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EU-Kommission: Ursula von der Leyen muss für ihr Team etwas fast Unmögliches schaffen

EU-Kommission

Ursula von der Leyen muss für ihr Team etwas fast Unmögliches schaffen

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    Die künftige Chefin: Ursula von der Leyen baut gerade eine neue EU-Kommission zusammen.
    Die künftige Chefin: Ursula von der Leyen baut gerade eine neue EU-Kommission zusammen. Foto: Roberto Monaldo, dpa

    Ab Dienstag macht Ursula von der Leyen Ernst. Der Reihe nach werden die 26 Kandidaten, die die Mitgliedstaaten in den vergangenen Wochen für ihre neue Führungsmannschaft vorgeschlagen haben, im Büro der künftigen Kommissionspräsidentin vorstellig. Großbritannien verzichtete angesichts des Brexits. Es geht um Zuständigkeiten, Ressorts und inhaltliche Schwerpunkte. „Auf dem Tisch liegt nicht weniger als die Zukunft Europas“, sagte ein hochrangiger EU-Diplomat, der dieses Kandidatenkarussell kennt.

    In den vergangenen Wochen hatte die designierte Präsidentin der wichtigsten EU-Behörde bereits mit ihren potenziellen Teammitgliedern gesprochen – aber nur kurz. 15- bis 20-minütige Treffen wurden abgespult – im Brüsseler Jargon „Speed-Dating“ genannt. Dabei ist es an der 60-jährigen CDU-Politikerin, ein nahezu unmögliches Kunststück zu vollbringen: Die Regierungen der Mitgliedstaaten melden häufig nicht nur Bewerber, sondern auch Ressortwünsche nach Brüssel.

    Frankreich, das bis Montagabend noch niemanden nominiert hatte, signalisierte offenbar Interesse an den Themen Klimaschutz, Handel und Industrie. Polen wünscht sich das Agrarressort. Tschechien möchte gerne den nächsten Handelskommissar stellen. Ungarn und Slowenien bewerben sich um die Erweiterungspolitik.

    Ursula von der Leyen muss viele Wünsche berücksichtigen

    Von der Leyen muss Sachfragen, regionale Ausgewogenheit und persönliche Ambitionen unter einen Hut bringen. Gesetzt sind bisher nur wenige: Dass der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans und die liberale Dänin Margrethe Vestager (beide standen bei der Europawahl in führender Rolle an der Spitze ihrer Parteienfamilien) Vizepräsidenten werden, ist sicher. Das Gleiche gilt wohl auch für den Slowaken Maros Sefcovic, womit die EU-kritischen vier Visegrád-Staaten zumindest eine der herausragenden Positionen besetzen würden.

    Doch von der Leyen braucht Frauen. Noch vor der Entsendung der Kandidaten aus Paris und Rom deutete sich ein mögliches Verhältnis von elf Frauen zu 15 Männern an. Die designierte Präsidentin sei damit „noch nicht zufrieden“, hieß es. Schließlich hatte sie sich bei ihrer Bewerbungsrede vor dem EU-Parlament Ende Juli weit vorgewagt und einen Frauenanteil von 50 Prozent versprochen. Dass es unter den bisher 183 EU-Kommissaren nur 35 weibliche EU-Spitzenpolitiker gab, ärgert sie. Doch nur zwei Regierungen (Rumänien und Portugal) kamen ihrer Bitte nach, jeweils einen Mann und eine Frau vorzuschlagen.

    Gesetzt: Margrethe Vestager aus Dänemark.
    Gesetzt: Margrethe Vestager aus Dänemark. Foto: Roberto Monaldo, dpa

    Von der Leyens Spielraum ist beschränkt: Sie kann zwar nach den nun folgenden Gesprächen einem Mitgliedsland diplomatisch verpackt signalisieren, dass ein anderer Personalvorschlag willkommen wäre. Ob dieses Zeichen aber verstanden wird, liegt nicht in ihrer Hand. Zumal dann auch noch die Hürden jener Anhörungen und Abstimmungen im Europäischen Parlament vor ihrem Team liegen: Vier Stunden wird jeder Kandidat „gegrillt“. Dass alle auf Anhieb akzeptiert werden, gab es noch nie.

    Aus Litauen kommt wohl der jüngste EU-Kommissar aller Zeiten

    In Brüssel munkelt man, dass einzelne Mitgliedstaaten Bewerber ins Rennen schicken, deren Ablehnung „absehbar“ sei – eine kleine Provokation also. Von der Leyen, so wird berichtet, rede viel und mit vielen. Darunter übrigens auch mit Manfred Weber, dem Chef der christdemokratischen EVP-Mehrheitsfraktion im EU-Parlament – jener Politiker, der sich selbst so viel Hoffnung auf den Job gemacht hat.

    Von der Sommerpause hatte die künftige Kommissionschefin nur wenig. Zwischendurch sei sie mal „einen oder zwei Tage“ daheim bei der Familie in Niedersachsen gewesen. Auch dort habe sie weitergearbeitet, heißt es aus ihrem Umfeld.

    Das Charlemagne, ein gewaltiger Glasbau neben dem eigentlichen Sitz der EU-Kommission, ist seit Ende Juni von der Leyens zweites Zuhause. Sechs Mitarbeiter stehen ihr zur Verfügung. Dazu vier weitere, die sich um Abläufe, Organisation und Reisen kümmern. Interview-Anfragen mit der neuen ersten Frau der EU wurden auf Eis gelegt, weil die Etikette es verbietet, der amtierenden Kommission von Jean-Claude Juncker dazwischenzufunken. Zumal es auch nichts zu sagen gibt, weil derzeit alles „vorläufig“ sei – selbst manche öffentlich gehandelten Namen des künftigen „Teams Ursula“. Eingeweihte wissen: Einige Mitgliedstaaten haben mehr Namen als bekannt gemeldet.

    Auch gesetzt: Frans Timmermans aus den Niederlanden.
    Auch gesetzt: Frans Timmermans aus den Niederlanden. Foto: Roberto Monaldo, dpa

    Dennoch zeichnet sich ab, dass die künftige europäische Führungsmannschaft politisch durchaus bunt zusammengewürfelt wird. Aus Litauen kommt wohl der jüngste EU-Kommissar aller Zeiten: der 28-jährige Grünen-Politiker Virginijus Sinkevicius. Er soll am selben Kommissionstisch wie der 72-jährige spanische Sozialdemokrat Josep Borrell sitzen, der neuer Außenbeauftragter wird. Ob das alles so bleibt, ist ungewiss. Die Juncker-Kommission musste drei Monate länger warten als geplant. Sie konnte ihren Job nicht im November 2014 antreten, sondern erst Anfang Februar 2015.

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