22 junge Männer und Frauen begannen Anfang des Jahres eine zweijährige Ausbildung zu Religionsbeauftragten an der Ditib-Akademie in Köln sowie in Dahlem in der Eifel. Ein Novum, da der Islamverband den Nachwuchs für das theologische Personal in seinen bundesweit 960 Gemeinden bisher in der Türkei schulte. Ist es auch ein Zugeständnis? Der türkisch-islamische Verband hat in den vergangenen Jahren hierzulande viel Vertrauen eingebüßt. Nach dem Putschversuch von Teilen des Militärs in der Türkei 2016 wies die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet Mitarbeiter von Ditib an, in den deutschen Moscheegemeinden zu spitzeln. Sympathisanten von Fethullah Gülen – für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan der Drahtzieher des Putsches – wurden in die Türkei gemeldet.
Die Bundesregierung kritisierte das scharf; der Verfassungsschutz schaltete sich ein. Wie sehr in Ditib-Moscheen Religion und Politik miteinander verquickt werden, zeigte sich zuletzt im Oktober im hessischen Bad Vilbel, wo ein Imam in seinem Freitagsgebet das völkerrechtswidrige Einmarschieren türkischer Truppen in Nordsyrien und den Märtyrertod lobte. Dass 90 Prozent der Religionsbeauftragten in den Ditib-Moscheen kein Deutsch sprechen können, wird dem Verband schon lange vorgehalten.
Für Seyda Can, Leiterin der Ditib-Akademie, hat nun ein neues Kapitel mit der Ausbildung von muslimischen Religionsbeauftragten in Deutschland begonnen. „Eine historische Entwicklung“, sagt sie. Ihre Auszubildenden würden überwiegend in deutscher Sprache unterrichtet. Drei von ihnen hätten zuvor islamische Theologie an deutschen Universitäten studiert, sieben weitere machten derzeit ein Masterstudium an hiesigen Hochschulen. Islamische Fachbegriffe auf Deutsch, Stimmeinsatz, Rhetorik, Seelsorge und das Verfassen von Predigten, das steht laut Akademieleiterin Can in insgesamt 18 Präsenzwochen auf dem Stundenplan.
„Ditib bleibt die Auslandsdependance einer türkischen Behörde“
Wer die Menschen sind, die sich an der Ditib-Akademie ausbilden lassen, und wie diese ihre zukünftige Rolle in den deutschen Moscheen verstehen, das ist bis auf weiteres jedoch nicht zu erfahren. „Das große mediale Interesse zum Start der Ausbildung war für viele von uns irritierend“, erklärt Can. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lehrgangs sollten sich nun auf die Inhalte konzentrieren können. „Transparenz ist gut“, beteuert Can, „aber dafür ist es zu früh.“
Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam zeigt sich überrascht von der plötzlichen Verschlossenheit der Akademie. Die wesentlichen Kritikpunkte an Ditib sieht die Professorin durch die Ausbildung von Religionsbeauftragten auf deutschem Boden nicht ausgeräumt. „Die deutsche Sprache hindert niemanden daran, eine reaktionäre Theologie zu vertreten“, betont Schröter. Der beste Beweis dafür seien die Salafisten, die bei Konvertiten nachweislich beliebt seien, weil sie größtenteils deutsch sprächen. „Ditib bleibt die Auslandsdependance einer türkischen Behörde und ermöglicht Präsident Erdogan, mittels politischer Propaganda in den Moscheen Wahlen zu entscheiden“, sagt Schröter. Solange Ditib-Mitarbeiter als Beamte weiterhin dem türkischen Staat unterstellt und von ihm finanziert würden, bleibe ein entscheidendes Problem bestehen.
Imame made in Germany?
„Es wäre wünschenswert, dass die gläubigen Muslime in Deutschland das theologische Personal in ihren Moscheen selbst bezahlen, wie das in der islamischen Gemeinschaft Ahmadiyya bereits der Fall ist“, sagt Filiz Polat, Ansprechpartnerin für die „Belange des Islam“ der grünen Bundestagsfraktion. Die Imam-Ausbildung solle in freier Trägerschaft stattfinden wie am neu geschaffenen Islam-Kolleg Deutschland in ihrer Heimatstadt Osnabrück. 400.000 Euro Anschubfinanzierung gab es dafür vom Bundesinnenministerium, das den Zentralrat der Muslime in Deutschland für dieses Projekt eingebunden hat. „Ein Meilenstein, wenn man bedenkt, dass Minister Horst Seehofer vor seinem Amtsantritt noch gesagt hat, der Islam gehöre nicht zu Deutschland“, sagt Polat.
Entscheidend wird allerdings sein, ob Imame made in Germany in den von türkischen Organisationen wie Ditib oder Millî Görüs beherrschten Moscheen unterkommen. „Mit finanziellem Druck wird das nicht klappen“, sagt Islamforscherin Schröter. Schon jetzt erhält Ditib, das nach eigenen Angaben die Interessen von rund 800.000 Muslimen in Deutschland vertritt, keine Fördergelder mehr; 2016 waren es noch mehr als drei Millionen Euro. „Der Verband wird erst Zugeständnisse machen, wenn er um seinen Einfluss bangen muss“, glaubt Schröter. „Wie zum Beispiel in Hessen, wo an weiterführenden Schulen eine Zusammenarbeit mit Ditib beim Religionsunterricht bis auf Weiteres ausgesetzt ist.“
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