Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat aus dem Frust über den stockenden Start der Corona-Impfung gelernt. Der CDU-Politiker bremste am Freitag die Hoffnung, dass ab Anfang April im ganzen Land die Hausärzte massenhaft Spritzen gegen den Erreger verabreichen werden. „Wir haben nie den ersten April gesetzt als Datum zum Start in den Arztpraxen“, sagte Spahn. Ein fixes Datum könne er nicht nennen. In den vergangenen Tagen hatte es Berichte darüber gegeben, wonach schon übernächsten Monat in den zehntausenden Hausarztpraxen hierzulande bis zu fünf Millionen Corona-Impfungen pro Wochen gegeben werden sollen.
Mittlerweile liefern die Pharmaunternehmen die Impfstoffe in Größenordnungen, so dass die Arztpraxen einbezogen werden könnten. Nach Spahns Worten sollen bis Ende nächster Woche fünf Millionen Dosen bei den Bundesländern ankommen. Zum Vergleich: Seit den ersten Impfungen Ende Dezember sind überhaupt erst fünf Millionen schützende Spritzen gesetzt worden.
Vorbehalte gegen Corona-Impfstoff Astrazeneca: Länder wollen Impfreihenfolge anpassen
Allerdings gibt es unter den Deutschen nach Meldungen über Nebenwirkungen große Vorbehalte gegen das Serum des britisch-schwedischen Pharmariesen Astrazeneca. Hunderttausende Impfdosen lagern ungenutzt in den Kühlschränken. Die Länder wollen deshalb die Impfreihenfolge anpassen, um das Mittel auch Polizisten, Feuerwehrleuten, Erzieherinnen und Erziehern sowie Grundschullehrern anbieten zu können. Rheinland-Pfalz will zum Beispiel bis Ostern Erziehern und Grundschullehrern ein Impfangebot machen. Der Wirkstoff von Astrazeneca verfügt in Deutschland über eine Zulassung in der Altersgruppe von 18 bis 64 Jahren. Spahn widersprach Überlegungen, wonach das Ablehnen einer Impfung mit dem Astrazeneca-Mittel dazu führen sollte, dass es zu einer Sperre kommt. „Wenn man es eine Woche später will, wird das problemlos möglich sein.“
Spahn nutzt die Gelegenheit, um auf einem zweiten wichtigen Feld der Seuchenbekämpfung großer Enttäuschung vorzubeugen. Bei den kostenlosen Schnelltests, die ab 1. März überall in Deutschland angeboten werden sollen, sei an den Teststationen in den ersten Tagen Geduld gefragt. „Es wird wahrscheinlich am Anfang mal Schlangen geben“, sagte Spahn. Um den Menschen mehr Sicherheit in der Pandemie zu geben, will die Regierung parallel zu den Schnelltests auch Corona-Selbsttest die Zulassung erteilen. Sie sollen dann nicht nur in Apotheken verkauft werden, sondern auch in Drogerien und Supermärkten. „Selbsttests können aus dem Lockdown raushelfen“, meinte der Minister.
Der nächste Corona-Gipfel steigt am 3. März
Die Corona-Zwangsmaßnahmen gelten vorerst bis zum 7. März. Vier Tage zuvor kommen die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer weiteren Konferenz zusammen, um über die Seuchenpolitik zu beraten. Vor ihnen liegt eine schwierige Aufgabe, weil sich die ansteckenderen Virus-Mutationen auch in Deutschland immer weiter ausbreiten. Der England-Erreger steckt bereits hinter jeder fünften Neuansteckung, Tendenz steigend. Die Zahl der Infizierten sinkt nur noch langsam. „Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt“, mahnte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler. Der Kampf gegen das Virus werde wegen der neuen Varianten schwieriger. Wieler rechnet damit, dass sich in nächster Zeit auch mehr Jüngere infizieren werden. Schulen und Kindergärten können aus seiner Sicht dennoch wieder geöffnet werden, wenn die Hygienekonzepte streng eingehalten werden.
In Bayern ist die Inzidenz auf 54,7 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche gesunken. Damit liegt der Freistaat auf Platz elf unter den 16 Ländern. An der Grenze zu Tschechien kann aber in einigen Landkreisen wie Tirschenreuth und Wunsiedel davon keine Rede sein. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) lehnt es dennoch ab, die besonders gebeutelten Regionen stärker mit Impfstoff zu versorgen. „Das Regime wie es jetzt durchgeführt wird, ist sinnvoll“, sagte der CSU-Politiker.
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