Seine erste Reaktion ließ fast so etwas wie Gelassenheit erkennen - und verbreitete die klitzekleine Hoffnung, dass die erneute Mutation des Coronavirus nicht mehr als eine medizinische Fußnote bleiben könnte. "Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", sagte der Berliner Virologe Christian Drosten noch am Freitag über Omikron.
Inzwischen ist der Blick des Mediziners deutlich banger. "Ich bin schon ziemlich besorgt im Moment", sagte er im ZDF-"heute journal. Man wisse nicht allzuviel über die neue Variante. Berichte über milde Verläufe hätten allerdings noch nicht sehr viel Substanz angesichts von nur gut 1000 Fällen. Man sehe zudem, dass sie häufig bei jungen Leuten in Südafrika auftauche und auch Menschen betreffe, die eine Erkrankung schon hinter sich haben. Er habe die Sorge, dass man die erste wirkliche Immunfluchtmutante vor sich habe.
WHO stuft Omikron-Variante als besorgniserregend ein
Tatsächlich steigen in Südafrika, dem Land, in dem die Mutation zum ersten Mal entdeckt wurde, die Zahlen weiter an - obwohl dort gerade die Sommermonate beginnen. Der südafrikanische Virologe Salim Abdool Karim erwartet bis zum Ende der Woche einen Anstieg der landesweiten Corona-Infektionen um rund 10.000 neue Fälle. Bei den Todeszahlen gebe es bisher allerdings einen eher geringen Anstieg. Die neue Omikron-Corona-Variante sei relativ einfach nachzuweisen und es gebe kaum Anlass, bisherige Behandlungsmethoden zu ändern, so die Einschätzung des Experten. Auch wenn es fraglich bleibe, ob bisherige Impfstoffe nun genügend Schutz böten, dürfte er weiterhin hoch sein. Die neue Variante wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "besorgniserregend" eingestuft. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass sie die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte.
Mutationen verschaffen dem Virus Vorteile
„Es ist schon lange bekannt, dass sich auch SARS-CoV-2 mit der Zeit durch Mutationen verändert", sagt Roman Wölfel, Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. "Dabei setzen sich vor allem jene Mutationen durch, die dem Virus einen Vorteil verschaffen." Eine Veränderung deute darauf hin, dass die Übertragbarkeit des Virus deutlich erhöht sein könnte. Schon die Delta-Variante hatte dafür gesorgt, dass die Covid-Zahlen weltweit erneut in die Höhe gingen - diese Mutante ist maßgeblich für die aktuelle schwierige Situation verantwortlich. Bei Omikron gibt es zudem eine Mutation, die dafür sorgt, dass das angeborene Immunsystem umgangen werden kann und dass Infizierte eine höhere Viruslast mit sich tragen. "Dadurch verbessern sie die Übertragbarkeit des Virus von Mensch zu Mensch", sagt Wölfel. „Aber auch in diesem Fall ist davon auszugehen, dass die verfügbaren Impfstoffe immer noch ein hohes Maß an Schutz vor Krankenhausaufenthalten und Tod bieten werden. Die Impfung ist deshalb nach wie vor von entscheidender Bedeutung, um die Ausbreitung zu verlangsamen und die Belastung des Gesundheitssystems zu verringern.“
Das betont auch Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien, Biozentrum an der Universität Basel. „Da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind, gehe ich davon aus, dass auch gegen diese Variante Impfschutz besteht", sagt er - schränkt allerdings zugleich ein: "Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, sodass eine dritte Dosis umso wichtiger wird.“
Biontech klärt Wirksamkeit des Impfstoffes
Das Unternehmen Biontech hat bereits Untersuchungen angekündigt, welche Folgen die Mutation haben könnte. "Wir können die Besorgnis von Experten nachvollziehen und haben unverzüglich Untersuchungen zur Variante B.1.1.529 eingeleitet", teilte das Unternehmen in Mainz mit. Die Daten aus nun laufenden Labortests würden Aufschluss geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich werde, wenn sich diese Variante international verbreite. Auch Moderna will seine Strategie auf Omikron anpassen. Die Entdeckung immer neuer Fälle deutet darauf hin, dass sich die Mutation weltweit ausbreitet. Unter anderem Tschechien, Kanada und Portugal meldeten Fälle. (mit dpa)