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Corona-Impfungen: Wie Ursula von der Leyen Angela Merkel bitter enttäuscht hat

Corona-Impfungen

Wie Ursula von der Leyen Angela Merkel bitter enttäuscht hat

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    Da schien die Welt noch in Ordnung: Ursula von der Leyen (links) hat gerade ihren Posten als Verteidigungsministerin abgegeben, um nach Brüssel zu gehen. Angela Merkel hat ihr den Job als EU-Kommissionspräsidentin verschafft.
    Da schien die Welt noch in Ordnung: Ursula von der Leyen (links) hat gerade ihren Posten als Verteidigungsministerin abgegeben, um nach Brüssel zu gehen. Angela Merkel hat ihr den Job als EU-Kommissionspräsidentin verschafft. Foto: Imago Images

    Es war wieder so ein typischer Merkel-Satz. „Im Großen und Ganzen ist nichts schiefgelaufen“, beantwortete sie im ARD-Interview die Frage nach dem Corona-Krisenmanagement und dem holprigen Impfstart in Deutschland. Die Kanzlerin guckte dabei leicht von unten nach oben, mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln in Mund- und Augenwinkeln. Bei Merkel signalisiert das meistens, dass sie ihre Gesprächspartner gerade hinter die Fichte führt und mehr meint, als sie ausspricht. In diesem Fall darf das als gesichert angenommen werden. Denn im Kleinen hat Merkel ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen genau im Visier. Beim Thema Impfen lässt „Top-Gun-Uschi“ als EU-Kommissionspräsidentin gerade nichts aus, um Merkel einen glänzenden Abgang von der politischen Bühne zu vermiesen.

    Angela Merkel selbst hat einen deutschen Impfstoff-Alleingang verhindert

    „Im Großen und Ganzen“ kann Merkel noch darauf bauen, dass sie in der Bevölkerung als Corona-Kämpferin wahrgenommen wird. In einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage steht ihre Union weiterhin bei 37 Prozent. Doch solche Werte können schnell kippen. Die Deutschen sehen gerade zu, wie sie beim Impfen abgehängt werden. Nicht nur Israel, Großbritannien und die USA haben bessere Impfquoten. Auch die meisten anderen europäischen Staaten sind weiter, obwohl sie mit teils viel größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Merkel muss dem machtlos zusehen, denn der Impfstoff für Deutschland führt über die EU. Die Kanzlerin selbst ist dafür verantwortlich, schließlich hatte sie ihren Gesundheitsminister Jens Spahn dazu gedrängt, keine bilateralen Verträge mit Impfstoffherstellern abzuschließen, sondern den „europäischen Weg“ zu gehen. Sollte sie darauf gehofft haben, dass dieser Weg schon nicht so steinig werden wird, weil von der Leyen die Brocken aus dem Weg räumt, wurde sie herbe enttäuscht.

    Ihr Hang zur Inszenierung machte Ursula von der Leyen zur "Top-Gun-Uschi"

    Obwohl die ersten schon raunen, die Amtszeit der Deutschen an der Kommissionsspitze könne schneller vorbei sein, als erwartet, wähnt von der Leyen selbst sich offenbar fest im Sattel. In ihren vielen Interviews blickt sie mit strenger Miene, macht stets einen leicht überarbeiteten Eindruck. Die 62-Jährige mag solche Inszenierungen. Eine ihrer bekanntesten ist die vom August 2014, als sie sich im ersten Tageslicht mit einer an eine Uniform erinnernde Jacke auf dem Militärflugplatz Hohn ablichten ließ. Das erinnerte stark an eine Szene aus dem Hollywood-Streifen „Top Gun“, von der Leyen hatte anschließend den Spitznamen „Top-Gun-Uschi“ weg.

    Die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2014 auf dem Nato-Flugplatz Hohn.
    Die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen 2014 auf dem Nato-Flugplatz Hohn. Foto: Axel Heimken, dpa

    Merkel wiederum sind derartige Inszenierungen völlig fremd. Mit Argwohn beobachtet sie die hemdsärmelige Art ihrer einstigen Stellvertreterin an der CDU-Spitze. Fehler will von der Leyen keine eingestehen, sie verweist auf die Größe der EU. Daran gemessen gebe es ja bereits eine stattliche Anzahl von Impfungen, ließ sie mehrfach erkennen, dass sie sich für den Kleinkram nicht zuständig fühlt. Man kennt das aus ihrer Zeit als Verteidigungsministerin. „Das ist weit unter meiner Ebene und mir damit nicht bekannt“ – dieser Satz ist als Aussage im Untersuchungsausschuss zur „Berateraffäre“ in Erinnerung geblieben.

