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CDU-Parteitag: Nur noch Applaus für Merkel

CDU-Parteitag

Nur noch Applaus für Merkel

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    Merkel gewann mit einer kämpferischen Rede auf dem Parteitag der CDU ihre Parteifreunde für sich.
    Merkel gewann mit einer kämpferischen Rede auf dem Parteitag der CDU ihre Parteifreunde für sich. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Am Ende ist alles wie immer. Die Frau, die ihre Partei so verunsichert hat, wird von ihrer Partei gefeiert, als habe sie soeben ihre vierte Bundestagswahl gewonnen. Weit über eine Stunde hat Angela Merkel der CDU zuvor erklärt, wie sie die Welt sieht, doch kaum ist der Beifall abgeklungen, eilen die meisten Delegierten des Parteitages auch schon aus dem Saal in die Mittagspause. Die anschließende Aussprache über ihren Kurs in der Flüchtlingskrise, im Vorfeld schon zur Kraftprobe zwischen der Kanzlerin und ihrer Partei hochgeredet, findet vor halb leeren Rängen statt. Gegen eine Regierungschefin, die sich selbst in eine historische Reihe mit Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Helmut Kohl stellt, kommt auch der aufmüpfigste Christdemokrat nicht an.

    CDU setzt auf Harmonie und Verständnis

    „Ja, diese Aufgabe ist riesig“, räumt die CDU-Chefin ein – und holt ganz weit aus, um ihre Philosophie des „Wir schaffen das“ zu verteidigen. „Es gehört zur Identität unseres Landes, Größtes zu leisten“, sagt sie einmal. Erhard, der Architekt des Wirtschaftswunders, habe schließlich nicht „Wohlstand für fast alle“ versprochen, sondern „Wohlstand für alle“. Kohl habe nicht nur einigen Regionen, sondern ganz Ostdeutschland blühende Landschaften versprochen. Und Adenauer erst, den sie gleich mehrfach zitiert: Der habe sich in einer Zeit zur Freiheit und den Werten des Westens bekannt, als Stalin noch lebte und die DDR in Berlin gerade mit dem Bau der Mauer begann. Soll sie da jetzt kneifen, soll das im Umkehrschluss wohl heißen? Oder, in Angela Merkels Worten: „Abschottung im 21. Jahrhundert ist keine vernünftige Option.“ Deutschland müsse ein weltoffenes und vielfältiges Land bleiben. „Niemand verlässt leichtfertig seine Heimat.“

    Seit der Spendenaffäre Ende der neunziger Jahre hat kein Thema die CDU mehr so aufgewühlt wie die Flüchtlingskrise, die Finanzminister Wolfgang Schäuble provozierend als „Lawine“ beschrieben hat und die das Betriebsklima zwischen CDU und CSU noch immer empfindlich stört. Schon am Vorabend des Treffens jedoch ist klar, dass dieser 28. Ordentliche Bundesparteitag alles werden wird, nur keine Generalabrechnung einer skeptischen Basis mit der Politik der offenen Grenzen, die Angela Merkel partout nicht aufgeben will. Horst Seehofer nörgelt von München aus zwar noch ein wenig – in der Schwesterpartei aber herrscht in Karlsruhe schon wieder vorweihnachtlicher Friede.

    Der erwartete, vielleicht von einigen erhoffte, Krach blieb aus

    „Wir sind entschlossen, den Zuzug von Asylbewerbern und Flüchtlingen durch wirksame Maßnahmen spürbar zu verringern“, heißt es in einem Papier des Bundesvorstandes, das die Delegierten am späten Nachmittag mit großer Mehrheit verabschieden – ein kleines Zugeständnis an die Kritiker in der Partei, die eine Obergrenze für die Aufnahme von Menschen verlangen, und deren Widerstand nun wie auf Knopfdruck erlahmt. Die Junge Union hat einen Antrag, der die Einführung eben jener Obergrenze fordert, noch am Sonntagabend zurückgezogen – und auch beim Treffen der baden-württembergischen Delegierten wird für den Morgen danach eine klare Devise ausgegeben: Man dürfe, sagt einer, der dabei war, jetzt doch die eigene Kanzlerin nicht beschädigen.

    So fällt die Revolution, die keine sein soll, früh in sich zusammen. Schon als Angela Merkel ans Rednerpult tritt, begleitet sie wohlwollender Beifall. Anders als SPD-Chef Sigmar Gabriel, den seine Genossen am Freitag regelrecht abgewatscht haben, hat sie von ihrer Partei nichts zu befürchten. „Danke, danke, aber wir haben noch zu arbeiten“, sagt sie nach ihrem Auftritt in den abklingenden Applaus hinein – mit dem überlegenen Lächeln einer Frau auf den Lippen, die sich durchgesetzt hat. Wieder einmal. Bei der SPD entwickeln Parteitage gelegentlich eine gefährliche Eigendynamik, bei der Union dagegen verliert auch der erbittertste Streit gerade noch rechtzeitig an Schwung. Eine junge Delegierte hält sogar die Titelseite des amerikanischen Time-Magazins in die Kameras, dessen Redaktion Angela Merkel vor kurzem zur Person des Jahres gewählt hat. Der Krach, den viele befürchtet und einige sich vielleicht sogar gewünscht haben, bleibt aus in Karlsruhe.

