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Fridays for Future: Schadet sich Greta Thunberg mit ihrer Wutrede selbst?

Fridays for Future

Schadet sich Greta Thunberg mit ihrer Wutrede selbst?

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    Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg wollte mit ihrer zornigen Rede beim Klimagipfel die Mächtigen aufrütteln. Schadet sie sich damit selbst?
    Die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg wollte mit ihrer zornigen Rede beim Klimagipfel die Mächtigen aufrütteln. Schadet sie sich damit selbst? Foto: Jason Decrow, dpa

    Die Wangen sind rot geworden von all der hitzigen Wut. Die Stimme brüchig, die Augen zu Schlitzen geformt, sie füllen sich mit Tränen. „Wie konntet ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit euren leeren Worten?“, spricht Greta Thunberg ins Mikrofon. Der Auftritt der 16-jährigen Klima-Aktivistin vor den Mächtigen dieser Welt beim UN-Klimagipfel war wie ein Donnerhall.

    Eine emotionale Standpauke, wie sie im Saal der Vereinten Nationen in New York nur selten zuvor gehalten wurde. Gewaltig und beängstigend für die einen, ein beeindruckendes Schauspiel voller Kraft für die anderen. Ihre Worte klingen selbst bei jenen nach, die sonst nicht für ungezügelte Kritik bekannt sind. „Nur Wutreden halten, wie Greta vor den Vereinten Nationen, das wird uns nicht weiterhelfen“, sagt Entwicklungshilfeminister Gerd Müller mit unverhohlenem Ärger. „Der Klimaschutz beginnt nicht mit Greta Thunberg.“

    Wutrede von Greta Thunberg: Minister Müller ist verärgert

    Deutlicher wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter: „Wer da rational argumentieren will, ist von vornherein schon diskreditiert. Das ist die neue ‚Qualität‘ mangelnden Willens zur Sachlichkeit. Bitter“, schreibt er auf Twitter. Dort spottet auch US-Präsident Donald Trump: „Sie scheint ein sehr glückliches junges Mädchen zu sein, das sich auf eine glänzende und wundervolle Zukunft freut.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rät den jungen Aktivisten, sich auf diejenigen zu konzentrieren und Druck auszuüben, die versuchten, Dinge zu blockieren – er habe nicht das Gefühl, dass das die französische oder die deutsche Regierung sei.

    Polarisiert hat die Schülerin aus Schweden von Anfang an. Doch kippt nun die Stimmung? Nicht mehr nur Klimaleugner, sondern zunehmend die Mitte der Gesellschaft reagiert irritiert. Geht Greta zu weit? Vergiftet sie sogar das gesellschaftliche Klima bei ihrem Versuch, das Klima zu retten? Oder braucht Protest vielleicht sogar Radikalität, um Veränderungen herbeizuführen?

    „Der Auftritt Gretas in New York war nicht zufällig ein Bruch mit Stil und Ritualen der Vereinten Nationen, wo Diplomatie, Höflichkeit und staatsmännisches Auftreten ja sinnbildlich für den vermeintlichen Stillstand und die unterstellte Untätigkeit der Erwachsenen stehen“, sagt der Politikwissenschaftler Alexander Straßner von der Universität Regensburg. „Die revolutionäre Ungeduld, die Radikalität, die hier gesprochen hat, ist das Stilmittel, mit dem es neben den symbolischen Auftritten bisher versucht wird, die Menschen aufzurütteln.“

    Doch die Emotionalität und Wut, die es gerade erst vermocht hatten, so viele Menschen zu mobilisieren, bekämen nun eine gefährliche Kehrseite. Denn einerseits wirke Greta auf ihre Anhänger durch ihre Zornesrede nur noch ikonischer, noch mutiger. Andererseits führe genau das zu einer Verhärtung bei den Gegnern, die ohnehin das Gefühl hätten, dass Kritik an den Kritikern der Politik nicht erlaubt sei oder gar diffamiert werde. Greta begeistert und befremdet zugleich.

    Fridays for Future: Radikalisiert sich die Bewegung?

    Straßner warnt sogar vor einer Radikalisierung der Gruppierung. An den Rändern der Fridays-for-Future-Bewegung könne der Hang zur Militanz wachsen. „Es ist nun ein gefährlicher Punkt erreicht“, sagt der Politikwissenschaftler. „Es gibt Massenproteste, die Maßnahmen der Bundesregierung werden als nicht ausreichend angesehen, da ist der Schritt zur Gewalt nur noch ein kleiner.“

    Demokratien und die daraus geborenen Kompromisse würden von vielen Anhängern als zu schwach empfunden, um den Klimawandel wirklich aufzuhalten – ein Punkt, den Straßner massiv kritisiert. Die Fokussierung der Aktivisten auf die Wissenschaft sei ehrenwert, bedeute letztendlich aber die Errichtung einer Technokratie. „Wieso braucht es überhaupt noch zivile Eliten, wenn die Wissenschaft alles weiß?“, fragt er. „Das klingt fast nach platonischer Philosophenherrschaft, in einer Demokratie aber geht es um Mehrheiten, die erlangt werden müssen.“ Dass ausgerechnet Thunberg zugleich mit Begriffen wie Angst und Panik argumentiert, hält er für fragwürdig.

