel selbst fragen. Aber wenn Sie mich fragen würden, ob ihre Regierung trotzdem die derzeitige Euro-Krise überleben kann …

    Ja?

    Gauweiler: … dann würde ich sagen: Ja. Denn Grün-Rot würde noch höhere Euro-Bürgschaften gewähren, als es bei Merkel der Fall ist.

    Kohl bezieht sich auch darauf, dass in der Außenpolitik Deutschland keine berechenbare Größe mehr ist, denken wir nur an die Libyen-Politik …

    Gauweiler: Die Angriffe auf die Bundesregierung, sich nicht am Nato-Militärschlag beteiligt zu haben, halte ich für unbegründet. Wer heute für den Bundeswehreinsatz in Libyen ist, muss morgen in Syrien einmarschieren und übermorgen in einer Vielzahl autoritär geführter Länder. Afghanistan und Irak haben aber gezeigt, dass auf solch einer Interventionspolitik kein Segen ruht.

    Dann träfe die Regierung durchaus richtige Entscheidungen, die sie aber nicht gut vermitteln kann. Was müsste Angela Merkel denn an ihrer Regierungsarbeit verbessern?

    Gauweiler: Lassen Sie es mich mit Gertrude Stein sagen, einer Literaturpäpstin der zwanziger Jahre aus Paris. Sie sagte darüber, was gutes Schreiben ausmacht: „Alles, was du tun musst, ist, einen wahren Satz schreiben. Schreib den wahrsten Satz, den du weißt.“

    Wie müsste Ihrer Meinung nach der von Kohl geforderte „Kompass“ deutscher Politik aussehen?

    Gauweiler: Kohl hat in seinem Beitrag die alte CDU-Position schlüssig dargestellt: Westbindung, Marktwirtschaft, Nato … Gleichzeitig ist mit dem Fall der Mauer aber Osteuropa als lebendiges Biotop vor der Haustüre aufgetaucht, mit allen Problemen, aber auch mit riesigen Chancen, vergleichbar fast mit der Entdeckung Amerikas 1492. Die Ukraine, Weißrussland: Wir haben dort jede Chance! Die politische Klasse muss sich vorhalten lassen, zu sehr mit dem Tagesgeschäft und zu wenig mit der Gestaltung der Herausforderungen befasst zu sein.

    Eine Frage hätten wir noch: Wie sieht denn der wahrste Satz von Peter Gauweiler aus?

    Gauweiler: Hmmh ... (lacht). Die Idee, dass der Euro-Rettungsmechanismus durch Kredit-Finanzgeschäfte gelingt, ist wie die Idee, Schneebälle zu rösten.

    Das müssen Sie dann doch noch kurz erklären.

    Gauweiler: Der Spiegel hat kürzlich eine Statistik der Weltbank und des IWF veröffentlicht, wonach der Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen weltweit 63 Billionen Dollar im Jahr 2010 betrug, der Wert aller gehandelten Finanzderivate allein im Dezember 2010 aber 601 Billionen Dollar. Würden diese Derivate auf einmal in Realien umgesetzt, würden die Preise der realen Güter ins Unendliche steigen. Dürfen wir diese ungesunde angelsächsisch verfasste Finanzindustrie – auf die wir nicht den geringsten Einfluss haben – noch weiter aufblähen? Wohl nicht. Genau das ist es aber, was hinter dem „Euro-Rettungsschirm“ steckt: Neue Staatsschulden sollen das Geschäft auf den Finanzmärkten sichern. Sichern durch Expansion. Ein überhitzter Kessel soll noch mal angeheizt werden – um ihn zu retten! Wer so denkt, der denkt auch, er könne Schneebälle rösten. Interview: Michael Kerler

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