Mächtig geknirscht hat es bei den Beratungen zwischen Bund und Ländern über den weiteren Kurs im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Mit ihrem Wunsch nach einer weiteren Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen konnte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Ende nicht durchsetzen. So blieb es beim dringenden Appell an die Bürger, ihre Kontakte zu reduzieren. "Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut für die Bekämpfung der Pandemie", so Merkel nach dem Treffen. Ein Beschluss wurde bei der Videokonferenz Merkels mit den 16 Länderchefs nicht gefasst. Kommende Woche, am Mittwoch, 25. November, will die Runde erneut beraten und dann konkrete Maßnahmen verabschieden. Bayerns Ministerpräsident kündigte an, dass den Mahnungen Entscheidungen folgen würden. "Ich habe wenig Hoffnung, dass Ende November alles wieder gut ist", sagte er. Es gehe darum, die Maßnahmen "lieber zu verlängern statt vorzeitig abzubrechen."
Wer über 65 Jahre alt ist, soll günstige FFP2-Masken erhalten
Beschlossen haben Bund und Länder lediglich, dass besonders gefährdete Menschen mit günstigen FFP2-Masken vor einer Ansteckung mit dem Corona- Virus bewahrt werden sollen. Über 65-Jährige und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen sollen demnach insgesamt 15 dieser Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung erhalten können.
Die Videokonferenz stand von Anfang an unter keinem guten Stern und fand zeitweise in gereiztem Ton statt. Zentraler Streitpunkt war zunächst eine mögliche Verschärfung der Infektionsschutzmaßnahmen an den Schulen. In einer ersten Beschlussvorlage hatte die Bundesregierung etwa eine weitere Ausdehnung der Maskenpflicht für Schüler vorgesehen. So sollten alle Schüler und Lehrer im Unterricht und auf dem Schulgelände einen Mund-Nasen-Schutz tragen, um das Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus weiter zu senken. Doch dagegen liefen mehrere Ministerpräsidenten Sturm.
Das Beschlusspapier des Kanzleramts wurde daraufhin entschärft. Demnach sollten die Länder nur noch bis kommende Woche ein Konzept vorlegen, wie die Ansteckungsgefahr im laufenden Schulbetrieb gesenkt werden kann.
Manuela Schwesig: Corona-Pläne des Bundes sind "unverhältnismäßig"
Mecklenburgs Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte die Pläne der Bundesregierung für den Schulbereich zuvor als "unverhältnismäßig" kritisiert. Der Vorschlag sei mit den Ländern nicht abgesprochen gewesen. Auch einige CDU-Landeschefs wandten sich gegen die Pläne der Kanzlerin. Dagegen hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisiert, dass an deutschen Schulen nicht genug gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie getan werde. "Das Problem in den Schulen ist in Deutschland immer unterschätzt worden", sagte er.
Heftig umstritten war beim Ländergipfel auch die Frage, ob die seit zwei Wochen geltenden Auflagen zur Eindämmung der Pandemie bereits jetzt verschärft werden sollen. Dies schlug die Bundesregierung vor. Doch mehrere Landeschefs plädierten dafür, es zunächst bei Appellen zu belassen, und setzen sich damit durch.
Appell: Nur Kontakt zu einem weiteren festen Hausstand
So rufen Bund und Länder die Bürger nicht nur dazu auf, ihre privaten Kontakte noch einmal deutlich zu reduzieren. Sie sollen zudem vorerst völlig auf private Feiern verzichten und private Zusammenkünfte auf Angehörige eines festen weiteren Hausstandes beschränken. Das schließe auch Kinder und Jugendliche in den Familien ein. Auch nicht notwendige private Reisen und touristische Tagestouren sollen die Bürger unterlassen, außerdem Besuche in Bereichen mit Publikumsverkehr.
Personen mit Atemwegserkrankungen rufen Bund und Länder dazu auf, zu Hause zu bleiben, bis die Symptome abgeklungen sind. Besuche bei älteren und besonders gefährdeten Personen sollen nur unternommen werden, wenn alle Familienmitglieder völlig symptomfrei sind.
Corona-Gipfel: Über diese neuen Corona-Maßnahmen haben Bund und Länder gestritten
- Kontaktbeschränkungen: Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nach dem Willen des Bundes nur mit den Angehörigen des eigenen und maximal zwei Personen eines weiteren Hausstandes gestattet sein. Während der Bund Verstöße gegen diese Regel sanktionieren wollte, wird im Länder-Papier nur noch an die Bürger appelliert, sich so zu verhalten.
- Private Treffen: Trotz der bereits geltenden Bestimmungen zum Infektionsschutz würden die Ansteckungen weiterhin "im privaten Umfeld und außerhalb des öffentlichen Raumes stattfinden", heißt es im Papier des Bundes. Der Gedanke, Kinder und Jugendliche dazu anzuhalten, sich nur noch mit einem festen Freund in der Freizeit zu treffen, fehlt jedoch neuen Beschlussvorlage der Länder. Private Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten sollten sich nur noch auf einen festen weiteren Hausstand beschränken - dies ist nach Intervention der Länder allerdings keine Vorschrift, sondern nur ein Appell. Das gilt auch für den Verzicht auf private Feiern. Seit dem 2. November gilt, dass sich nur Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstands in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen, maximal jedoch 10 Personen.
