Um drei Ecken kam die schlechte Nachricht an die Öffentlichkeit: „Nach der derzeitigen Situation können wir leider erst realistisch im August erwarten, dass der Curevac-Impfstoff zugelassen wird“, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der vertraulichen Gesundheitsministerkonferenz Ende Mai. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) bestätigte am Dienstag mit Verweis auf „Komplikationen“ bei der klinischen Studie für das Vakzin einen entsprechenden Bericht der Internet-Nachrichtenseite Business Insider.
Jetzt äußerte sich auch das Unternehmen selbst. „Der Grund, dass wir die klinischen Daten der Phase-3-Studie an die europäische Arzneimittelbehörde EMA nicht so schnell liefern konnten wie geplant, ist, dass bisher nicht genügend Infektionen unter den Teilnehmern aufgetreten sind“, sagte die Pressesprecherin des Tübinger Unternehmens, Sarah Fakih, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Zu den Einschätzungen des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn werden wir öffentlich nicht Stellung nehmen“, fügte Fakih hinzu.
Warum verzögert sich die Zulassung des Curevac-Impfstoffes?
Es gibt jedoch Details zur Datenlage: „Zunächst hatten wir 59 Infektionen, in der aktuellen Zwischenanalyse, die wir der EMA weiterleiten, sind es jetzt 111. Wir sind zuversichtlich, dass wir die benötigten 160 Infektionen unter den knapp 40.000 Probanden in absehbarer Zeit erreichen. Neue Teilnehmer für die Studie müssen wir nicht suchen.“
Infizierte werden benötigt, um herauszufinden, inwieweit Geimpfte mit dem Vakzin in der Testphase weniger betroffen sind als die Teilnehmer in der Placebogruppe – also Probanden, die ein unwirksames Präparat injiziert bekommen. Das Problem ist nun, dass sich zuletzt in den Ländern in Lateinamerika und Europa, in denen Curevac die Studie durchführt, deutlich weniger Menschen ansteckten. Es wird also schwieriger, jetzt Infektionen in der Testgruppe zu dokumentieren.
Mit Zweifeln an der Sicherheit oder Wirksamkeit des Vakzins hat die Verzögerung also nichts zu tun. Der Rückstand auf Konkurrenten wie Biontech kann allerdings nicht alleine mit den aktuellen Problemen erklärt werden. Biontech war offensichtlich fokussierter bei der Entwicklung und Zulassung ihres Impfstoffes als Curevac. Auch hatte Biontech sich mit dem US-Konzern Pfizer sehr früh einen erfahrenen Pharma-Profi als Partner gesichert.
Das Vakzin aus Tübingen kann noch ein Trumpf werden
Dennoch, nach allem, was derzeit bekannt ist, kann das Vakzin aus Tübingen noch ein Trumpf werden. Die Frage ist jedoch, ab wann. Fakih: „Wir hoffen, dass wir die letzten Daten unserer klinischen Studie bis Ende Juni bei der EMA vorlegen können. Wann die europäische Behörde diese dann ausgewertet hat und eine Zulassung vornimmt, ist schwer vorauszusagen.“ Klar ist also, dass eine weitere Verzögerung nicht zu vermeiden ist. Das führte zu Verlusten der Curevac-Aktie. Nach einem Hoch zu Wochenbeginn ging der Kurs in den USA am Dienstag um mehr als zwölf Prozent in die Knie. Gleichzeitig dürften die Probleme bei Curevac die Impfkampagne in einigen EU-Ländern bremsen. Brüssel hat 225 Millionen Dosen bei Curevac bestellt, davon sollte das Gros 2021 und ein Teil 2022 ausgeliefert werden. Das könnte schwierig werden.
Auch Deutschland wird die vertagte Zulassung des Vakzins zu spüren bekommen. Spahn hatte gehofft, dass die Impfungen im Sommer rasch an Dynamik gewinnen würden. Doch im Mai kam die Meldung, dass Biontech im Juni zunächst weniger Dosen liefern werde als zugesagt. Hinzu kommt nun das Warten auf das Curevac-Präparat. Statt fleißig Erst-und Zweitimpfungen parallel zu forcieren, kann jetzt vielerorts nur noch der zweite Impfschuss gesetzt werden.
Wie geht es weiter mit Curevac?
Wie geht es jetzt mit Curevac weiter? Fest steht, dass jeder gute Impfstoff nicht zuletzt mit Blick auf Mutanten auch für Deutschland sehr wertvoll ist. Man halte das Zukunftspotenzial des Vakzins für hoch, sagt Fakih. „Trotz der Verzögerung sind wir sicher, dass wir einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Pandemie leisten können, zumal sie ja in vielen Ländern der Welt mit geringerem Einkommen längst nicht unter Kontrolle ist.“ Es gebe intensive Gespräche mit Covax, der Unicef-Impfkampagne für die ärmsten Länder, um zu klären, wie das Unternehmen seiner Verantwortung gerecht werden könne.
Dafür wäre das Vakzin prädestiniert. Denn das Präparat kann über Monate im Kühlschrank gelagert werden und es kommt mit deutlich weniger Wirkstoff aus als seine Konkurrenten, die auf die mRNA-Technik setzen: Curevac benötigt pro Dosis zwölf, Biontech 30 und Moderna gar 100 Mikrogramm.
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