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Flüchtlingskrise: Wie Europa mit Grenzzäunen aufrüstet

Flüchtlingskrise

Wie Europa mit Grenzzäunen aufrüstet

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    Europa schottet sich ab. Viele Staaten sind in den vergangenen beiden Jahren dem Beispiel Ungarns gefolgt und haben Grenzzäune errichtet.
    Europa schottet sich ab. Viele Staaten sind in den vergangenen beiden Jahren dem Beispiel Ungarns gefolgt und haben Grenzzäune errichtet. Foto: Balazs Mohai, epa/ dpa

    Noch vor wenigen Wochen ließ die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, keinen Zweifel daran, was sie von Beton, Mörtel und Stacheldraht an Grenzen hält. „Wir Europäer feiern, wenn Mauern eingerissen und Brücken gebaut werden“, sagte sie unmissverständlich. Die etwa 850 Flüchtlinge, die es in den vergangenen Tagen in die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta schafften, liefern derzeit ganz andere Bilder. Sie klettern zu hunderten über einen sechs Meter hohen Stacheldrahtzaun, um in den EU-Außenposten an der marokkanischen Küste zu gelangen.

    Es sind Sperranlagen wie die vor Ceuta, die es der Europäischen Union möglicherweise schwerer machen dürften, die von US-Präsident Donald Trump geplante 2000 Kilometer-Mauer zu Mexiko zu verurteilen. Europa schottet sich nämlich seit Jahren selbst zunehmend ab. Etwa 65 Grenzmauern und -zäune gebe es aktuell weltweit, sagt Geograf und Mauerexperte Reece Jones von der University of Hawaii. Drei Viertel davon seien erst in den vergangenen 20 Jahren überwiegend in

    Bulgarien, Ungarn und Norwegen haben Zäune bauen lassen

    Beispiel Calais, unweit des Ärmelkanals. Dort steht seit Dezember ein Wall, der sich über einen Kilometer erstreckt und vier Meter hoch ist. Seinen ursprünglichen Zweck erfüllt er allerdings nicht mehr. Das chaotische Flüchtlingslager in der Nähe, im Volksmund schlicht „Dschungel“ genannt, löste die französische Regierung zuvor auf. Bulgarien hat schon 2015 reagiert. Das Land teilt mit der Türkei eine 270 Kilometer lange Grenze. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beschloss die Regierung, seine Sperranlage auf etwa 160 Kilometer auszuweiten.

    Keine Mauer, dafür ein meterhoher Stacheldrahtzaun steht an Ungarns fast 500 Kilometer langer Grenze zu Kroatien und Serbien. Dem konnten offenbar auch Estland und Lettland etwas abgewinnen. Die Baltikumsstaaten sehen nicht nur Flüchtlinge als Problem. Sie haben auch vor russischen Soldaten oder Söldnern Angst. Deshalb hat

    Flüchtlingskrise fördert den Trend zum Bau von Mauern und Zäunen

    Europas Abschottungspolitik sei nicht neu, sagt EU-Experte Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die EU-Außengrenzen seien auch schon vor 2015 recht undurchlässig gewesen. Die Flüchtlingskrise habe den Trend zum Bau von neuen Mauern und Zäunen allerdings verschärft. Ähnlich wie in den USA seien in Europa nationalistische Strömungen stärker geworden, sagt US-Professor Jones. Das habe den Drang zu mehr Abschottung gefördert. „Viele Bürger befürchten, dass Zuwanderer unerwünschte kulturelle Änderungen bringen könnten“, erklärt der Geografie-Experte. Hinzu kämen wirtschaftliche Abstiegsängste.

    Mögliche Einwanderer abschrecken könnten gut bewachte Grenzanlagen auf kurze Sicht schon, sagen beide Experten. Langfristig würden sich viele Flüchtlinge aber andere, gefährlichere Wege suchen, um in ihr Wunschland zu gelangen. Jones mahnt deshalb: „Mehr Mauern führen oft zu mehr Toten.“ 2016 gab es nach Angaben des US-Professors sogar so viele Grenztote wie noch nie, nämlich mehr als 7200.

    Das scheint Litauen wenig zu beeindrucken. Das Land will dieses Jahr einen Wall zur russischen Exklave Kaliningrad errichten. Russland hat daraufhin sarkastisch angekündigt, Ziegelsteine zu liefern.

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