    Verhalten der CDU ist ein klares Bekenntnis zu Angela Merkel

    Unter normalen Umständen sind die jährlichen Konvente der CDU in etwa so aufregend wie das Wort zum Sonntag in der ARD – und auch unter so besonderen Umständen wie im Moment bringt die Partei offenbar so leicht nichts aus dem Tritt. „Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung“, sagt Angela Merkel zu den 1000 Delegierten. Für eine Frau, von der es gerade noch hieß, sie stehe wie isoliert da in Europa und ihre Macht beginne zu erodieren, huldigt ihr das Parteivolk jedenfalls bemerkenswert lang. Genauer gesagt: Neun Minuten lang. Im Stehen. Ist das alles nur Fassade – oder ist die CDU nun wieder mit sich und ihrer Vorsitzenden im Reinen? „Was hier passiert ist, war keine Inszenierung“, versichert der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, ein strammer Konservativer. „Das war ein klares Bekenntnis zu unserer Bundeskanzlerin.“

    Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, Thomas de Maizière: „Sie rackern für unser Land“, lobt Guido Wolf, der Spitzenkandidat der Südwest-CDU für die Landtagswahl im März, schon zu Beginn in seinem Grußwort – und gibt damit früh die Tonlage des Parteitages vor. Ja, man dürfe die Menschen in den Kommunen jetzt nicht überfordern. „Aber wenn wir diese Krise meistern wollen, dann geht das nur mit einer starken Kanzlerin.“

    Selbst der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff, der noch am Wochenende eine Obergrenze gefordert hat, klingt plötzlich wie weichgespült. „Es gibt Integrationsgrenzen“, sagt er nur vage. Wo die verlaufen sollen, sagt er nicht. Der Sachse Arnold Vaatz, der im Bundesvorstand als Einziger gegen das Kompromisspapier der Parteispitze gestimmt hat, ist einer der wenigen, der seinen Zweifeln Luft macht: „Solange noch jeden Tag 3000 Menschen kommen, ist die Frage berechtigt, ob es so noch weitergehen kann.“ Und längst nicht alle, die jetzt nach Deutschland kämen, sekundiert ein Delegierter aus Baden-Württemberg, flöhen vor Bombenhagel, Mord und Totschlag. „Das hat mir bei Ihnen gefehlt, Frau Dr. Merkel.“

    Es ist eine für ihre Verhältnisse ungewöhnlich emotionale Rede, die Angela Merkel da hält, eine ihrer besseren zweifelsohne – aber auch eine ziemlich kompromisslose. Auf die Ängste vor Überfremdung und Überforderung und die vielen praktischen Probleme, die auch den Bürgermeistern und Landräten ihrer Partei zu schaffen machen, geht sie nur in Andeutungen, in Halbsätzen oder in rhetorischen Fragen ein. Was wird sich verändern in Deutschland? Wie viel Veränderung wollen wir? Wann wird Veränderung zur Belastung? „Wir sehen, was Globalisierung auch sein kann“, sagt sie – und dass sie sich von einem Gründungsimpuls der CDU leiten lasse, dem C im Parteinamen, zu dem auch „die von Gott geschenkte Würde jedes einzelnen Menschen“ gehöre. Schließlich kämen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan keine Menschenmassen ins Land. „Es kommen einzelne Menschen.“

    Für Merkel geht es weiter, immer weiter

    Was sich hinter den „wirksamen Maßnahmen“ verbirgt, mit denen die CDU den Zuzug nach Deutschland „spürbar begrenzen“ will, bleibt unklar in Karlsruhe. Ja, EU-Europa habe bisher noch kein Rezept gefunden, seine Außengrenzen zu schützen, räumt die Kanzlerin ein – und verteidigt ihre Entscheidung, den Flüchtlingen aus Ungarn Anfang September die Tore nach Deutschland zu öffnen als „humanitären Imperativ“. Sie spricht von einer historischen Bewährungsprobe, vor der der ganze Kontinent stehe, und von den vielen Maßnahmen, die die Bundesregierung schon beschlossen habe, um den Strom der Flüchtlinge zu bremsen. Einmal zitiert sie, die Physikerin, sogar den großen Albert Einstein, der das Leben einst mit einem Fahrrad verglichen hat: „Man muss sich vorwärts bewegen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.“ Das ist dann, wenn man so will, der Merkel’sche Imperativ: Weiter, immer weiter.

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