Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die mit den Ländern vereinbarten Lockerungsmöglichkeiten für den Corona- Lockdown verteidigt und setzt dafür auf Fortschritte bei Impfungen und Tests. Nötig sei nun "Umsicht beim Öffnen hin zu mehr Normalität", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Bundestag. Das Virus habe noch nicht aufgegeben. "Aber alles spricht dafür, dass das das letzte Frühjahr in dieser Pandemie wird." Er betonte, dass Schnelltests verfügbar seien, die ab kommender Woche als kostenloses Angebot für alle Bürger ermöglicht werden sollen. Von der Opposition kam scharfe Kritik.
Spahn verteidigte die Beschlüsse von Bund und Ländern, bei denen um eine schwierige Balance zwischen dem Bedürfnis nach Normalität und der Kontrolle über die Pandemie gerungen worden sei. Niemand wolle Einschränkungen einen Tag länger als nötig. Doch die Pandemie sei "noch nicht am Ende", wie die Infektionszahlen, die Lage auf den Intensivstationen und ein Blick in europäische Nachbarländer zeigten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten hatten am Mittwoch den Lockdown grundsätzlich bis zum 28. März verlängert. Es soll aber je nach Infektionslage viele Öffnungsmöglichkeiten geben.
Corona-Gipfel: Bund übernimmt Kosten für Schnelltests
Spahn sagte, ab Montag übernehme der Bund die Kosten für kostenlose Schnelltests durch geschultes Personal für alle Bürger in Testzentren - eine Woche später als zunächst geplant. Die Länder hätten deutlich gemacht, dass sie das Angebot vor Ort pragmatisch umsetzen wollten. Dafür müsse der Bund auch nicht Tests zentral beschaffen, diese seien schon verfügbar. Bei Impfungen sollten ab April neben den Impfzentren der Länder auch Arztpraxen einbezogen werden. "Wir müssen schneller werden", sagte Spahn. Dies sei die berechtigte Erwartung der Bürger.
Der Bundestag beschloss ein Gesetz der großen Koalition, das unter anderem einen neuen Drei-Monats-Mechanismus dafür festlegt, dass das Parlament im der Corona-Krise eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" feststellt: Entscheidet der Bundestag nicht spätestens drei Monate nach Feststellung einer solchen Lage, dass sie fortbesteht, soll sie automatisch als aufgehoben gelten. Der Bundestag hatte die "epidemische Lage" erstmals am 25. März 2020 festgestellt und dies im November bestätigt. Diese Ausnahmelage gibt dem Bund besondere Befugnisse, direkt und ohne Zustimmung des Bundesrates Verordnungen zu erlassen, etwa zu Tests und Impfungen.
Linke-Fraktionsvize Susanne Ferschl kritisierte die Beschlüsse von Bund und Ländern. Mit Blick auf bislang abweichende Öffnungsschritte in den Ländern und immer neue Inzidenzgrenzwerte sagte sie: "Das ist Willkür und keine Strategie." Die Menschen könnten nach einem Jahr Pandemie erwarten, dass die Regierung "Ordnung in dieses Chaos" bringe. Dazu gehörten ein im Parlament beschlossener Stufenplan sowie eine im Bundestag beschlossene Impf- und Teststrategie.
Bund-Länder-Gipfel: Kritik von der Opposition
Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink sagte, die Regierung habe es verschlafen, in zwölf Monaten Pandemie ein Infektionsschutzgesetz vorzulegen, das nachvollziehbar und rechtssicher sei. Es fehle eine Strategie für Tests, Impfungen und digitale Kontaktnachverfolgung.
Die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus nannte den deutschen Impffortschritt im internationalen Vergleich "eine Schande". Der AfD-Abgeordnete Robby Schlund sagte: "Wir brauchen kein Gesetz für den Fortbestand einer epidemischen Lage." Er warb für ein AfD-Konzept, bei dem Risikogruppen und Erkrankte besonders geschützt werden sollen. Zugleich sollten systemrelevante gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse aufrecht erhalten bleiben.
Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar sagte, der "schmale Grat" zwischen Infektionsschutz und Lockerungen könne nun mit etwas mehr Zuversicht beschritten werden. Ein Schnelltest pro Woche in Schulen und Kitas wie von Bund und Ländern vorgesehen könne aber nur ein Anfang sein. "Die großen Mengen an Impfstoffdosen auf Halde sind für mich vollkommen inakzeptabel." Der CDU-Gesundheitspolitiker Rudolf Henke wies darauf hin, dass die britische Virusvariante allmählich die Oberhand gewinne und auf Intensivstationen 2800 Covid-19-Patienten lägen. "Das entspricht dem Höchststand der ersten Welle im Frühjahr 2020." (dpa)
Lesen Sie dazu auch:
- Corona-Gipfel beschließt Stufen-Öffnungsplan: Das sind die Corona-Regeln im Überblick
- Lockdown, Impfen, Lockerungen: Bund und Länder einigen sich auf Lockerungen
- Öffnungsplan nach Wahltermin: Je näher eine Wahl rückt, desto mehr wird gelockert (Kommentar)
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.