- Quarantäne: Der Bund empfiehlt allen Menschen mit Erkältungssymptomen und insbesondere bei Husten und Schnupfen, sich unmittelbar nach Hause in Quarantäne zu begeben. "Dort sollen sie fünf bis sieben Tage bis zum Abklingen der Symptome verbleiben", heißt es. Dort sei darauf zu achten, die Distanz auch zu anderen Mitgliedern des Hausstandes und insbesondere zu Risikogruppen im Haushalt zu wahren. "Die Krankschreibung soll telefonisch durch den Hausarzt erfolgen zunächst ohne Präsenzbesuch in der Praxis." In Absprache mit dem Arzt werde auch geklärt, ob ein Corona-Test erforderlich sei.
Impfzentren: Die Länder sind gehalten, ihre Impfzentren und -strukturen ab dem 15. Dezember so vorzuhalten, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist. Bis Ende November sollen die Länder dem Bund mitteilen, wie viel Impfungen sie am Tag planen.
- Schulen: Im ursprünglichen Papier für die Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten war vorgesehen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes für Schüler aller Jahrgänge und für Lehrer auf dem Schulgelände und während des Unterrichts vorzuschreiben. Ausnahmslos sollten feste Gruppen von Schülern gebildet werden, wobei die Gruppengrößen gemessen am Regelbetrieb halbiert werden sollten. Anders als in der Ursprungsfassung des Bundes verschwand bei den Ländern auch der Punkt Schulen praktisch vollends aus dem Entwurf. Es heißt nur noch, dass die Offenhaltung von Schulen und Betreuungseinrichtungen im Präsenzunterricht "eine hohe politische Priorität" habe. Zuvor hatte der Bund sein Papier schon entschärft. Danach sollten die Länder nur noch bis zur kommenden Woche einen Vorschlag vorlegen, wie Ansteckungsrisiken im Schulbereich weiter reduziert werden können. Auch dazu steht im Länderpapier nichts.
- Schutz der Risikogruppen: Besonders gefährdete Menschen wie Alte, Kranke oder Personen mit Vorerkrankungen sollen von Dezember an vergünstigte FFP2-Masken erhalten. Um das Risiko einer Infektion zu reduzieren, werde der Bund auf seine Kosten für diese Bevölkerungsgruppe die Abgabe von je 15 dieser Masken gegen eine geringe Eigenbeteiligung ermöglichen. Das ergebe rechnerisch eine Maske pro Winterwoche. Zudem wird geraten, Besuche bei besonders gefährdeten Menschen nur dann zu unternehmen, wenn alle Familienmitglieder frei von Symptomen seien und sich seit einer Woche in keine Risikosituationen begeben hätten.
- Impfzentren: Die Länder sind gehalten, ihre Impfzentren und -strukturen ab dem 15. Dezember so vorzuhalten, dass eine kurzfristige Inbetriebnahme möglich ist. Bis Ende November sollen die Länder dem Bund mitteilen, wie viel Impfungen sie am Tag planen.
- Nachverfolgung von Infektionen: Da eine vollständige Nachverfolgung von Kontakten oft nicht möglich ist, sollen bei Ausbruchsgeschehen in einem bestimmten Cluster wie einer Schule oder einem Unternehmen die Maßnahmen wie eine Quarantäne auch ohne positives Testergebnis angewendet werden. "Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit ist die Isolierung von Kontakt- bzw. Ausbruchsclustern im Vergleich zu Beschränkungsmaßnahmen ein milderes Mittel", heißt es.
- Gesundheitsämter: Bis Ende des Jahres sollen die neuen digitalen Werkzeuge zur Erfassung der Infektionen in den Behörden deutlich stärker genutzt werden. Zudem soll die Corona-Warn-App fortwährend verbessert und mit neuen Funktionen angeboten werden.
- Maßnahmen-Evaluation: Das Treffen am Montag - zwei Wochen nach Inkrafttreten der November-Kontaktbeschränkungen - war zunächst nur für eine Zwischenbilanz gedacht. Wie es ab Dezember bis Weihnachten weitergeht, soll dann in der kommenden Woche beraten werden.
- Die Opposition: Der Opposition im Bundestag gehen bereits die bisherigen Maßnahmen zu weit. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte der Welt: "Es ist klar, dass Kontaktbeschränkungen und Hygieneregeln weiterhin gelten müssen. Pauschale Schließungen beispielsweise für Hotels, Gastronomie oder Kulturveranstaltungen, die Hygienekonzepte haben, sind jedoch unverhältnismäßig und stoßen auch bei den Bürgern auf Unverständnis."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel kritisierte ebenfalls in derWelt: "Die Art und Weise, in der hier Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, untergräbt den demokratischen Rechtsstaat." Dagegen forderte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche in der Zeitung einen "interdisziplinären Pandemie-Rat". Darin dürften sich "nicht nur Epidemiologen und Ärzte wiederfinden, sondern auch weitere Experten wie etwa Sozialwissenschaftler, Experten für Digitalisierung, Schulen und Kommunikation."
Das Corona-Update vom 15. November
Merkel hatte die Bürgerinnen und Bürger schon am Samstag erneut auf schwierige Monate eingestimmt. "Der vor uns liegende Winter wird uns allen noch viel abverlangen", sagte die Kanzlerin in ihrem Video-Podcast. Innerhalb eines Tages hatten die Gesundheitsämter nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Sonntag in Deutschland 16.947 neue Corona-Infektionen gemeldet. Die 7-Tage-Inzidenz lag demnach am Freitag bei 140,4 Fällen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner. Ziel der Bundesregierung ist es, an eine Inzidenz von 50 heranzukommen. Erst dann sei es wieder möglich, dass einzelne Kontakte von Infizierten nachvollzogen werden könnten. (mit dpa)
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