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Corona-Pandemie: Können wir uns einen zweiten Lockdown leisten? Das sagt Olaf Scholz

Corona-Pandemie

Können wir uns einen zweiten Lockdown leisten? Das sagt Olaf Scholz

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    Bislang sei Deutschland gut durch die Corona-Pandemie gekommen, sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz.
    Bislang sei Deutschland gut durch die Corona-Pandemie gekommen, sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    Die Bazooka wollte Finanzminister Olaf Scholz laden, um dem Coronavirus das Fürchten zu lehren. Hilfen für Gastwirte. Kurzarbeitergeld für Unternehmen. Kinderbonus für Eltern. Die gut gefüllte Kasse half, die Sorgen zumindest zu dämpfen.

    Doch je länger die Krise anhält, desto schwieriger wird die Lage für den Staat: Die Steuereinnahmen von Bund und Ländern sind im September um 13 Prozent zurückgegangen. Mehr als eine Million Jobs bei mittelständischen Firmen sind gefährdet. Der Konsum – eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur – ist im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um mehr als zehn Prozent eingebrochen. Trotz Mehrwertsteuersenkung. Zugleich bleibt der Bedarf an finanziellen Brandmauern hoch.

    Finanzminister Olaf Scholz: Deutschland ist bislang gut durch die Corona-Krise gekommen

    Immer häufiger wird das L-Wort ausgesprochen: Lockdown. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warnt, bei 20 000 Neuinfektionen am Tag gerate die Lage außer Kontrolle: „Dann droht uns ein zweiter Lockdown, weil sich das Virus anders nicht mehr bremsen lässt.“ Doch können wir uns ein erneutes massives Herunterfahren der Wirtschaft überhaupt leisten?

    „Die Corona-Pandemie ist längst noch nicht besiegt, und wie erwartet verzeichnen wir jetzt im Herbst deutlich steigende Infektionszahlen“, sagt Bundesfinanzminister Scholz unserer Redaktion. Bislang sei unser Land recht gut durch die Krise gekommen – „auch weil wir uns frühzeitig und entschlossen gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise gestemmt haben“, betont Scholz.

    Von Sorgen will er nichts wissen, das Augenmerk gilt der Infektionsbekämpfung. Dabei rechnet die Bundesregierung damit, dass die Bewältigung der Krise die öffentlichen Kassen in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt 1,446 Billionen Euro kosten wird. Eingerechnet sind dabei die Kosten für das Gesundheitssystem genauso wie staatliche Garantien. Gegen die Krise ansparen will der Finanzminister nicht. „Finanziell sind wir gut gerüstet, unsere Finanzkraft ist weiterhin sehr groß“, sagt Scholz und legt Zahlen des Internationalen Währungsfonds vor: Deutschland hat trotz immenser Hilfspakete weiter die niedrigste Schuldenquote aller G7-Staaten.

    Noch immer liegt die Schuldenquote außerdem deutlich unter den Zahlen der Finanzkrise. Vor der Finanzkrise 2008 lag sie bei 65,5 Prozent, 2010 bei 82,4 Prozent. Im Jahr 2019 lag die Quote bei 59,8 Prozent – der IWF geht für 2021 bei Deutschland von 75 Prozent aus. Die Schuldenquote beziffert das Verhältnis zwischen Staatsschulden und BIP.

    Bayerns Finanzminister Füracker: Sparen wäre jetzt der falsche Weg

    Auch im bayerischen Haushalt klafft ein Loch. „Dem Freistaat Bayern bleibt, wie auch fast jedem anderen Land und jeder Region in der Welt, keine Wahl: Wir müssen uns am Kreditmarkt bedienen, um möglichst viel Krise von den Menschen fernzuhalten“, sagt Bayerns Finanzminister Albert Füracker. 14 Jahre in Folge hatte der Freistaat einen Haushalt ohne neue Schulden. „Natürlich ist die aktuelle Situation für einen Finanzminister schmerzlich, aber sparen um des bloßen Sparens willen wäre jetzt der falsche Weg“, sagt Füracker.

    Wie schwierig der Spagat ist, der der Politik abverlangt wird, weiß auch Marcel Fratzscher. „Der Schutz der Gesundheit und der Schutz der Wirtschaft sind keine Widersprüche, sondern zwei Seiten derselben Medaille“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. „Ich befürchte, viele unterschätzen die Risiken einer zweiten Welle für Gesundheit und Wirtschaft.“ Es müsse dringend gelingen, den Bürgern den Ernst der Lage bewusst zu machen.

    Fratzscher mahnt eindringlich: „Die Wirtschaft ist heute viel weniger widerstandsfähig als noch im März und April.“ Viele Unternehmen hätten ihre Rücklagen aufgebraucht und sich so stark verschuldet, dass ein erneuter Einbruch der Wirtschaft zu einem massiven Anstieg der Insolvenzen für Unternehmen und damit auch der Arbeitslosigkeit führen könnte.

    Corona in Deutschland: Mittelstandsverband kritisiert Überbrückungshilfen als mangelhaft

    Und doch gibt es bei aller politischen Großzügigkeit ein Problem: Die Wirtschaftsverbände klagen, dass viele Hilfsmittel nicht abfließen. Auch aus diesem Grund ist die Bazooka noch gut geladen. „Bis Ende August wurden nur 248 Millionen Euro an Unternehmen ausbezahlt, also rund ein Prozent des Programmvolumens“, kritisiert der Präsident des Verbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven. „Die Bilanz zu den Überbrückungshilfen war also mangelhaft.“

    Ein Hauptgrund dafür sei das komplizierte Antragsverfahren. Inzwischen wurden die Prozesse vereinfacht, die Gelder fließen ab. Ohoven plädiert dafür, nicht abgerufene Mittel in ein Sonderprogramm für besonders Not leidende Branchen zu überführen. Und noch einen Wunsch hat er: „Ein großes Thema für mittelständische Unternehmen ist die temporäre Mehrwertsteuersenkung.“ Es müsse für das gesamte Jahr 2021 beim jetzigen Niveau der Mehrwertsteuersätze bleiben. „Mittelfristig plädieren wir für einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 15 Prozent.“

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