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Flüchtlingspolitik: Thomas de Maizière: Unverhofft zurück in der Offensive

Flüchtlingspolitik

Thomas de Maizière: Unverhofft zurück in der Offensive

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    Zumindest in der Union haben sich die Positionen des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zum Familiennachzug für Flüchtlinge aus Syrien durchgesetzt.
    Zumindest in der Union haben sich die Positionen des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) zum Familiennachzug für Flüchtlinge aus Syrien durchgesetzt. Foto: Laurant Dubrule, dpa

    Erstens kommt es anders, zweitens, als man denkt. Bis Sonntagabend war Innenminister Thomas de Maizière noch so etwas wie der Don Quichotte der Union: einer, der es gut meint, aber schlecht macht – und deshalb auf verlorenem Posten kämpft. Sein Vorschlag, Flüchtlinge aus Syrien zunächst nur für ein Jahr aufzunehmen und ihnen damit auch den Familiennachzug zu verwehren, war weder mit der Kanzlerin abgesprochen noch mit dem Koalitionspartner. Unter anderen Umständen hätte ihn dieser Affront vermutlich sein Amt gekostet, weil Angela Merkel vieles verzeiht, aber keine Illoyalität. In den Berliner Chaostagen allerdings wird genau dieser Affront nun zur offiziellen Beschlusslage der CDU.

    Nach den Sitzungen der Parteispitze steht Generalsekretär Peter Tauber am Montag im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses und befördert einen Minister auf Abruf plötzlich in zwei, drei beiläufigen Sätzen zum Helfershelfer einer neuen Asylpolitik. Mit den Innenministern der Länder soll de Maizière jetzt „zügig“ klären, wie sich der befürchtete Andrang von Ehepartnern und Kindern aufhalten lässt, die den zu hunderttausenden geflohenen Syrern noch nach Deutschland hinterherziehen wollen. Darüber, sagt Tauber, habe in den Gremien der Partei gerade „breite Übereinstimmung“ geherrscht.

    Altmaier hatte de Maizière am Samstag noch vorgeführt

    Tatsächlich hatte Kanzleramtsminister Peter Altmaier, einer von Angela Merkels engsten Vertrauten, die Vorschläge des Innenministers noch am Samstag als dessen private Meinung abgetan, ihn öffentlich vorgeführt und in Richtung der tobenden SPD beschwichtigt: „Die Verfahren für die Syrer werden weiterhin so behandelt wie bisher.“ Das heißt: Bei ihnen wird nicht jeder Einzelfall vom Nürnberger Bundesamt geprüft, sondern sie werden quasi pauschal als Flüchtlinge anerkannt, die auch das Recht haben, ihre Familien in Deutschland wieder zusammenzuführen. Wörtlich fügte Altmaier dann in einem Radiointerview noch hinzu: „Das bedeutet, dass sich die Menschen dort auch keine Sorgen machen müssen.“

    Nicht einmal eine Woche nach dem Dreiergipfel der Parteivorsitzenden steuert die Koalition damit offenbar auf den nächsten Hauskrach zu. „Der Vorstoß des Innenministers stellt die gesamte Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und damit auch die Kanzlerin infrage“, kritisiert SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. „Der in der Union schwelende Machtkampf gegen Angela Merkel wird offensichtlich mit immer größerer Kraft auf offener Bühne ausgetragen.“

    Der Innenminister will den Anerkennungs-Automatismus abschaffen

    Bei den Konservativen dagegen denken viele wie de Maizière – allen voran Finanzminister Wolfgang Schäuble, der vor vier Monaten im Streit um das nächste Hilfspaket für Griechenland noch sibyllinisch mit seinem Rücktritt kokettiert hatte, mittlerweile aber so etwas ist wie der gefühlte Ersatzkanzler. Auch jetzt steht er wieder für eine härtere, kompromisslosere Linie, während die Kanzlerin ihren Kurs, wenn überhaupt, nur in kleinen Schritten korrigiert. Natürlich müsse der Familiennachzug begrenzt werden, verlangt Schäuble. „Unsere Aufnahmekapazität ist ja nicht unbegrenzt.“ Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sekundiert: „Thomas de Maizière hat recht.“ Nach einer neuen Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young fehlen den Kommunen schon jetzt 370000 Plätze für Asylbewerber.

    Im Moment sind die Angehörigen der Flüchtlinge, die in Syrien oder im Nordirak auf gepackten Koffern sitzen, allerdings das kleinste Problem des 61-Jährigen – solange sich die unbearbeiteten Anträge in Nürnberg zu Hunderttausenden stapeln, können hunderttausende von Flüchtlingen auch noch niemanden nachkommen lassen. Der Innenminister will vor allem den Automatismus abschaffen, mit dem Syrer seit Herbst vergangenen Jahres in Deutschland anerkannt werden. Ihnen genügt, salopp gesagt, ein passender Pass, um in Deutschland bleiben zu können, während bei anderen Nationalitäten jeder Einzelfall geprüft wird. „Auch im Hinblick auf die vielen unterschiedlichen Krisenregionen kann es auf Dauer keine Bevorzugung einer Flüchtlingsgruppe geben“, warnt der CSU-Innenexperte Michael Frieser. „Dies führt letztlich nur dazu, dass sich Menschen aus anderen Staaten als Syrer ausgeben.“

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