    Von der Leyen sagte vor vielen Jahren einmal, sie sehe sich mit der Kanzlerin, die wie sie selbst Naturwissenschaftlerin ist, durch „ähnliche Denkmuster“ verbunden. In Merkels Augen dürfte sie diese Meinung ziemlich exklusiv haben. Anders als die Chefin gehörte von der Leyen im CDU-Spitzenpersonal immer zu denjenigen, die nur wenig Rückhalt in der eigenen Partei hatten. Auf Parteitagen verweigerte ihr im Schnitt regelmäßig ein Drittel der Delegierten die Stimme. Ihre Beliebtheit beim Volk ist ebenfalls überschaubar. In den einschlägigen Umfrage-Rankings tauchte von der Leyen nicht auf. Ihrer Karriere hat das nicht geschadet.

    Kanzlerin Angela Merkel erhöhte den Druck auf Parteifreundin von der Leyen

    Merkel hatte maßgeblich daran mitgewirkt, dass von der Leyen den Posten in Brüssel bekam. Sie warf viel in die Waagschale, ließ dafür den CSU-Politiker Manfred Weber über die Klinge springen. Umso größer dürfte ihre Enttäuschung nun sein, dass die Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht den Brexit-Verhandlungen keine neuen Impulse gab und vor allem in der Corona-Pandemie bislang nicht glänzen konnte.

    Als dem Kanzleramt dämmerte, dass die Impfungen nur langsam voranschreiten, machte Merkel Druck. Sie habe von der Leyen gebeten, die Dinge zu beschleunigen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte das auf Nachfrage nicht.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag in der ARD-Sendung "Farbe bekennen".
    Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag in der ARD-Sendung "Farbe bekennen". Foto: Jesco Denzel, dpa

    Die Kanzlerin hatte stets mehr Tempo in der EU angemahnt. Dass nun ausgerechnet sie erklärte, man dürfe sich beim Impfstoff ruhig Zeit lassen, bewerten Beobachter in Berlin als reine Vorwärtsverteidigung. Es soll bloß keiner ein Zerwürfnis zwischen Brüssel und Berlin herbeischreiben. Denn jeder weitere Ärger könnte Merkels Impf-Garantie in Gefahr bringen: Am 21. September sollen alle, die es wollen, zumindest die erste von zwei nötigen Dosen bekommen haben. Wenn nicht, wäre das fünf Tage vor der Bundestagswahl nicht nur ein Desaster für die CDU, sondern auch für Merkel ganz persönlich.

    Chronologie der Corona-Pandemie in Deutschland

    Im Januar 2020 ist die erste Corona-Infektion in Deutschland bekannt geworden. Ein Rückblick:

    27. Januar: Erste bestätigte Infektion in Deutschland. Zwei Wochen später ist der Mann aus Bayern wieder gesund.

    25./26. Februar: Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen melden erste nachgewiesene Fälle. Weitere Bundesländer folgen, am 10. März hat Sachsen-Anhalt als letztes Land seinen ersten Fall.

    9. März: In NRW gibt es die ersten Todesfälle innerhalb Deutschlands. Die Zahl der Infektionen steigt bundesweit auf mehr als 1000.

    12./13. März: Immer mehr Theater und Konzerthäuser stellen den Spielbetrieb ein. Die Fußball-Bundesliga pausiert.

    16. März: An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz gibt es Kontrollen und Einreiseverbote. In den meisten Bundesländern sind Schulen und Kitas geschlossen.

    17. März: Mehrere Konzerne kündigen an, ihre Fabriken vorübergehend zu schließen.

    22. März: Verbot von Ansammlungen von mehr als zwei Menschen. Ausgenommen sind Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. Cafés, Kneipen, Restaurants, aber auch Friseure zum Beispiel schließen.

    15. April: Auf eine schrittweise Aufnahme des Schulbetriebs ab 4. Mai verständigen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs.

    20. April: Geschäfte unter 800 Quadratmetern Fläche dürfen wieder öffnen. Als erstes Bundesland führt Sachsen die Maskenpflicht für ÖPNV und Einzelhandel ein. Alle anderen ziehen nach.

