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Corona-Pandemie: Verlieren wir mit der Bundes-Notbremse zu viel Zeit?

Corona-Pandemie

Verlieren wir mit der Bundes-Notbremse zu viel Zeit?

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    Passanten gehen durch die Fußgängerzone in der Innenstadt. Die Stadt München hat die sogenannte Notbremse im Kampf gegen die Corona-Pandemie schon gezogen.
    Passanten gehen durch die Fußgängerzone in der Innenstadt. Die Stadt München hat die sogenannte Notbremse im Kampf gegen die Corona-Pandemie schon gezogen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Ausgerechnet der Bundesgesundheitsminister verliert langsam die Geduld mit der Politik. Angesichts steigender Infektionszahlen appelliert er dringend an die Ministerpräsidenten, nicht auf das sich hinziehende Gesetzgebungsverfahren zur Bundesnotbremse zu warten, sondern schon jetzt härtere Gegenmaßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus zu ergreifen. „Jeder Tag zählt gerade in dieser schwierigen Lage“, sagt der CDU-Politiker. Spahn ruft dazu auf, Warnungen der Intensivmediziner ernst zu nehmen. Hauptziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. „Das, was wir jetzt möglicherweise versäumen, rächt sich in zwei, drei Wochen. Genauso wie sich jetzt rächt, was vor zwei, drei Wochen nicht entschieden wurde.“ Die Zeit dränge. Bereits jetzt hätten alle die Möglichkeit, zu handeln. „Man muss nicht auf dieses Bundesgesetz warten.“

    Auch Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Institutes, wählt immer dramatischere Worte in seinen Appellen an die Politik. „Stellen Sie sich vor, Sie fahren über enge Straßen in den Dolomiten“, sagt er in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Spahn. Es sei kurvenreich und an einer Seite ein steiler Abhang. „Jeder weiß, in diese Kurve kann ich nur mit 30 fahren. Wenn ich hier mit einer Geschwindigkeit von 100 reinfahre, dann ist das lebensgefährlich. Man kommt nämlich von der Straße ab. Und ehrlich gesagt hilft dann auch keine Notbremse mehr.“

    Corona-Zahlen steuern auf Rekord zu

    Wie steil der Abhang ist, verdeutlichen die Infektionszahlen. Möglicherweise noch diese Woche wird es einen Rekord seit Beginn der Pandemie geben. Bislang lag der bei 33.000 neu gemeldeten Fällen – damals waren allerdings etliche Nachmeldungen dabei. Die Fallzahlen nähmen nicht zu, weil mehr getestet werde, betont Wieler. Es gebe zwölf Prozent positive PCR-Tests – aber nur die Hälfte der Kapazität werde überhaupt ausgeschöpft.

    Der Impffortschritt kann den Pandemieverlauf bislang nur bedingt ausbremsen. Aktuell gibt es rund 17 Prozent Erstgeimpfte. Vollständig immunisiert sind erst rund sechs Prozent der Bürger. Trotzdem lehnt Gesundheitsminister Spahn eine Notfallzulassung für den Corona-Impfstoff des Tübinger Herstellers Curevac ab. Er begründete das mit fehlenden medizinischen Daten aus klinischen Studien. „Ohne Wirksamkeitsdaten ist eine Notfallzulassung nicht möglich.“

    Divi-Chef Gernot Marx: "Jetzt ist Pandemie, jetzt ist Krise"

    Lauter werden auch die Rufe aus der Medizin. „Wir sind jetzt in einer sehr kritischen Phase der Pandemie angekommen. Deutschland befindet sich in einer absoluten Krise“, betont Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Selbst große Unikliniken könnten kaum noch neue Intensivpatienten aufnehmen. „Die dringende Bitte der deutschen Intensivmediziner lautet, dass dieses Gesetz in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen und umgesetzt wird“, fordert Marx. Er appelliert an alle Parteien, mögliche Bedenken jetzt hintanzustellen und das Gesetz gegebenenfalls anschließend wieder zu ändern. „Das Gesetz muss beschlossen werden, wir brauchen einen harten Lockdown“, betont er. „Jetzt ist Pandemie, jetzt ist Krise.“

    Gernot Marx: «Die Lage ist sehr dramatisch.». Der DIVI-Präsident fordert die Politik in einem Appell zum Handeln auf.
    Gernot Marx: «Die Lage ist sehr dramatisch.». Der DIVI-Präsident fordert die Politik in einem Appell zum Handeln auf. Foto: Michael Kappeler, dpa

    An diesem Freitag will der Bundestag das entsprechende Infektionsschutzgesetz erstmals im Plenum beraten. Die Fraktionen debattieren bereits heftig über Änderungswünsche. Eine Fortsetzung dürften die Diskussionen in den kommenden Tagen in den Ausschüssen finden. Eine Verabschiedung der Regelung inklusive abendlichen Ausgangsbeschränkungen ist für kommenden Mittwoch vorgesehen. Dann ist noch der Bundesrat am Zug. Die Verschärfungen sollen dann greifen, wenn in einem Landkreis oder einer Stadt mehr als 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in 7 Tagen kommen. Schon am Mittwoch hatten 344 von 412 Kreisen die Schwelle überschritten.

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