Die Frage, wer wo sitzt, ist eine heikle. Das fängt schon im Klassenzimmer an und zieht sich durch das ganze Leben. Wer bekommt den Platz neben dem Brautpaar? Wer sitzt an ihrem 90. Geburtstag am Tisch der Erbtante? Und ist es wirklich eine gute Idee, den Kollegen, der zu später Stunde gerne mal schlüpfrige Witze erzählt, auf der Firmenfeier in Hörweite der Chefin zu platzieren? Fettnäpfchen, wohin man schaut.
In der Politik kommen zu persönlichen Eitelkeiten noch Machtspielchen dazu. Ursula von der Leyen wird gerne als mächtigste Frau Europas bezeichnet. Mit Sitzordnungen muss sie sich normalerweise nicht herumschlagen. Doch als sie beim türkischen Präsidenten zu Gast ist, gerät die Deutsche unvermittelt zwischen alle Stühle.
In sozialen Netzwerken löst die irritierende Szene eine Debatte über Macho-Allüren und mangelnden Respekt aus
In seinem prunkvollen Domizil hatte Recep Tayyip Erdogan offenbar nur zwei goldverzierte Sitzgelegenheiten auftreiben können. Auf der einen nimmt der Hausherr selbst Platz, die andere schnappt sich EU-Ratspräsident Charles Michel. Als hätte sie gerade auf dem Kindergeburtstag bei der „Reise nach Jerusalem“ verloren, steht von der Leyen daneben und macht mit einem lauten „Ähm …“ auf ihre missliche Lage aufmerksam.
Notgedrungen lässt sie sich schließlich auf einem Sofa nieder – und wird zur Randfigur. In sozialen Netzwerken löst die irritierende Szene eine Debatte über Macho-Allüren und mangelnden Respekt aus. Von der Leyen selbst lässt lediglich mitteilen, sie habe das etwas gezwungene Beisammensein auch genutzt, um mit Erdogan über die Rechte von Frauen in der Türkei zu sprechen. Diese kleine Retourkutsche dürfte gesessen haben.
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