Bei den Corona-Impfungen sollen sich in knapp drei Wochen alle in Deutschland einen Termin holen können - ohne die noch geltende feste Reihenfolge nach Risikogruppen. Die Priorisierung soll ab dem 7. Juni aufgehoben werden, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag in Berlin nach einem entsprechenden Beschluss mit den Ressortchefs der Länder mitteilte. Die seit dem Impfstart vor fünf Monaten eingeführten Vorranglisten nach Alter, Erkrankungen und Beruf sollten dann in Praxen und regionalen Impfzentren wegfallen. Ab 7. Juni sollen auch Betriebs- und Privatärzte regulär mitimpfen.
Spahn bat zugleich weiterhin um Geduld. Das Ende der Priorisierung bedeute nicht, dass dann alle unmittelbar in wenigen Tage schon Termine bekommen könnten. Die Impfungen würden wie angekündigt "bis weit in den Sommer hinein" fortgesetzt. Bereits vereinbarte Termine würden nun auch nicht hinfällig, sondern sollten wahrgenommen werden. Zudem seien bis zum 7. Juni noch mindestens 15 Millionen Erst- und Zweitimpfungen vorgesehen - darunter viele gemäß der Priorisierung.
Mit Blick auf den Zeitplan für die Impfzentren äußerten sich die Länder zurückhaltender. Sie nähmen die Absicht des Bundes zur Kenntnis, auch dort ab 7. Juni die Reihenfolge aufzuheben, heißt es im Beschluss. Den Ländern sei es aber "unbenommen, die Priorisierung im Rahmen der ihnen zugewiesenen Impfstoffdosen aufrechtzuerhalten".
Aufhebung der Priorisierung in ersten Bundesländern
Einige Länder sind mit der Freigabe in Arztpraxen schon vorgeprescht. So dürfen sich in Baden-Württemberg seit Montag die Menschen ohne Eingruppierung impfen lassen. Nur der Impfstoff von Moderna bietet sich laut Landesapothekerkammer wegen des Transports nicht für Praxen an. In den Impfzentren bleibt die Priorisierung aber erhalten, damit dort Menschen mit hohem Risiko auf jeden Fall zuerst geimpft werden. In Bayern soll die Priorisierung bei den Hausärzten im Lauf der Woche fallen. Brandenburg gab nur die Prioritätsgruppe 3 vollständig frei. Hessen will von Juni an die Impf-Registrierung für alle öffnen.
Mit den Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson kann sich schon jetzt jeder impfen lassen. Sie können aber in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen haben und sind daher in der Regel bei Menschen ab 60 vorgesehen. Bei Jüngeren sind vorher ärztliche Aufklärung und eine individuelle Risikoanalyse vorgeschrieben. Die Aufhebung der Priorisierung solle es erlauben, die Impfkampagne voranzutreiben, hatte Spahn gesagt.
Corona-Impfung: Warum es eine Priorisierung gibt
Eingeführt wurde die amtliche Reihenfolge wegen des anfangs absehbaren Mangels an Impfstoff. Erklärtes Ziel: Menschen mit höchstem Risiko auf schwere und tödliche Corona-Verläufe rasch zu schützen. In Gruppe 1 kamen daher über 80-Jährige, Menschen in Pflegeheimen und Gesundheitspersonal mit hoher Ansteckungsgefahr dran. Es folgte die Gruppe 2 mit Menschen ab 70, mit Erkrankungen wie Krebs, Kita-Erzieherinnen und Lehrkräften an Grundschulen. Inzwischen laufen Impfungen in der dritten und letzten Gruppe, zu der neben über 60-Jährigen auch Berufsgruppen gehören, die nicht im Homeoffice sein können - etwa Supermarktverkäuferinnen und Busfahrer. Eine Gruppe 4 gibt es in der Impf-Verordnung nicht: Dann kommen alle dran.
Der Deutsche Hausärzteverband sprach von einer großen Herausforderung für das Praxispersonal, das schon von Anfragen überrannt werde. "Bei allem Verständnis dafür, dass jede und jeder jetzt so schnell wie möglich dran kommen will, appelliere ich an die Patientinnen und Patienten: Habt Geduld!", sagte der Vorsitzende Ulrich Weigeldt der "Rheinischen Post" (Dienstag). Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte in der Zeitung, nicht ein Datum dürfe das Ende der ethischen Reihenfolge bei der Impfung bestimmen. Allein der Impffortschritt in den drei Prioritätsgruppen müsse der Maßstab dafür sein.
So steht es um die Impfquote in Deutschland
Mehr als 70 Prozent der Über-60-Jährigen sind mindestens einmal geimpft, fast 25 Prozent vollständig. Insgesamt wurden inzwischen mehr als 40 Millionen Impfdosen verabreicht. 37 Prozent der Bundesbürger (30,8 Millionen) sind mindestens einmal geimpft - 11,2 Prozent (9,3 Millionen) voll. Die höchste Quote an mindestens Erstgeimpften hat das Saarland mit 41,4 Prozent. Sachsen liegt mit 32 Prozent zurück. Bis Ende Mai sollen über 40 Prozent mindestens einmal geimpft sein. Jeder Siebte werde dann wohl vollen Impfschutz haben, erwarten Bund und Länder.
Entwarnung will die Bundesregierung weiter nicht geben. Die täglich fallenden Neuinfektionszahlen und die Impfkampagne könnten zuversichtlich machen - aber nicht voreilig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wir haben noch nicht die Voraussetzungen dafür erreicht, einen genauso entspannten Sommer wie letztes Jahr zu genießen." Ziel müsse bleiben, die Zahl der Ansteckungen deutlich weiter zu senken. Vor einem Jahr habe die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz um diese Zeit bei 5 gelegen, erläuterte Seibert - am Montag waren es laut Robert Koch-Institut 83,1 gemeldete neue Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. (dpa)
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