Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Ex-Wirtschaftsminister: Ungeliebter Sozialdemokrat und Agenda 2010-Vollstrecker: Wolfgang Clement

Ex-Wirtschaftsminister

Ungeliebter Sozialdemokrat und Agenda 2010-Vollstrecker: Wolfgang Clement

    • |
    Der frühere Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist im Alter von 80 Jahren gestorben.
    Der frühere Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Foto: Marcel Kusch, dpa

    Leicht hatte es die SPD nie mit ihm – und er nicht mit ihr. Den Linken in der Partei war seine Politik zu unternehmerfreundlich, den Harmoniebedürftigen sein Auftreten zu ruppig und den Zauderern sein Tempo zu hoch. Wolfgang Clement aber, unter Gerhard Schröder drei Jahre Superminister für Wirtschaft und Arbeit, hat sich weder von den Breitseiten des Boulevards beeindrucken lassen noch von den Ordnungsverfahren, die zornige Genossen gegen ihn eingeleitet hatten. 2008 verließ er die SPD von sich aus – mit der lakonischen Bemerkung, nun sei er eben ein Sozialdemokrat ohne Parteibuch.

    Wolfgang Clement starb im Alter von 80 Jahren: "Viel Glück gehabt im Leben"

    Am Sonntag ist der Mann, der Schröders umstrittene Hartz-Reformen politisch zu vollstrecken hatte, gestorben – zu Hause, in seinem Bungalow in Bonn, nur wenige Wochen nach seinem 80. Geburtstag. Eigentlich hatte Clement den mit seiner Frau und den fünf Töchtern, die er gerne seine „Clementinen“ nannte, noch groß in der Toskana feiern wollen. Die Corona-Einschränkungen und seine schon schwer angeschlagene Gesundheit aber machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Ahnend, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleiben würde, hatte er in einem Interview zuvor noch gesagt: „Ich habe einfach viel Glück gehabt im Leben.“

    Wie wenige Parteifreunde sonst stand Clement für das sozialdemokratische Versprechen vom Aufstieg durch Leistung – unabhängig von Herkunft und Geldbeutel. Er selbst, als Sohn eines Baumeisters in Bochum geboren, hatte bereits eine Ausbildung zum Journalisten abgeschlossen, ehe er noch Jura studierte und zwischen den Welten der Politik und der Medien zu pendeln begann. Er war Redakteur bei einer Zeitung in Dortmund und Sprecher des SPD-Vorstands in Bonn, kehrte dann als Chefredakteur der Hamburger Morgenpost in den Journalismus zurück, um drei Jahre später plötzlich Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei zu werden. Das Lebensmotto seines Förderers Johannes Rau aber wurde nicht zu seinem: Versöhnen statt Spalten.

    Schroff wie herzlich: Warum es die SPD mit Wolfgang Clement nicht leicht hatte

    Clement, der im Umgang ebenso schroff wie herzlich sein konnte, legte sich im Streit um das Dosenpfand oder die Laufzeit von Kraftwerken ähnlich temperamentvoll mit den Grünen an, wie er der SPD Lockerungen beim Kündigungsschutz oder strengere Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose verpassen wollte – ein Sozialliberaler im besten Sinne, der über dem Verteilen das Erwirtschaften nie vergaß. Als er im Januar 2008 jedoch schlagzeilenträchtig davon abriet, in Hessen die Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu wählen, eine Wortführerin des linken SPD-Flügels, strengten mehrere Ortsvereine ein Ordnungsverfahren gegen ihn an. Es endete mit einer Rüge für Clement – und dessen Austritt nach 38 Jahren Mitgliedschaft. Wenig später versprach er dem damaligen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle seine Stimme bei der nächsten Wahl, lehnte das Angebot, zu den Liberalen zu wechseln, aber ab.

    Mit seiner entschlossenen Art galt Clement, der vor seinem Wechsel nach Berlin erst Wirtschaftsminister und dann Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war, zeitweise sogar als Ersatzkanzler, zumal er erkennbar neuen Schwung in Schröders Kabinett gebracht hatte. Er glaubte noch an die Gestaltungskraft der Politik, machte sich in Arbeitsagenturen und Unternehmen in den entlegensten Winkeln des Landes selbst ein Bild von der Lage und pflegte seine Kontakte in die Chefetagen der deutschen Wirtschaft.

    Vor allem deshalb ertrug ihn die SPD ihn mehr, als dass sie ihn schätzte. Bei der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden 2003 etwa erhielt Clement in seiner Geburtsstadt ohne Gegenkandidaten nur 56,7 Prozent der Stimmen. Schlechter als er schnitt nur einer ab – der damalige Generalsekretär Olaf Scholz.

    Lesen Sie auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden