Führerlos ist die CDU gerade nicht, sie hat immerhin einen amtierenden Vorstand, einen gewählten Vorsitzenden und einen Generalsekretär. Die Frage seit Montag ist nur: Wie lange noch? Der Bundesvorstand hat nämlich beschlossen, dass er beim nächsten Parteitag komplett zurücktreten wird, um den Weg für einen Neustart freizumachen. Eine Station auf der CDU-Reise in die Zukunft wäre damit also festgelegt. Offen ist nur, wann sie erreicht wird. Denn einen Termin für ihren Parteitag, den müssen die Christdemokraten erst noch festlegen. Vor dem Hintergrund der angespannten Lage in der Partei hört sich das alles sehr nach Bummelzug an, dabei müsste die CDU eher mehr Dampf machen. Im März und Mai stehen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen wichtige Landtagswahlen an, die eine funktionierende Bundespartei erfordern.
Der Zug nimmt auch deshalb gerade nicht Fahrt auf, weil von zwei Seiten an ihm gezogen wird. Die einen, Bundestagspräsident und CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble etwa, wollen in die alte Richtung weiterreisen. Der Vorsitzende wird von einem Parteitag gewählt, lautet ihre Forderung. So sei das schon immer gewesen und so sei es heute noch richtig.
Kommt die Mitgliederbefragung bei der CDU?
Die anderen nehmen für sich in Anspruch, auf neuen Schienen unterwegs zu sein. Sie wollen den Vorsitzenden per Mitgliederbefragung ermitteln. Die Statuten der CDU geben eine solche Mitgliederbefragung durchaus her. Das Ergebnis hätte aber nur empfehlenden, keinen bindenden Charakter. Am Ende müsste wie gehabt ein Parteitag über den Vorsitzenden oder die Vorsitzende abstimmen. Es sei denn, die Statuten werden geändert.
Zum künftigen Verfahren gebe es „viele Vorschläge, die dazu jetzt im Raum stehen“, erklärte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nach einer mehrstündigen Sitzung der Parteispitze. Die Mitgliederbeteiligung in inhaltlichen Fragen, aber auch in Personalangelegenheiten, sei eine davon. „Es gibt darüber hinaus viele unterschiedliche Vorstellungen, wie die Basis mehr mit eingebunden werden kann“, sagte Ziemiak. Darüber solle am 30. Oktober bei einem Treffen der Kreisvorsitzenden diskutiert werden. „Und im Lichte dieser Diskussion wollen wir am 2. November zusammenkommen und eine Entscheidung treffen“, erklärte der CDU-Generalsekretär. Dann sollen Präsidium und Parteivorstand darüber befinden, ob es die Mitgliederbeteiligung geben wird, und wenn ja, wie sie konkret aussehen soll. „Und im Lichte dieser Entscheidung soll dann auch festgelegt werden, wann der Bundesparteitag zusammenkommt“, fuhr Ziemiak fort.
Kann sich Ziemiak halten?
Im Schatten dieser Ereignisse könnte auch Ziemiak seinen Job als Generalsekretär loswerden. Der 36-Jährige kündigte eine „brutal offene“ Fehleranalyse an, die auch ihn einbeziehe. Es müsse alles auf den Tisch, was im Wahlkampf nicht gut funktioniert habe. „Da darf es keine Ausnahmen geben.“ Ziemiak war als Wahlkampfmanager für die öffentlichen Auftritte des Parteivorsitzenden Armin Laschet zuständig. Es gibt einige in der CDU, die ihm handwerkliche Fehler unter anderem bei der Plakatierung und der Auswahl der Veranstaltungsorte vorwerfen.
Ziemiak machte gleichzeitig deutlich, dass für die CDU bei der Regierungsbildung der Zug noch nicht abgefahren ist. Seine Partei beobachte die laufenden Sondierungsgespräche von SPD, Grünen und FDP „sehr genau“, das Angebot auf Bildung einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP bleibe bestehen. Sollte dieser derzeit eher unwahrscheinliche Fall tatsächlich eintreten, könnte der alte Parteivorsitzende auch der neue sein. Ziemiak erweckte zwar den Eindruck, als stehe der Entschluss von Armin Laschet zum Rückzug bereits fest. Doch der hat sich noch nicht festgelegt. Womit die nächste Störung im CDU-Betrieb schon definiert ist.
Wer wird neuer CDU-Chef?
Denn die Frage, wer in Zukunft im Führerhäuschen Platz nimmt, ist überhaupt noch nicht geklärt. Laschet und einige andere wünschen sich eine Teamlösung. Mögliche Bewerber wie Carsten Linnemann, Friedrich Merz, Jens Spahn oder Norbert Röttgen sollen also vor der Neuwahl unter sich ausmachen, wer Chef wird und welchen Posten die jeweils anderen als Ausgleich bekommen. Das allerdings ging schon bei der Nachfolge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gehörig daneben, Kampfkandidaturen konnten nicht vermieden werden. „Am Ende kann jeder kandidieren, der die formalen Voraussetzungen erfüllt“, brachte es Ziemiak auf den Punkt.
Man hätte am Montag gerne noch mehr von Laschet persönlich zu dem Thema erfahren. Entgegen aller Erwartungen überließ dieser aber Ziemiak die Pressekonferenz und ließ sich nicht blicken. Es ist nicht unüblich, dass sich nach Gremiensitzungen der Partei allein der Generalsekretär der Presse stellt. In dieser Phase aber, in der Öffentlichkeit wie Mitglieder gebannt auf klare Durchsagen warten, wird schon als Ausbleiben einer solchen als Signal gewertet. In diesem Fall als ein schlechtes.