In den nächsten Tagen ist es wieder soweit. Im Bundestag steht die erneute Entscheidung darüber an, ob in Deutschland vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie weiterhin eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vorliegt oder nicht. Von den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD gibt es bereits Signale, diesen Zustand zum vierten Mal in Folge zu beschließen - einschließlich erheblicher Befugnisse für das Gesundheitsministerium beziehungsweise die Regierung insgesamt. Teile der Opposition hingegen sehen die Sache differenzierter. „Nach aktuellem Stand gibt es keinerlei Grund, die Notstandsrechte des Bundesgesundheitsministers weiter zu verlängern“, sagte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer unserer Redaktion.
Die Ausgangslage ist so nüchtern, wie es Gesetze meistens sind. Nach Paragraf 5 des Infektionsschutzgesetzes liegt eine epidemische Lage von nationaler Tragweite dann vor, „wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht“. Diese besondere Lage kann nur vom Bundestag festgestellt werden. Er tat das zuletzt am 4. März mit Wirkung vom 1. April an. Wird die epidemische Lage nach drei Monaten nicht erneut festgestellt, läuft sie automatisch aus. Es braucht diesmal also eine Entscheidung bis Ende Juni, wenn die Lage weiter bestehen soll. Das Parlament hat zur Entscheidung noch zwei reguläre Sitzungswochen Zeit. Spätestens am 25. Juni müsste die Abstimmung erfolgen.
Braucht Spahn weiterhin mehr Rechte?
Die politische Debatte hingegen ist aufgewühlt. Denn wenn die epidemische Lage weiter gilt, kann die Regierung pandemie-relevante Verordnungen wie die Test- , die Impf- oder die Einreiseverordnung aber auch das Infektionsschutzgesetz ändern, ohne das Parlament zu beteiligen. Insbesondere Gesundheitsminister Jens Spahn hat viele dieser Befugnisse in sein Haus gezogen.
Die FDP im Bundestag hatte zusammen mit anderen Oppositionsparteien bereits bei der Abstimmung Anfang März gegen die aufgrund der epidemischen Lage geltenden Sonderregelungen gestimmt. An dieser Haltung hat sich nichts geändert, wie Theurer betonte. „Im Gegenteil sollte Herr Spahn diese Rechte besser heute als morgen wieder abgeben“, sagte er. Mit der Diskussion über eine weitere Verlängerung lenke die Regierung davon ab, „dass die Bundesnotbremse überflüssig ist wie ein Kropf“, erklärte der Baden-Württemberger mit Blick auf die vom Bund beschlossenen Regelungen, die ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 in Kraft treten.
FDP will mehr Freiheiten
Politiker von Union und SPD haben bereits erklärt, an einer Verlängerung der epidemischen Lage führe kein Weg vorbei. Es gehe unter anderem darum, einen erneuten Anstieg der Fallzahlen zu vermeiden. Dies insbesondere mit Blick auf die sogenannte indische Virusvariante, die als sehr aggressiv gilt. Wie aus Unionskreisen verlautete, ist auch eine weitere Verlängerung bis Ende dieses Jahres denkbar. Der Bundestag kommt in der zweiten Septemberwoche zu mindestens zwei Sondersitzungstagen zusammen und könnte dann entsprechend beschließen.
Theurer hingegen konterte, man sei „inzwischen an dem Punkt, wo man guten Gewissens deutlich mehr Freiheiten einfordern kann“. Die Hochrisikopatienten seien geimpft, Testkonzepte funktionierten, die Intensivstationen leerten sich und die Inzidenz sinke. „Öffnungen für Geimpfte, Genesene und Getestete gehen mit keinem erheblichen Risiko einher“, meinte der FDP-Abgeordnete und forderte, der Staat müsse nun begründen, „warum er weiter einschränkt“. Mit jedem neuen Tag rückten die Maßnahmen weiter an die Unverhältnismäßigkeit. „Und mit jedem Tag wird die Inzidenz als Maßzahl für die epidemische Lage untauglicher.“
Kritik an der Impfversorgung
Die Liberalen wünschen sich mehr Bewegung der Regierung an anderer Stelle. „Die Impfkampagne hinkt weiter deutlich hinter den USA und Großbritannien hinterher“, kritisierte Theurer und forderte ein besseres Impf-Management. „Man muss in einer solchen Situation rechtzeitig in ausreichender Menge bestellen und den Aufbau von Produktionskapazitäten fördern. Unsere Warnungen wurden leider über Monate ignoriert“, erklärte er. Derzeit gebe es „einen fast täglich zunehmenden Rückstau an unverimpften Dosen und gleichzeitig überall Mangel. In der Verteilung sollte also nochmals nachjustiert werden“, sagte der FDP-Fraktionsvize und ergänzte: „Herr Spahn muss dafür sorgen, dass nicht irgendwann genug Impfdosen da sind, sondern jetzt.“
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