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Corona-Politik: Trotz niedriger Impfquote: Ärzte und Impfkommission zuversichtlich

Corona-Politik

Trotz niedriger Impfquote: Ärzte und Impfkommission zuversichtlich

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    Sie äußerten sich in der Bundespressekonferenz zu möglichen Corona-Maßnahmen für den Winter.
    Sie äußerten sich in der Bundespressekonferenz zu möglichen Corona-Maßnahmen für den Winter. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Die Parole für den kommenden Corona-Winter lautet einerseits: Impfen, impfen und noch mal impfen. Die kalte Jahreszeit ist gleichzeitig aber auch mit einer überraschend optimistischen Botschaft verbunden, denn Ärzte und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Pandemie beherrschbar ist. „Wir haben viele Instrumente in der Hand, dass wir gut und sicher durch den Winter kommen“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, am Dienstag in Berlin.

    Gassen und andere Experten appellierten in diesem Zusammenhang allerdings an die Politik, sie in Ruhe arbeiten zu lassen. Ohne direkt seinen Namen zu nennen, wurde vor allem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scharf kritisiert.

    Gassen erklärte, rund 15 Millionen Menschen sollten bis Dezember aus medizinischer Sicht eine Booster-Impfung bekommen. Machbar wäre das, es wäre aber „sehr hilfreich, wenn es ein geordnetes Einladungsverfahren gäbe“, sagte der Mediziner. Stattdessen herrsche an einigen Stellen Chaos, das aber nicht von den Praxen, sondern von der Politik verantwortet werden müsse. Für ein geordnetes Verfahren wäre es wichtig, „wenn die Regeln nicht alle paar Wochen“ geändert würden, kritisierte er. Gassen plädierte in diesem Zusammenhang für die Beibehaltung der Impfverordnung sowie der Corona-Testverordnung und forderte kurzfristigere Impfstoff-Bestellmöglichkeiten für die Praxen.

    Stiko-Chef Mertens: Impfdurchbrüche in erwartetem Rahmen

    Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, relativierte die Sorgen über die vielen Impfdurchbrüche, also Corona-Erkrankungen trotz Impfung. Die Zahlen entsprächen absolut dem, „was man erwarten konnte“, sagte Mertens. Es sei immer klar gewesen, dass sich eine gewisse Anzahl von Menschen trotz Impfung mit Corona anstecken werde. Wer grundimmunisiert und gesund sei und sich in den mittleren Altersgruppen befinde, könne davon ausgehen, trotzdem einen guten Gesundheitsschutz zu haben.

    Mertens empfahl, unbedingt die Menschen erneut zu impfen, „die eine Schwäche des Immunsystems haben“. Es gebe da ein breites Spektrum von Patienten, deren Impfung aufgefrischt werden müsse. Zweitens sollten sich der Stiko zufolge die Menschen erneut impfen lassen, die bislang nur ein Mal mit dem Präparat von Johnson & Johnson gespritzt wurden. Bei ihnen komme es vermehrt zu Durchbruchinfektionen, mahnte Mertens, der drittens dazu aufforderte, die Über-70-Jährigen zu impfen, weil bei ihnen das Risiko einer schweren Krankheit nach erfolgter Infektion steige. Der Stiko-Chef warb zudem beim medizinischen Personal für die Corona-Impfungen. Es gehe um den Selbstschutz, aber auch darum, das Virus nicht auf andere Personen zu übertragen.

    Ungehalten wurde Mertens angesichts einer Impfquote von rund 70 Prozent. Es mache ja nur bedingt Sinn, über Dritt-Impfungen zu sprechen, wenn sich rund ein Drittel der Menschen in Deutschland noch nicht einmal die erste Spitze abgeholt hätte. Es komme deshalb jetzt auch darauf an, „die zu impfen, die noch gar nicht geimpft sind“. Zu einer Impfpflicht äußerte sich der Wissenschaftler erneut nicht. Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Frage, die von den gewählten Volksvertretern beantwortet werden müsse, bekräftigte Mertens.

    Gesellschaft für Allgemeinmedizin fordert Schutz der Alten- und Pflegeheime

    Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, plädierte eindringlich für den Schutz der Alten- und Pflegeheime. „Das ist aus unserer Sicht absolut prioritär. Das müssen wir dieses Mal besser machen als letztes Jahr“, sagte er. Tests von Bewohnern und Pflegekräften seien ebenso erforderlich wie Einlasskontrollen.

    Wie zuvor Gassen forderte auch Scherer eine ordnende Hand der Politik. „Wir brauchen Ruhe im System“, sagte er. Die Politik sollte „nicht davon ablenken, was wichtig ist“. Das ging wohl auch gegen Spahn, der unter anderem eine Wiedereröffnung genau der Impfzentren gefordert hat, denen er zuvor selbst den Geldhahn abdrehte. „Wenn Politik immer vorprescht“, die Stiko nur das letzte Wort habe und „ein künstlicher Zeitdruck“ erzeugt werde, führe das in den Praxen zu zeitraubenden Diskussionen zwischen Ärzten und Patienten, kritisierte Scherer. Die Politik müsse die Ärzteschaft jetzt mal ihre Arbeit machen lassen. Auch Scherer nannte Spahn nicht beim Namen. Er erinnerte aber an dessen Ausspruch zu Pandemie-Beginn, dass man einander viel werde verzeihen müssen. „Unverzeihlich wäre es, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“, sagte er.

    Hofmeister von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Wir brauchen einen klaren Fahrplan“

    Der Vize-Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, weckte Hoffnungen, dass das Schlimmste im Frühjahr überstanden sein könnte – wenn alle Empfehlungen befolgt werden. Er sei „durchaus zuversichtlich“, dass man trotz derzeit steigender Zahlen mit diesem Winter den schwersten Teil der Pandemie bewältigt haben werde. Dafür sei es aber wichtig, dass die Politik klare Botschaften aussende, Zuversicht ausstrahle – und nicht Ängste wecke. „Wir brauchen einen klaren Fahrplan“, forderte Hofmeister. So könne man die „wahrscheinlich letzte Etappe in dieser großen Pandemie“ bewältigen.

    Nach Erhebungen des Wissenschaftsdienstes Science Media Center (SMC) hat sich das Inzidenz-Wachstum zuletzt zwar weiter beschleunigt, scheint aktuell aber nicht mehr stark zuzunehmen. Anlass für Entwarnung ist das nicht, denn „das überdurchschnittliche Inzidenzwachstum in den oberen Altersgruppen schlägt inzwischen auf die Intensivstationen durch“, schreibt das

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