    22. April: Für Firmen, Arbeitnehmer und Gastronomie werden milliardenschwere Hilfen beschlossen.

    6. Mai: Die Länder bekommen weitgehende Verantwortung für die Lockerung von Beschränkungen - etwa für Hotels, Gastronomie, Fahrschulen, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

    16. Mai: Sachsen-Anhalt registriert als erstes Bundesland seit Ausbruch der Pandemie keine Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Die Fußball-Bundesliga legt wieder los - ohne Fans in den Stadien.

    16. Juni: Im Kampf gegen das Virus geht eine staatliche Warn-App an den Start. Sie soll dabei helfen, Infektionen nachzuverfolgen. 

    29. August: Etwa 40.000 Menschen protestieren in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen. Demonstranten durchbrechen die Absperrung vor dem Reichstag und stürmen auf die Treppe.

    30. September: Angesichts wieder steigender Infektionszahlen fordert die Kanzlerin zum Durchhalten auf. "Wir riskieren gerade alles, was wir in den letzten Monaten erreicht haben", sagt Merkel im Bundestag.

    7./8. Oktober: Die Bundesländer beschließen ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Risikogebieten. 

    22. Oktober: Die Zahl der Neuinfektionen binnen eines Tages hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) macht vor allem private Treffen dafür verantwortlich.

    2. November: Ein Teil-Lockdown mit Einschränkungen bei Kontakten und Freizeitaktivitäten soll die zweite Infektionswelle brechen.

    9. November: Als erste westliche Hersteller veröffentlichen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung ihres Corona-Impfstoffs entscheidenden Studie.

    18. November: Unter dem Protest Tausender in Berlin machen Bundestag und Bundesrat den Weg für Änderungen im Infektionsschutzgesetz frei.

    25. November: Die Beschränkungen für persönliche Kontakte werden für weitere Wochen verschärft. Darauf verständigen sich Bund und Länder.

    27. November: Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen in Deutschland hat nach RKI-Daten die Millionenmarke überschritten. 

    2. Dezember: Als erstes Land der Welt erteilt Großbritannien dem Impfstoff von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung und startet seine Impfkampagne wenige Tage später. 

    16. Dezember: Der seit November geltende Teil-Lockdown reicht nicht aus. Der Einzelhandel muss mit wenigen Ausnahmen schließen.

    18. Dezember: Die Zahl der binnen eines Tages gemeldeten Infektionen in Deutschland ist erstmals auf mehr als 30.000 gestiegen.

    21. Dezember: Zum Schutz vor einer infektiöseren Virus-Variante dürfen keine Passagierflugzeuge aus Großbritannien mehr in Deutschland landen. Der Corona-Impfstoff von Biontech erhält von Brüssel die bedingte Marktzulassung. Somit können die Impfungen in der EU beginnen. Am 6. Januar wird auch der von Moderna zugelassen.

    24. Dezember: Heiligabend im Zeichen der Pandemie. Familienfeiern sollen klein bleiben, Christmetten wenn überhaupt nur auf Abstand stattfinden. Zudem wird die in Großbritannien aufgetretene Variante des Coronavirus erstmals auch in Deutschland nachgewiesen.

    26. Dezember: Einen Tag vor dem offiziellen Impfstart werden in einem Seniorenzentrum in Sachsen-Anhalt eine 101 Jahre alte Frau und etwa 40 weitere Bewohner geimpft. 

    27. Dezember: In allen Bundesländern beginnen die Impfungen. Zuerst sollen Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal immunisiert werden.

    1. Januar 2021: Deutschland kommt vergleichsweise ruhig ins neue Jahr. Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk war verboten. 

    14. Januar: Das Statistische Bundesamt schätzt, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 5,0 Prozent eingebrochen ist.

    15. Januar: Mehr als zwei Millionen Corona-Fälle sind hierzulande bekannt geworden, knapp 45.000 Menschen sind an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Sars-CoV-2-Infektion gestorben.

    19. Januar: Bund und Länder verlängern den Lockdown bis Mitte Februar. Zudem werden die besser schützenden FFP2-Masken oder OP-Masken in Bus und Bahn sowie beim Einkaufen obligatorisch.

    21. Januar: Mehr als 1,3 Millionen Menschen haben in Deutschland bereits ihre erste Corona-Impfung erhalten, etwa 77.000 auch schon die zweite. (dpa)

    Sie sprach sich nun auch für den russischen Corona-Impfstoff Sputnik V als weitere Option aus. Sie habe deswegen bereits mit Wladimir Putin geredet, sagte Merkel. Deutlicher konnte sie kaum zeigen, wie wenig Vertrauen sie noch in von der Leyens Management hat.

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