Klare Kante Kanzler. Drei Worte, die Friedrich Merz beschreiben sollen. Drei Worte, mit denen er sich selbst gern beschreibt. Die Botschaft ist bestimmt für das ganze Land, für über 80 Millionen Menschen, doch glauben müssen sie zunächst 1000 und ein Mitglied der CDU. Sie sind die Delegierten, die am nächsten Samstag über den neuen Vorsitzenden ihrer Partei abstimmen werden. Der nächste Vorsitzende hat die besten Chancen, der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.
Friedrich Merz greift nach dem Erbe Angela Merkels, obwohl er sich vor über zehn Jahren aus dem Bundestag zurückgezogen hat. Er greift danach, obwohl er 2018 schon einmal gescheitert ist, den CDU-Vorsitz zu übernehmen. Er unterlag Annegret Kramp-Karrenbauer, die Merkel als Thronprinzessin eingesetzt hatte. Er greift danach, obwohl ihn Merkel nicht leiden kann. Doch ihre Thronfolgerin AKK ging unter und für Merz ergab sich eine zweite Chance, von außen ins Zentrum der Macht vorzustoßen.
So ungewöhnlich dieses Projekt auch ist, die Chancen des 65-Jährigen stehen nicht schlecht. Denn er kann die CDU mit sich selbst versöhnen. Die Partei hat Angela Merkel zwar anderthalb Jahrzehnte an der Macht zu verdanken, sie zahlte dafür den Preis der inneren Entfremdung. Merkel machte SPD-Politik und nannte es Politik der Mitte. Die Einführung des Mindestlohns, die Aufnahme von einer Million Flüchtlingen, das Ende der Wehrpflicht, die Homo-Ehe, der überhastete Ausstieg aus der Kernenergie – für eine konservative CDU die reinsten Zumutungen.
Friedrich Merz ist das personifizierte Wohlfühlprogramm der CDU
Friedrich Merz ist das personifizierte Gegenprogramm, mithin ein Wohlfühlprogramm für eine Partei der Älteren. Das durchschnittliche CDU-Mitglied ist ein Mann von 60 Jahren aus einer kleinen Stadt oder einem Dorf aus Westdeutschland. Die fundamentalen Weichenstellungen Merkels kann Merz nicht zurückdrehen, aber wie ein Masseur bearbeitet er die Schmerzpunkte, die die Frau aus dem Osten hinterlassen hat.
Punkt 1 – die Wirtschaft. In den vergangenen Jahren erkannten die Unternehmer ihre CDU nicht mehr wieder. Den Wirtschaftspolitikern in ihren Reihen gelang es mit großer Mühe, die aus ihrer Sicht schlimmsten Auswüchse der Sozen zu verhindern. Aber Steuersenkungen und günstigere Energiepreise konnten sie nicht durchsetzen. Den Soli müssen die Unternehmer weiter bezahlen. Merkels Vertrauter Peter Altmaier wollte der neue Ludwig Erhard werden, verscherzte es sich aber mit dem Mittelstand.
Geht es nach der Wirtschaft, würde Friedrich Merz neuer CDU-Chef
Merz hat leichtes Spiel, auf dieser Brache fliegen ihm die Herzen zu. Er ist Vize des CDU-Wirtschaftsrates, einer parteinahen Vereinigung von Unternehmern. Wirtschaftsgrößen wie der Mittelständler Martin Herrenknecht, der riesige Tunnelbohrmaschinen baut, sprechen sich für ihn aus. Merz ist natürlich der Favorit der Mittelstandsunion innerhalb der CDU. Dass er als Lobbyist der Finanzindustrie zum Millionär wurde, ist in diesen Kreisen eher Auszeichnung denn Makel.
Punkt 2 – die Gesellschaftspolitik. Die Themen Flüchtlinge und innere Sicherheit stehen in Zeiten des um sich greifenden Corona-Virus nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Doch sie werden zurückkehren, wenn das Virus besiegt ist. Merz macht der CDU das Angebot, die Rolle des schwarzen Sheriffs wieder zu besetzen. Er steht für eine Begrenzung der Zuwanderung und eine härtere Gangart gegen arabische Clans. Die AfD, so hat er versprochen, will er damit halbieren.
Im Osten Deutschlands, wo die CDU noch ländlicher und älter ist als im Westen, kommt dieser Kurs gut an. Bevor Corona Auftritte vor hunderten Gästen unmöglich machte, war Merz der Starredner bei CDU-Veranstaltungen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Mitglieder glühten vor Freude, wenn Merz in den Sälen in Ballenstedt, Apolda oder Hartmannsdorf zu ihnen sprach. Viel westdeutscher als der Mann aus dem Sauerland kann man eigentlich nicht sein, doch die Ossis in der CDU lieben Merz und weniger Mutti Merkel aus der Uckermark.
Punkt 3 – die Rolle des Staates. Merz will als Sheriff einen starken Staat, wenn es gegen das Verbrechen geht. Als Liberaler will er aber auch, dass der Staat nicht übergriffig wird. Er fürchtet, dass die jetzige Machtfülle nach der Pandemie nicht wieder gestutzt wird. „Es geht den Staats nichts an, wie ich Weihnachten feiere“, kommentierte er die Kontaktbeschränkungen. Corona-Geimpfte sollen mehr Freiheitsrechte zurückbekommen. Ihn sorgt auch, dass der Staat die Verschuldung um Milliarden und Abermilliarden beibehält und weiter munter ins Wirtschaftsleben eingreift. Merz plädiert für eine baldige Rückkehr zur schwarzen Null, also einer Politik ohne neue Schulden. Für die Konservativen in der CDU ist das auskömmliche Wirtschaften ein wichtiges Symbol.
Bei einem Stimmungstest liegt Friedrich Merz vor Armin Laschet
Ob sich das Therapieangebot für die Seele der CDU bei den Delegierten auszahlt, ist offen. Von den 1001 Männern und Frauen, die am Wochenende virtuell entscheiden werden, kommen nur rund 100 aus Ostdeutschland. Am stärksten vertreten sind Nordrhein-Westfalen mit einem Drittel der Delegierten und Baden-Württemberg mit 150.
Das deutsche Debattenmagazin The European hat sich in den Landesverbänden umgehört. Demnach stehen hinter Merz nicht nur weitgehend die ostdeutschen Vertreter, sondern auch Mehrheiten in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg. Hinzu kommen Mittelständler, Wertkonservative und die Delegierten Junge Union aus dem ganzen Bundesgebiet. NRW ist gespalten.
Laut European kann Merz bislang auf 380 Stimmen zählen, sein Konkurrent Armin Laschet kommt auf 260, Norbert Röttgen auf 60. Unentschieden seien 300 Delegierte. Anders als sein Hauptgegner Laschet, der sich als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen um geschlossene Schulen und eine stockende Massenimpfung kümmern muss, hat Merz viel Zeit, zum Telefonhörer zu greifen und persönlich für sich zu werben. Ein Therapeut muss zuhören und viel reden.
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