    Doch genau diese ungefilterte Gefühlswallung, die zugleich sture Auflistung von Beweisen für den Klimawandel ist es eben auch, die Gretas Anhänger fasziniert. In New York wurde sie von Anhängern regelrecht gefeiert. „Greta Thunberg hat uns jungen Menschen wirklich aus der Seele gesprochen“, betont etwa Rebecca Freitag, die als Jugenddelegierte beim UN-Klimagipfel die Rede der Schwedin verfolgt hat. „Die Worte, die sie gewählt hat, waren genau die, die die Staats- und Regierungschefs hören müssen. Ich finde bloß, dass sie sie noch viel, viel öfter hören müssen.“ Es ist die Nüchternheit der großen Politik, die viele Jugendliche auf Distanz hält. „Ich glaube, dass wir bei der ganzen Diskussion oft die Emotionen außen vor lassen“, sagt Rebecca Freitag. Doch genau die wolle sie nutzen. „Weil es das ist, warum wir jungen Menschen auf die Straße gehen: Weil wir einfach verdammte Angst haben um unsere Zukunft.“

    Auch in der aktuellen Folge unsere Podcasts "Augsburg, meine Stadt" geht es um das Thema Klimaschutz. Die Augsburger Schülerinnen Aylin Yildiz und Emma Schwaiger erzählen unter anderem, wie sie ihren Alltag zugunsten des Klimas umgekrempelt haben.

    Gerade die Emotionen mobilisieren die Jugend

    Zumindest für Wolfgang Kraushaar ist diese Entwicklung nicht überraschend. Kraushaar ist einer der profiliertesten Kenner deutscher Protestbewegungen. Und er sagt: „Diese Klimaschutzbewegung ist ja unter den Vorzeichen eines Generationenprojekts angetreten: Die junge Generation ist gegen die älteren, die ihrer Eltern und Großeltern angetreten und wirft ihnen vor, ihre Zukunft zu verspielen“, sagt er. „Und junge Akteure – und außerordentlich junge im Alter von 10 bis 14 Jahren ganz besonders – sind nun einmal emotional und begeisterungsfähig.“ Während die Politik unter einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem leide, sei Greta durch ihre Entschiedenheit und ihre eigene Umweltmoral ein Vorbild. Und doch glaubt auch Kraushaar, dass Greta mit ihrem Auftritt in New York überzogen haben könnte, „weil ihre darin verborgene erpresserische Seite nun unverkennbar geworden ist“.

    Sie wolle mit rhetorischen Mitteln auf einer Art Weltbühne ein von ihr als unverzichtbar angesehenes Handeln geradezu erzwingen. Doch das sei schlicht undemokratisch. „Um ihren Forderungen Genüge zu tun, wäre es wohl am einfachsten, wenn es eine Ökodiktatur gäbe“, sagt Kraushaar unserer Redaktion. „Dieser Form von Entscheidungsmonopol kommt die kommunistische Staatspartei in der Volksrepublik China übrigens schon relativ nahe.“ Gretas Stärke ist somit zugleich ihre größte Schwäche: Einerseits fordert sie nicht mehr als die praktische Umsetzung dessen, was von der Politik beschlossen und von der Wissenschaft beglaubigt wurde. Andererseits verstößt sie mit ihrem rigorosen Glauben an die Naturwissenschaft gegen die Regeln von Politik und Gesellschaft.

    Was ist, wenn die Gallionsfigur beschädigt ist?

    Ein Stimmungsabschwung habe sich aber bereits seit langem abgezeichnet. Dabei wäre es für Fridays-for-Future fatal, wenn ihre Führungsfigur geschwächt würde. „Man konnte bereits am Verlauf der Occupy-Bewegung sehen, dass es für eine Protestbewegung von Nachteil ist, wenn es keine identifizierbaren Gallionsfiguren gibt, die auch ein bestimmtes Maß an Emotionalität in die Öffentlichkeit hinein vermitteln“, erklärt Protestforscher Wolfgang Kraushaar.

    Hier lesen Sie ein Interview mit Jugenddelegierten aus Deutschland: "Greta Thunberg hat uns Jugendlichen aus der Seele gesprochen."

    Lesen Sie auch den Kommentar: Der UN-Klimagipfel war geprägt vom Versagen der Politik

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