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Franziska Giffey: Rücktritt als Familienministerin

Affäre um Doktorarbeit

Franziska Giffey tritt als Familienministerin zurück

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    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist zurückgetreten.
    Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist zurückgetreten. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Noch kurz zuvor forderte sie die schnelle Rückkehr von Schülern in den Regelunterricht, dann zog Familienministerin Franziska Giffey den Schlussstrich unter ihre Amtszeit als Bundesfamilienministerin. Mit dem Rücktritt wollte die SPD-Politikerin offenbar der bevorstehenden Aberkennung ihres Doktortitels zuvorkommen.

    Die Plagiatsaffäre um Franziska Giffeys Doktorarbeit läuft schon seit Jahren

    Schon seit Jahren kämpft Giffey gegen den Vorwurf, sie habe Teile ihrer Doktorarbeit abgeschrieben. Für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Olaf Scholz kommt die heikle Personalie zur Unzeit. Keine fünf Monate vor der Bundestagswahl sind die Umfragewerte im Keller und dann wird auch noch eine der bekanntesten Sozialdemokratinnen von einer Plagiatsaffäre eingeholt. Zumal die Diskussion durch Giffeys Rücktritt als Ministerin keineswegs beendet ist. Denn die 43-Jährige will weiter Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. Für ihre politischen Gegner ist das ein gefundenes Fressen.

    In der Sitzung des Kabinetts am Mittwochvormittag bat die SPD-Politikerin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) um ihre Entlassung. Merkel sagte kurz darauf, sie nehme die Entscheidung „mit Respekt und Bedauern“ entgegen. Hintergrund des Rücktritts sind Vorwürfe, Giffey habe Teile ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 2010 abgeschrieben. Die Affäre schwelt bereits seit 2019, als die Plagiatsjäger von „Vroni-Plag“ 73 Textstellen in Giffeys Dissertation beanstandeten. Kritisiert wurden etwa falsche Quellenangaben. Giffey selbst bestreitet bis heute, bewusst getäuscht zu haben, sie habe die Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“. Giffey hatte aber auch angekündigt, sie werde als Ministerin zurücktreten, sollte ihr der Doktortitel entzogen werden.

    Zuerst bekam Franziska Giffeys Doktorarbeit nur eine Rüge

    Eine erste Überprüfung der Freien Universität Berlin endete zunächst mit einer Rüge, ihren Doktorgrad durfte Giffey behalten Giffey kann Doktortitel behalten. Doch die Kritik an der Dissertation im Fach Politikwissenschaft mit dem Titel „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ riss nicht ab. Nachdem die Freie Universität Berlin angekündigt hatte, ihre umstrittene Promotion ein zweites Mal zu überprüfen, verzichtete die Familienministerin im November dann von sich aus auf ihren Doktortitel. „Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht in diesem akademischen Grad begründet“, sagte Giffey. Allerdings kann man diesen Titel rechtlich nicht einfach von sich aus ablegen.

    Musste als erster Minister wegen einer plagiierten Doktorarbeit zurücktreten.
    Musste als erster Minister wegen einer plagiierten Doktorarbeit zurücktreten. Foto: Michele Tantussi, dpa

    Wegen Plagiatsaffären um ihre Doktorarbeiten waren etwa 2011 Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und 2013 Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) zurückgetreten. Der Politikwissenschaftler Peter Grottian hatte Giffeys Verfehlungen als weniger gravierend als bei Guttenberg bewertet, aber ernster als im Fall Schavan eingeschätzt. Die weitere Diskussion drehte sich darum, ob für Giffeys Verfehlungen eine Rüge ausreicht, oder eine Aberkennung des Titels erfolgen muss. Das zweite Prüfgremium warf Giffey schließlich „objektive Täuschung“ bei 27 Textstellen vor. Vor wenigen Tagen berichtete das Wirtschaftsmagazin Business Insider, dass sich die Freie Universität für die Aberkennung des Doktortitels ausgesprochen haben soll.

    Franziska Giffey akzeptiert die Entscheidung der Freien Universität Berlin

    Nach ihrem Rücktritt erklärte Giffey, sie bedauere es, wenn ihr bei der Erstellung ihrer Arbeit vor zwölf Jahren Fehler unterlaufen seien. „Sollte die Freie Universität in ihrer nunmehr dritten Überprüfung meiner Arbeit zu dem Ergebnis kommen, mir den Titel abzuerkennen, werde ich diese Entscheidung akzeptieren.“ Sie ziehe nun die Konsequenzen aus dem andauernden und belastenden Verfahren: „Damit stehe ich zu meinem Wort.“

    Ihre Kandidatur für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin will Giffey aber aufrecht erhalten. Sie strebt damit die Nachfolge ihres Parteifreundes Michael Müller an, der nie an die Popularität seines schillernden Vorgängers Klaus Wowereit anknüpfen konnte. Giffey dagegen, Tochter einer Buchhalterin und eines KFZ-Meisters aus Briesen in Brandenburg, hat in der Hauptstadt viele Anhänger. Als Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln hatte sie sie es mit „Schnauze“ und Leutseligkeit zu großer Beliebtheit gebracht, was auch der Bundes-SPD nicht verborgen blieb. Folge war die Berufung zur Familienministerin.

    Trotz Plagiataffäre: Giffey will trotzdem Regierende Bürgermeisterin werden

    Zeitgleich mit der Bundestagswahl wählt Berlin im September seinen „Regierenden“, was in anderen Bundesländern dem Ministerpräsidenten entspricht. „Was meine Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin betrifft, habe ich immer klar gesagt: Die Berliner SPD und die Berliner können sich auf mich verlassen. Dazu stehe ich. Mein Wort gilt.“ Die Hauptstadt-SPD stellte sich hinter sie, offenbar ist man überzeugt, dass die meisten Berliner die Sache mit der Doktorarbeit nicht so eng sehen.

    Trotz ihrem Rücktritt will Franziska Giffey weiterhin Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden.
    Trotz ihrem Rücktritt will Franziska Giffey weiterhin Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    CSU-Generalsekretär Markus Blume dagegen hält Giffeys Rücktritt als Familienministerin für unzureichend. „Faktisch nimmt sie sich nur eine Auszeit, um sich auf den Wahlkampf für den Posten der Regierenden Bürgermeisterin zu konzentrieren“, sagte Blume den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Blume weiter: „Der Rücktritt von Frau Giffey war – auch gemessen an anderen Fällen in der Vergangenheit – so zwingend wie konsequent. Weniger konsequent ist dagegen, dass sie an ihrer Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahlen in Berlin festhält.“

    Giffeys Posten als Familienministerin bleibt bis zur Bundestagswahl unbesetzt

    Bis zur Bundestagswahl soll Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, ebenfalls SPD, die Aufgaben Giffey mit übernehmen. Das teilten die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in Berlin mit. Damit folgt die SPD der geübten Praxis, vakante Ministerposten in einem Wahljahr nicht nachzubesetzen. Dies war so gehandhabt worden, als die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles als Chefin in die SPD-Fraktion wechselte oder Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Bundestagspräsidenten berufen wurde.

    Übernimmt Giffeys Pflichten: Justizministerin Christine Lambrecht.
    Übernimmt Giffeys Pflichten: Justizministerin Christine Lambrecht. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Zuvor war heftig über die Nachfolge Giffeys spekuliert worden. Die SPD dementierte, Esken habe selbst erwogen, ins Kabinett einzuziehen. Heiß als Kandidatin gehandelt wurde auch Serpil Midyatli, stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende aus Schleswig-Holstein.

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