Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, da gehörte Jens Spahn zu den populärsten Politikern des Landes. Und so war es nicht nur dem fraglos ausgeprägten Selbstbewusstsein des CDU-Politikers geschuldet, dass er im Dezember im Land herumtelefonierte, um hinter den Kulissen seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur der Union auszuloten. Heute muss der Bundesgesundheitsminister froh sein, wenn er das Ende der Legislaturperiode im Amt erlebt. Zu den Pannen, Skandalen und nicht eingehaltenen Versprechen in der Corona-Politik kommt eine Geschichte, die am Wochenende eine neue Empörungswelle ausgelöst hat.
Wollte Jens Spahn die unbrauchbaren Masken an Obdachlose und Behinderte verschenken?
Es geht um Schutzmasken, die angeblich für rund eine Milliarde Euro einkauft wurden, deren Tauglichkeit aber nicht ausreichend getestet worden war. Wie der Spiegel berichtet, dachte man im Gesundheitsministerium deshalb darüber nach, diese nicht zertifizierten Masken an Hartz-IV-Empfänger, Obdachlose und Menschen mit Behinderung zu verschenken. Die Idee soll letztlich am Veto des Bundesarbeitsministeriums gescheitert sein, das für die Sicherheit der Masken zuständig ist. Wollten Spahns Leute die Lieferung verschwinden lassen, um zu vertuschen, dass man für eine Riesensumme unbrauchbares Material eingekauft hatte?
Dieser Verdacht steht zumindest nun im Raum. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans brachte am Wochenende sogar den Rauswurf des Gesundheitsministers ins Spiel. „Armin Laschet muss sich jetzt der Frage stellen, ob dieses skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist“, sagte Walter-Borjans der Bild am Sonntag. Es sei unwürdig und menschenverachtend, wenn ein Minister Menschen in zwei Klassen einteile. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, keinen Zweifel daran zu lassen, „dass Leben und Gesundheit jedes Menschen gleichviel zählt und nicht aufs Spiel gesetzt wird, um eigene Fehler unter den Teppich zu kehren“.
Jens Spahn wehrt sich: SPD will mit Vorwürfen Stimmung machen
Was ist dran an der Wut auf Spahn - und was davon ist schon Wahlkampf? Der 41-Jährige selbst, dessen Umfragewerte schon vorher weit von den Höhenflügen des vergangenen Jahres entfernt waren, verschickte am Sonntag eine Pressemitteilung. „Die Schutzmasken, um die es in der aktuellen Diskussion geht, sind intensiv geprüft worden, gemeinsam mit TÜV Nord und Dekra. Auch ohne EU-Zertifikat haben sie nachweislich alle Eigenschaften, die für den Infektionsschutz nötig sind“, betonte Spahn und ging in die Gegenoffensive: „Dass einige nun bewusst Obdachlose und Menschen mit Behinderung verunsichern, um Stimmung zu machen, sagt mehr über den Zustand der SPD als über die Qualität der Masken aus.“
Ob das reicht, um Druck aus dem Kessel zu nehmen, ist fraglich. An höhere Aufgaben für den gestrauchelten CDU-Hoffnungsträger denkt momentan jedenfalls niemand mehr. Einer der ersten Parteifreunde, die im Dezember öffentlich für Spahn als Kanzlerkandidat geworben hatten, kämpft heute mit eigenen Problemen: Der junge Mannheimer Abgeordnete Nikolas Löbel stürzte über dubiose Maskengeschäfte – noch ein Skandal, der Spahns Image massiv geschadet hat.
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