Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel erwartet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Laufe der Legislaturperiode ihr Regierungsamt an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer abgeben wird. „Ich persönlich glaube nicht, dass Angela Merkel so dumm ist, Annegret Kramp-Karrenbauer zweieinhalb Jahre wie so einen Pudel neben sich herlaufen zu lassen“, sagte Gabriel in einem Interview mit unserer Redaktion.
Sigmar Gabriel: Menschen wünschen sich mehr Führung als unter Merkel
„Angela Merkel hat ein paar große Vorzüge: Sie hat viel Humor, sie trägt ihr Amt nicht wie eine Monstranz vor sich her, das hat der Politik gutgetan“, fügte der langjährige SPD-Minister hinzu. „Aber jetzt leben wir in einer Phase, in der sich die Menschen wieder mehr Führung wünschen“, betonte Gabriel. „Sie empfinden es als nicht ausreichend, wenn die ganze Welt kopfsteht und keiner in der Politik mal sagt: Übrigens, wir wollen da lang, um da durchzukommen.“
Der frühere Bundesaußenminister kritisierte insbesondere Merkels Europa-Politik gegenüber Frankreich scharf: „Was immer Emmanuel Macron vorschlägt, Deutschland lässt ihn am ausgestreckten Arm verhungern“, sagte Gabriel. „Ich habe keine Erklärung dafür, wir verpassen eine Riesenchance, vielleicht die letzte, die wir haben“, betonte er. „Unsere Kinder und Enkel werden uns verfluchen, wenn wir dieses Europa nicht zusammenhalten.“
Gabriel sorgt sich um deutsch-amerikanische Beziehungen
Zugleich sorgt sich der ehemalige Außenminister um die deutsch-amerikanischen Beziehungen. „Die Wahrheit ist: Wir können nicht mit Donald Trump, wir können aber auch nicht ohne die USA“, sagte Gabriel. „Europa und die Amerikaner müssen daran arbeiten, dass sie nicht völlig auseinandergetrieben werden“, betonte er. Er warnte die Deutschen, sich dabei nur auf Trump zu fokussieren. „Laut einer aktuellen Umfrage ist das Ansehen der USA in Deutschland massiv gesunken – in den USA ist das Ansehen Deutschlands aber weiter gestiegen“, betonte Gabriel.
„Trump hat in vielen Punkten Recht. Unser Problem mit ihm ist, dass er gelegentlich die richtigen Fragen stellt, das allerdings in einer Weise macht, bei der er keine Partner mehr kennt“, fügte Gabriel hinzu. „Nicht die Analyse ist immer falsch, aber was er hinterher macht, ist einfach lebensgefährlich“, kritisierte der Ex-Parteichef. „Aus seiner Sicht gibt es ja keine internationale Staatengemeinschaft. Er glaubt, die Welt ist eine Arena und nur der Stärkere setzt sich durch.“
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