Ein Jahr nach dem Ausbruch von Covid-19 in Deutschland sieht Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zwar einen zarten Hoffnungsschimmer. "Wir sind auf dem Weg raus aus der Pandemie. Diesen Weg gehen wir entschlossen, aber vorsichtig", sagte er am Freitag in Berlin. Doch damit machte er auch deutlich, dass mit einem schnellen Ende der staatlichen Infektionsschutzmaßnahmen nicht zu rechnen ist. Lockerungen müssten "mit Augenmaß" erfolgen, zuerst seien Kitas und Schulen an der Reihe. Bund und Länder würden darüber kommende Woche beraten.
Spahn: Deutschland hat nun "die Mittel, das Virus zu besiegen"
"Wir erleben wir harte Wochen des Lockdowns und Schwierigkeiten beim Start der Impfkampagne", räumte Spahn ein. Doch Deutschland habe nun "die Mittel, das Virus zu besiegen", sagte er. Zu den beiden Impfstoffen von Biontech und Moderna komme nun der von Astrazeneca. 800.000 meist ältere Bürger hätten schon die Zweitimpfung. 80 Prozent der Pflegeheimbewohner seien einmal, die Hälfte davon bereits zweimal. Das seien durchaus auch im europäischen Vergleich erfreuliche. "Die Infektionszahlen sinken, aber sie sinken nicht genug", sagte Spahn. Dass die Zahl der aktiven Corona-Fälle auf unter 200.000 gesunken sei, nannte Spahn eine "ermutigende Entwicklung, die wir als Gesellschaft mühsam erreicht haben". Das dürfe nun nicht leichtfertig verspielt werden, zeigte er sich skeptisch gegenüber zu frühen umfangreichen Lockerungen. Denn die Entwicklung in anderen Ländern zeige, dass Erfolge auch schnell verspielt werden könnten. Neu aufgetreten Mutationen des Coronavirus erschwerten die Bekämpfung der Pandemie.
Spahn sagt, Kitas und Schulen sollen in der Corona-Krise zuerst geöffnet werden
Die Bundesregierung werde aber auch Perspektiven für den Weg aus dem Stillstand aufzeigen, kündigte Spahn an. "Familien mit Kindern sind am Limit, wir haben sie nicht vergessen", sagte er: "Wenn wir öffnen, dann Kitas und Schulen zuerst." Noch allerdings sei große Vorsicht geboten: "Die Jahrhundertpandemie bleibt eine Zumutung und ein Test für den Charakter unserer Gesellschaft. Ich bin überzeugt, dass wir ihn bestehen." Es gelte jetzt, noch ein wenig durchzuhalten. "Auch ich bin diese Pandemie leid", so der Bundesgesundheitsminister.
RKI-Präsident Wieler: Sechs Prozent der erkannten Neuinfektionen sind britische Mutation
Lothar Wieler, Präsident des staatlichen Robert Koch Instituts, warnte ebenfalls vor raschen Lockerungen: "Die Situation ist noch lange nicht unter Kontrolle." Die Infektionszahlen gingen aktuell zwar zurück, gleichzeitig aber seien die Intensivstationen voll. Große Sorgen bereiten ihm die neuen Virus-Varianten, alle drei seien bereits in Deutschland nachgewiesen worden. Die sogenannte britische Variante sei am weitesten verbreitet, habe inzwischen 13 Bundesländer erreicht. Diese Variante sei ansteckender, und es gebe auch erste Hinweise, dass sie zu schwereren Verläufen führen könne, so Wieler. Im Moment habe sie knapp sechs Prozent Anteil an den erkannten Corona-Infektionen, mit steigender Tendenz. "Die Varianten dominieren noch nicht, wir müssen aber damit rechnen, dass sich vor allem die britische weiter verbreitet", sagte Wieler. Corona sei dadurch gefährlicher geworden: "Geben wir Covid-19 keine Chance."
Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, sagte, dass alle drei aktuell zur Verfügung stehenden Corona-Impfstoffe ein günstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufwiesen. Der jüngst zugelassene Impfstoff von Astrazeneca habe in Studien 60 Prozent Wirksamkeit bewiesen. Weil die Datenlage für die Wirksamkeit bei älteren Personen noch unklar sei, würden zunächst Jüngere mit dem Astrazeneca-Präparat geimpft. Ältere Personen dagegen erhielten bevorzugt die Impfstoffe von Biontech und Moderna. Cichutek warb um Vertrauen in die Zulassungsbehörden: "Alle drei Impfstoffe wirken."
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