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Euro-Krise: Baroin: Schutzschirm funktioniert wie Atombombe

Euro-Krise

Baroin: Schutzschirm funktioniert wie Atombombe

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    Frankreichs Finanzminister vergleicht der Euro-Rettungsschirm mit einer Atombombe: «Er wurde geschaffen, um nie eingesetzt zu werden - das nennt man Abschreckung.»
    Frankreichs Finanzminister vergleicht der Euro-Rettungsschirm mit einer Atombombe: «Er wurde geschaffen, um nie eingesetzt zu werden - das nennt man Abschreckung.» Foto: dpa

    Der neue Euro-Rettungsschirm soll ausgeweitet werden - dazu hat sich sogar die Bundesregierung breitschlagen lassen. Doch über die Höhe dürfte noch gestritten werden. Frankreichs Finanzminister Baroin vergleicht den Zweck des Schutzschirms mit dem einer Atombombe.

    Frankreichs Finanzminister will massive Krediterhöhung

    Unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung der Euro-Finanzminister über den künftigen Rettungsschirm hat Frankreich die Bundesregierung mit einer Eine-Billion-Euro-Forderung verärgert. Der französische Finanzminister François Baroin sprach sich am Donnerstag für eine massive Erhöhung der Kredithilfen auf die Summe von einer Billion Euro aus, wie das zuvor auch die OECD getan hatte. "Das ist die Position, die ich im Namen Frankreichs verteidige", sagte Baroin am Donnerstag im TV-Sender BFM Business.

    Die Bundesregierung will höchstens eine zeitweise Ausweitung von den ursprünglich geplanten 500 Milliarden auf 700 Milliarden Euro mittragen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der "Bild"-Zeitung (Freitag) als Reaktion auf Baroin: "Ich halte gar nichts davon, die Märkte mit immer neuen Beträgen zu verunsichern." Mit Spekulationen über eine weitere Ausweitung der Rettungsschirme würden "die Menschen verunsichert". Da mache er nicht mit.

    Baroin vergleicht Schutzschirm mit Atombombe

    Die Euro-Finanzminister kommen an diesem Freitag in Kopenhagen zusammen, um die Rettungsschirme für finanzschwache Mitgliedstaaten zu vergrößern. Sie wollen damit Forderungen internationaler Partner wie der USA entsprechen, die höhere Schutzwälle gegen die Schuldenkrise fordern. Die genaue Höhe ist jedoch Interpretationssache - je nach dem, was dazugezählt wird. Zu den ohnehin schwierigen Abstimmungsprozessen kommt noch hinzu, dass Frankreich derzeit mitten im Wahlkampf steckt.

    Baroin meinte, der Zweck des Schutzschirms sei vergleichbar mit dem der Atombombe: "Er wurde geschaffen, um nie eingesetzt zu werden - das nennt man Abschreckung." Je höher der Schutzschirm sei, umso geringer das Risiko einer Spekulanten-Attacke auf schwache Länder. Auch die von Industrieländern getragene Wirtschaftsorganisation OECD hatte eine Ausweitung des Rettungsschirms auf mindestens eine Billion Euro gefordert.

    Rettungsschirm: Kreditvolumen steigt auf 700 Millionen Euro

    Bisher zeichnet sich ab, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM und die verplanten Nothilfen des vorläufigen Krisenfonds EFSF an Irland, Portugal und Griechenland eine Zeit lang parallel laufen. Dies bedeutet, dass das Kreditvolumen in einer Übergangszeit auf 700 Milliarden Euro steigt. Hinzu kämen laut Bundesfinanzministerium noch 49 Milliarden Euro aus dem EU-Krisenfonds EFSM. Unterm Strich stehen damit bis zu 750 Milliarden Euro zur Verfügung. Die deutsche Haftung könnte bis zum Sommer 2013 auf 280 Milliarden Euro klettern.

    Ungenutzte EFSF-Gelder von 240 Milliarden Euro sollen zudem eine Art Notfallreserve bilden, solange der ESM nicht voll mit Kapital ausgestattet ist. Zusammengerechnet wären dies dann fast eine Billion Euro. Der ESM startet im Juli und wird schrittweise bis 2015 gefüllt. Er verfügt daher nicht sofort über das volle Kreditvolumen.

    Bundestag diskutiert über Fiskalpakt

    Im Bundestag debattierten die Parteien am Donnerstag über den ebenfalls zur Stabilisierung der Eurozone geplanten Fiskalpakt sowie eine mögliche Finanztransaktionssteuer. SPD und Grüne pochen für ihre Zustimmung zu härteren Defizitregeln weiter auf eine Besteuerung der Finanzmärkte. "Wir werden uns (...) nicht noch einmal abspeisen lassen", sagte

    Euro-Krise: Diese Finanzbegriffe sollten Sie kennen

    Staatsanleihen: Sie sind für Staaten die wichtigsten Instrumente, um ihre Finanzierung langfristig sicherzustellen. Der ausgebende Staat sichert in der Regel die Rückzahlung der Summe plus einen festen Zinssatz zu einem festgelegten Zeitpunkt zu. Die Laufzeiten liegen bei bis zu 30 Jahren.

