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Fridays for Future: Fridays for Future: Überstehen Klima-Proteste die Krise?

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Fridays for Future: Überstehen Klima-Proteste die Krise?

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    Klima-Aktivisten machten Ende Mai in Kempten auf sich aufmerksam.
    Klima-Aktivisten machten Ende Mai in Kempten auf sich aufmerksam. Foto: Matthias Becker

    Schüler haben die Welt auf den Kopf gestellt. Das US-Magazin Time wählte Greta Thunberg 2019 zur Person des Jahres. Zwar hatten Forscher schon seit Jahren auf die Gefahr und die Konsequenzen des Klimawandels hingewiesen. Doch erst der von Thunberg initiierte Schulstreik brachte weltweit Millionen Menschen auf die Straßen und das Thema in Bewegung. Dem Protest der Schüler schlossen sich etwa im September allein in Augsburg 6000 Menschen an, darunter inzwischen auch Erwachsene. Das setzte die Politik unter Druck: Unionspolitiker näherten sich den Grünen, die Bundesregierung beschloss den Kohleausstieg 2038. Länder wie die Niederlande, Frankreich oder Spanien wollen in den nächsten Jahren Autos mit Verbrennungsmotoren verbieten. Auch wenn den Aktivisten von Fridays for Future das Erreichte bei weitem nicht genügt: Die Klimabewegung war in Fahrt. Doch dann kam das Virus.

    Statt des Klimas bestimmte plötzlich die Corona-Krise das Geschehen. Massendemonstrationen von Fridays for Future gab es seither nicht mehr. Aktivisten geben unumwunden zu: Corona hat die Bewegung drastisch eingebremst. „Für uns hatte das klar negative Folgen“, sagt Nina Vogel, Mitorganisatorin der Veranstaltungen in Neuburg an der Donau. Und Fridays-for-Future-Sprecher Linus Steinmetz findet: „Wir mussten sehr kreativ sein.“

    Fridays for Future mit digitalem Protest in der Corona-Pandemie

    Resultat der kreativen Ideen war digitaler Protest. Trotz der Pandemie gab es am 24. April eine weltweite Aktion. Per Video-Stream konnten die Demonstranten daran teilnehmen, allein das deutschsprachige Video von Fridays for Future hatte 200.000 Aufrufe. Dort waren Reden zu sehen, die Aktivisten stellten Forderungen, zudem luden sie Bilder von Protestschildern im Internet hoch. In Städten wie Berlin, München oder Augsburg legten sie dazu Schilder in der Stadt aus, um sich sichtbar zu machen. Doch Steinmetz ist beim Blick auf den Erfolg gespalten. „Online stoßen wir schwer in neue Kreise vor“, sagt der 16-Jährige. „Wir erreichen vor allem die, die uns eh schon gut finden.“

    Dabei kehrten schon kurz nachdem die Pandemie Deutschland erreicht hatte, die ersten Proteste wieder auf die Straße zurück. Eine Mischung verschiedener Menschen, darunter Impfgegner und Verschwörungstheoretiker, protestierte gegen die Ausgangsbeschränkungen. Anfang Juni gingen tausende Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße. Fridays for Future aber verzichtete auf Massendemos in den Städten. „Man muss andere Möglichkeiten finden, um mit der nötigen Vorsicht protestieren zu können“, sagt Steinmetz.

    Expertin: Corona kann Fridays for Future nicht stoppen

    Sigrid Kannengießer findet, der Fridays-for-Future-Bewegung sei es gelungen, die Zeit der strikten Ausgangsbeschränkungen zu nutzen. Sie ist Professorin im Fach Medienwissenschaft und Mitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung. „Die Proteste waren gar nicht richtig weg, es wurden neue Protestformen entwickelt“, sagt sie. Zwar hätten sie früher regelmäßig am Freitag eine große Aufmerksamkeit erreicht, nun seien die Proteste im Netz weniger konzertiert und schwerer zu fassen. Doch dass etwa Schulstreiks nicht mehr möglich waren, weil Schulen ohnehin geschlossen blieben, habe der Bewegung kaum geschadet. In den Augen der Expertin waren diese vor allem wichtig, um die Bewegung zu starten. „Das war zu Beginn eine Provokation“, sagt Kannengießer. „Aber die Bewegung hat nun neue wirksame Protestformen entwickelt.“ Sie ist überzeugt, dass Corona die Bewegung nicht stoppen kann. Und dass etwa die Kaufprämie für neue Autos, die als mögliche Konjunkturspritze in der Corona-Krise im Gespräch war, doch nicht umgesetzt wurde, führt Kannengießer nicht zuletzt auf den Einfluss der Klimaaktivisten zurück.

    Entscheidungen wie diese erwartet Nina Vogel nun häufig. Die Neuburger Aktivistin rechnet damit, dass die Welt sich während der Corona-Pandemie verändern wird. Bei den Weichen, die jetzt gestellt werden, sei es wichtig, „nachhaltig zu denken“, sagt sie. Um weiter Druck ausüben zu können, müsse man präsent bleiben. Demonstrationen auf der Straße sieht die 18-Jährige zumindest in Neuburg in den nächsten Monaten nicht. Doch es gebe noch andere Möglichkeiten: Sie denkt etwa an Müllsammelaktionen oder eine Kleiderbörse. Seit Mai sitzt Vogel für die Grünen im Neuburger Stadtrat. Dazu, dass sie sich jetzt politisch engagiert, habe Fridays for Future „viel beigesteuert“. Vor Ort sei in der Bewegung aber spürbar gewesen, dass Corona die Aktivisten etwas erlahmen ließ. „Viele hatten mit den unmittelbaren Konsequenzen zu tun, die Corona für jeden persönlich hatte“, sagt Vogel.

    Aktionen von Fridays for Future in der Corona-Krise

    Ähnlich wie in Neuburg wirkte sich die Pandemie auch auf Gruppen in anderen Städten der Region aus. In Mindelheim etwa habe man auf Treffen verzichtet, sagt Mitorganisatorin Jessica Inhofer. „Vom Sofa aus“ habe es jedoch „einfache und schnelle Wege gegeben, etwas zum Positiven zu verändern“, sagt die 25-Jährige. Fridays for Future werde weiterhin gebraucht, „solange das Klimaproblem besteht und nichts ausreichendes dagegen unternommen wird“.

    Das sehen bundesweit offenbar viele Aktivisten so. Denn ein Blick auf die Deutschlandkarte, die Fridays for Future auf seiner Website veröffentlicht, zeigt, dass die Bewegung Stück für Stück wieder auf die Straße zurückkommt. Dort kann man sehen, wo aktuell Aktionen geplant sind. Am vergangenen Freitag etwa eine Fahrraddemo in Landshut, Aktivisten machten hier mit ihren Klingeln auf sich aufmerksam. Sprecher Linus Steinmetz hofft auf eine Rückkehr der Straßendemos im Laufe der zweiten Jahreshälfte. „Aber wir fahren auf Sicht“, sagt er. In manchen Punkten könnte Corona die Bewegung gar stärken. Denn schon lange fordern die Aktivisten, auf Forscher zu hören – so wie es die Politik in den vergangenen Monaten getan hat, wenn es um Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ging. Steinmetz würde sich freuen, wenn sich dieses Prinzip auf die Klimapolitik übertragen würde. „Wir haben gelernt, dass etwas, das das Leben gefährdet, verboten werden muss“, sagt er. „Und auch Kohle gefährdet Leben.“

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