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Europäische Union: Juncker: Ein Mann kämpft für die Flüchtlings-Quote

Europäische Union

Juncker: Ein Mann kämpft für die Flüchtlings-Quote

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    Dich überzeuge ich auch noch: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker (rechts) mit dem ungarischen Regierungschef und Quoten-Gegner Viktor Orbán.
    Dich überzeuge ich auch noch: EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker (rechts) mit dem ungarischen Regierungschef und Quoten-Gegner Viktor Orbán. Foto: Charlier, afp

    Jean-Claude Juncker plant eine Lehrstunde in Sachen Solidarität. Wenn der EU-Kommissionspräsident am heutigen Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg seine Rede „Zur Lage der EU“ hält, dann geht es um nichts weniger als den zentralen Grundwert dieser Union: Solidarität. Und um die Zukunft von weit mehr als hunderttausend Flüchtlingen. Denn Juncker wird den Mitgliedstaaten eine strikte Quote zur Verteilung der Asylbewerber verordnen, die diese gleich zweimal in den vergangenen Monaten abgelehnt haben.

    Als Verpflichtung wollten die Staats- und Regierungschefs sie nicht, als freiwillige Vereinbarung schoben sie sie auf die lange Bank. Doch nun sollen offenbar insgesamt 120000 Flüchtlinge aus Ungarn (54000), Italien (15600) und Griechenland (50400) nach einem festgelegten Schlüssel verteilt werden – nicht nur einmal. Denn der Solidaritätsmechanismus ist als permanente Einrichtung geplant: Deutschland müsste demnach künftig 26,2 Prozent aller Zuwanderer aufnehmen. Das wären derzeit 31000 Männer, Frauen und Kinder, die sich bereits auf europäischem Boden befinden. Frankreich (20 Prozent = 24000 Asylbewerber), Spanien (12,4 = 15000), Polen (7,7) und die Niederlande folgen (6,0) – selbst das kleine Malta wäre noch mit 0,1 Prozent der Einwanderer beteiligt. Um die entstehenden Kosten zu lindern, zahlt Brüssel 6000 Euro pro Person sowie noch einmal 500 Euro für den Transport – vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten stimmen zu. Schon am Montag kommen die Innenminister zusammen. Ob schon da eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren) zustande kommt, erscheint fraglich.

    Die Widerstände gegen die Aufnahmequote für Flüchtlinge sind gewaltig

    Mitte Oktober könnten die Staats- und Regierungschefs beim turnusmäßigen EU-Gipfel grünes Licht geben – oder auch nicht. Die Chancen dürften dieses Mal besser stehen, denn die Zahlen scheinen durchaus geeignet, den Widerstand hartnäckiger Quoten-Gegner wie des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu brechen. Die Kommission rechnet damit, dass vor allem zwei Instrumente diese Regierungen überzeugen. Zum einen soll sich ein Land für höchstens zwölf Monate von der Zuweisung der Asylbewerber befreien können, indem es einen Obolus in einen Fonds zu leisten hat.

    Dies wird allerdings nicht als Strafe verstanden, sondern als Rücksichtnahme auf innenpolitische Gegebenheiten. So könnte – das gilt als zweites Zugeständnis – eine Naturkatastrophe als Entschuldigung gelten. Aber auch eine Flüchtlingswelle, die das Land aus einer anderen Richtung überrollt. Damit geht die Kommission vor allem auf Polen und weitere Ost-Mitglieder zu, die einen Ansturm von Menschen aus der Ukraine befürchten. Nicht akzeptieren will man in Brüssel, wenn ein Mitgliedstaat Asylbewerber aus religiösen Gründen zurückweist, wie die Slowakei dies mit Muslimen getan hatte.

    Gleichzeitig wird Juncker den 25 Mitgliedstaaten, die – im Unterschied zu Großbritannien, Irland und Dänemark – am europäischen Asylsystem teilnehmen, eine neue Liste sicherer Drittstaaten vorschlagen, um den Flüchtlingsstrom von dort eindämmen zu können. Am Dienstag zeichnete sich ab, dass nicht nur die Länder des westlichen Balkans, sondern auch die Türkei als sicheres Herkunftsland gelten sollen. Unklar war bis zuletzt, ob auch Bangladesch, Pakistan und der Senegal dazu gezählt werden.

    Juncker drängt auf rasches Handeln

    Juncker treibt die EU zur Eile. Die gegenwärtige Situation sieht der Kommissionspräsident als große Herausforderung, aber wohl auch als Testfall für die Union an. Intern heißt es, das Beispiel Deutschlands zeige nicht nur, wie man Solidarität nicht nur lebe, sondern daraus auch eine Chance mache, gut ausgebildete Menschen ins eigene Land zu holen. Allerdings müssen die EU-Experten noch ein praktisches Problem lösen: Denn künftig soll nicht mehr nach dem Zufallsprinzip entschieden werden, wer wohin kommt. Eine Kontaktgruppe der Mitgliedstaaten müsste prüfen, ob ein Flüchtling vielleicht bereits Familienangehörige oder Verwandte in einem Mitgliedstaat hat oder die Landessprache spricht. Das, so sagen EU-Diplomaten, könnte – rein statistisch – dazu führen, dass wieder der Großteil der Zuwanderer in der Bundesrepublik landet.

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