    Auktion: Dies ist der bevorzugte Weg für Staaten, um ihre Schuldpapiere zu verkaufen. Einige Tage vor dem Verkauf werden Summe und Laufzeiten der Anleihen bekannt gemacht. An einem festgelegten Tag können dazu berechtigte Investoren ihre Gebote abgeben. Die Bieter mit den günstigsten Geboten erhalten den Zuschlag. In der Euro-Krise haben einige Staaten, darunter auch Deutschland, bei Auktionen auch schon nicht genug Käufer gefunden. Andere Staaten mussten höhere Zinsen als geplant bieten, um ihre Papiere loszuwerden.

    Primär- und Sekundärmarkt: Die Neuausgabe von Staatsanleihen wird als Primärmarkt bezeichnet. Danach werden sie wie gewöhnliche Wertpapiere weitergehandelt, am sogenannten Sekundärmarkt. Er funktioniert wie ein Gebrauchtwarenmarkt - bereits ausgegebene Staatsanleihen werden während ihrer Laufzeit weiterverkauft. Dabei können sie im Laufe der Zeit an Wert zunehmen oder verlieren. Ein Verkauf vor Ablauf der Laufzeit kann also Gewinn bringen - oder Verlust.

    Zins: Dies ist die Summe, die ein Schuldner - bei Staatsanleihen also der Staat - pro Jahr zusätzlich zahlen muss, damit er für eine bestimmte Zeit Geld geliehen bekommt. Bei den Staatspapieren haben die Zinsen für kriselnde Länder wie Italien in den vergangenen Wochen ständig neue Höchstwerte erreicht. Bei einer Neuausgabe zehnjähriger Staatsanleihen musste das Land zuletzt mehr als sieben Prozent Zinsen bieten - schon sechs Prozent Zinsen gelten als kritischer Wert, ab dem Länder wie Irland oder Griechenland um internationale Hilfe bitten mussten.

    Rating: Rating ist das englische Wort für Bewertung. Es wird für die Noten benutzt, die Prüfunternehmen - die Ratingagenturen - vergeben, um die Kreditwürdigkeit von Staaten zu beurteilen. Verschlechtern diese Unternehmen etwa wegen hoher Schulden die Note eines Landes, ist von einer Herabstufung die Rede. Das betroffene Land muss dann höhere Zinsen zahlen, um sich Geld zu leihen.

    Rendite: Damit wird im Prinzip der tatsächliche Gewinn bezeichnet, den ein Käufer von Schuldpapieren am Ende eines Jahres macht. Depotgebühren werden dabei eingerechnet genauso wie Kursgewinne oder -verluste. Die Rendite liegt derzeit in der Regel höher als der Zinssatz, der bei der Erstausgabe für die Staatsanleihen festgelegt wurde. Denn aufgrund der krisenhaften Entwicklung verlangen die Investoren am Sekundärmarkt Risikoaufschläge, wenn sie Staatspapiere kaufen. Unterm Strich zahlen sie damit für eine Anleihe also einfach weniger - und machen am Ende einen größeren Gewinn. An der aktuellen Rendite orientiert sich der künftige Zinssatz, der für neue Staatsschuldtitel bezahlt werden muss.

    Spread: Damit wird der Unterschied am Markt bei der Rendite von zwei Staatsanleihen angegeben. Dieser Wert, der in Basispunkten oder Prozentpunkten angegeben wird, ist umso höher, je größer das Risiko eines Zahlungsausfalls eines Landes ist. In der Euro-Krise sind die zehnjährigen Staatsanleihen Deutschlands ein Referenzwert, weil diese als besonders sicher gelten: Wenn also der «Spread» für Frankreich auf zwei Prozentpunkte steigt, dann bedeutet dies, dass das Land einen um diesen Wert höheren Zinssatz als Deutschland bei einer Neuausgabe von Schuldpapieren zahlen muss.

    Nach dem Willen von Union und FDP sollen die Gesetzentwürfe zum Fiskalpakt und ESM zusammen vor der Sommerpause verabschiedet werden. SPD und Grüne dringen beim Fiskalpakt auf eine spätere gesonderte Abstimmung. Schwarz-Gelb ist auf Stimmen der Opposition angewiesen, da in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.

    Schäuble verteidigte eine zeitweise Ausweitung des Rettungsschirms als überzeugende Lösung. Mit Fiskalpakt und ESM werde ein "weiterer wichtiger Baustein zur Überwindung der Vertrauenskrise" und einen stabilen Euro geschaffen.

    Italien: Durchwachsene Versteigerug von Staatsanleihen

    Italien überraschte am Donnerstag mit einer durchwachsenen Versteigerung von Staatsanleihen die Finanzmärkte. Das Maximalziel von 8,25 Milliarden Euro Einnahmen wurde verfehlt, im richtungsweisenden zehnjährigen Laufzeitbereich bleiben die Zinsen, die das Land Investoren bieten muss, hoch. Die Märkte reagierten mit Enttäuschung. Der Euro fiel auf ein Tagestief, und die Risikoaufschläge für italienische Papiere am Sekundärmarkt zogen deutlich an. dpa/AZ

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