Ich weiß nicht, ob Sie gerne wetten. Aber auf wen würden Sie für das Wochenende setzen?
Manfred Güllner: Das Wetten habe ich mir abgewöhnt. Wäre als Meinungsforscher auch kaum hilfreich. Tatsächlich ist eine Vorhersage aber äußerst schwierig. Die Entscheidung liegt in der Ratio der CDU-Delegierten. Und die denken oft in ihrer eigenen Welt und nicht unbedingt an die Wähler. In der Corona-Krise hat sich aber bestätigt, dass es sich auszahlt, an die Wähler zu denken.
Wäre nicht ein Mitgliederentscheid das angemessene Verfahren gewesen?
Güllner: Das glaube ich überhaupt nicht. Das Beispiel SPD hat ja gezeigt, dass eine Beteiligung aller Mitglieder für eine Partei ein schwerer Klotz am Bein sein kann.
Kommen wir zur Gretchenfrage: Welcher der drei Männer hätte Ihrer Ansicht nach die besten Chancen als Kanzlerkandidat?
Güllner: Man muss sehen, dass Friedrich Merz noch nie eine Wahl bestritten hat. Seine Glorifizierung entspricht nicht der Realität. Schon in seiner Zeit als CDU/CSU-Fraktionschef kämpfte er mit dem FDP-Politiker Jürgen Möllemann um den letzten Platz auf der Beliebtheitsskala der Politiker. In der Mitte würde Merz kaum punkten.
Wie wäre es mit Norbert Röttgen? Er hat ja Erfahrungen als Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen.
Güllner: Ja, aber die Wahl im Jahr 2012 lief für ihn katastrophal. Ich erinnere mich noch an das Wahlplakat „NRW – Norbert Röttgen Wählen“. Das wollte aber letztlich weder die tiefkatholische Großmutter aus Köln noch der arbeitslose Stahlkocher aus dem Ruhrgebiet. Selbst 50 Prozent der CDU-Anhänger wollten ihn nicht als Ministerpräsidenten. Röttgen kommt bei den Wählern einfach nicht an.
Wie wäre es mit Armin Laschet?
Güllner: Laschet hat immerhin in NRW gezeigt, dass er Wahlen gewinnen kann. Er hat auch bewiesen, dass er regieren kann. Allerdings wirkte er im Laufe der Corona-Krise dann wieder fahrig, er hatte Probleme seine Linie klar darzustellen. Das war dann wieder der „lasche Laschet“. Zuletzt ist er besser in Tritt gekommen.
Halten Sie für denkbar, dass am Ende ein anderes Gesicht von den Wahlplakaten der Union herablächelt?
Güllner: Söder liegt bei der Kanzlerkandidatenfrage klar vorne. Sein Vorteil ist, dass er nicht so bayerisch daherkommt, wie Stoiber oder gar einst Franz-Josef Strauß. Er ist kein typischer Bayer, sondern Franke. Er kommt auch in Norddeutschland an.
Macht er es?
Güllner: Die CSU-Mitglieder wollen ihn ja lieber in Bayern behalten. Die Frage ist, ob er sich das antut. Schließlich ist er in Bayern ein König. In Berlin wäre das schwieriger. Er macht im Freistaat eine erfolgreiche Politik der Mitte, grenzt sich konsequent gegen die AfD ab.
Was ist mit Jens Spahn?
Güllner: Er ist 40 Jahre alt, hat alle Zeit der Welt. Für ihn käme eine Kandidatur zu früh. Er sollte abwarten, bis er gerufen wird.
In Deutschland gilt seit vielen Jahren das Mantra, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Bleibt es dabei?
Güllner: Auf jeden Fall. Die Lager lösen sich nicht auf, wie viele behaupten. Das ist Quatsch. Unsere Befragungen zeigen, dass sich eine Mehrheit selber in der Mitte sieht. Das Problem ist viel eher, dass sich die Politik zu oft um die Randgruppen der Gesellschaft kümmert.
Würde ein Votum für Merz nicht die Option Schwarz-Grün zerstören?
Güllner: Was soll die Union denn sonst machen. Die FDP ist ein zweifelhafter Partner, der sich sogar manchmal an AfD-Positionen annähert. Die SPD betreibt zurzeit Opposition und Regierung gleichzeitig.
Wie weit muss sich der Sieger von der Dauerkanzlerin distanzieren?
Güllner: Der Sieger sollte vielmehr auf ihrem Erbe aufbauen, anstatt sich von Merkel abzusetzen. Die Leute sehnen sich nach Stabilität. Diese Sehnsucht ist weit größer als der viel beschworene Wunsch nach harten politischen Auseinandersetzungen mit klaren Fronten.
Zur Person: Manfred Güllner, 79, ist Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts für Meinungsforschung. Güllner ist Mitglied der SPD.
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