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Bundestagswahl: Olaf Scholz soll Kanzlerkandidat der SPD werden

Bundestagswahl

Olaf Scholz soll Kanzlerkandidat der SPD werden

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    Bundesfinanzminister Olaf Scholz soll Kanzlerkandidat der SPD werden.
    Bundesfinanzminister Olaf Scholz soll Kanzlerkandidat der SPD werden. Foto: Annegret Hilse, dpa (Archivbild)

    Kaum ein Dreivierteljahr nach seiner größten politischen Niederlage ist Olaf Scholz wieder obenauf. Und ausgerechnet die beiden Genossen, die ihm diese Schmach beigebracht haben, sind es, die seine Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD für die Bundestagswahl im kommenden Jahr verkünden: Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Am Montagnachmittag nehmen sie im Gasometer in Berlin ihren einstigen Widersacher demonstrativ in die Mitte. Minutenlang darf der Bundesfinanzminister gar nichts sagen. Die Parteichefs, denen die Entscheidung für den 62-Jährigen nicht leichtgefallen sein dürfte, sprechen für ihn. „Olaf Scholz genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung, aber auch in der Partei“, sagt Walter-Borjans. Esken fügt an: „Scholz kann und will für eine sozialdemokratische Politik kämpfen.“ Erst dann darf Scholz selbst ankündigen, dass er die Große Koalition nach der Bundestagswahl beenden und mit der SPD eine Mitte-Links-Regierung anführen will: „Ich freue mich über die Nominierung und ich will gewinnen.“

    Die Geschichte dieses kaum für möglich gehaltenen Comebacks beginnt im Dezember des vergangenen Jahres. Nach einem monatelangen Auswahlprozess entscheiden sich die Parteimitglieder für Esken und Walter-Borjans, das Duo aus dem linken Parteispektrum. Scholz hat mit seiner Tandempartnerin Klara Geywitz das Nachsehen. Der Bundesfinanzminister, sagen Vertraute, ist in den Tagen und Wochen nach dem Wahldebakel am Boden, trägt sich ernsthaft mit dem Gedanken, alles hinzuwerfen. Doch über die Weihnachtsferien fasst er neuen Mut. Als er im Januar ins Finanzministerium in der Wilhelmstraße zurückkehrt, erleben ihn seine Mitarbeiter als Chef, der auftritt, als wäre nichts gewesen. Als hätte es die schmerzliche Niederlage nie gegeben, regiert der gebürtige Osnabrücker einfach weiter. Es scheint, als habe er sich endgültig damit abgefunden, dass er in der Bevölkerung eben weit beliebter ist als in der eigenen Partei.

    SPD: Linksruck findet wenig Zustimmung

    In der hat unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert von Anfang an gegen die Beteiligung an einer weiteren Großen Koalition mit der Union gestänkert. Seine Wahlempfehlung für Esken und Walter-Borjans dürfte mit den Ausschlag für das Scheitern von Scholz bei der Vorsitzendenwahl gegeben haben. Zeitweise heißt es, dass zwischen den neuen Vorsitzenden, den SPD-Ministern im Bundeskabinett und der Fraktion im Bundestag Funkstille herrscht. Scholz selbst hält sich mit der Bewertung der Arbeit der neuen Chefs im Willy-Brandt-Haus zurück. Doch aus seinem Umfeld kommen in dieser Zeit süffisante Spitzen, wenn etwa Saskia Esken per Twitter wieder linke Wunschträume formuliert. Eisern verweigert sich Scholz den Forderungen aus seiner SPD, endlich die „Schwarze Null“ aufzugeben, um mit neuen Schulden soziale Wohltaten zu finanzieren. Schnell stellt sich heraus, dass der Linksruck der Partei in der Bevölkerung wenig Zustimmung findet.

    Die SPD verharrt bei Umfragewerten um die 15 Prozent. Das ist noch deutlich schlechter als die historisch niedrigen 20,5 Prozent, die die SPD 2017 mit dem glücklosen Martin Schulz als Kanzlerkandidaten holte. Scholz dagegen landet regelmäßig in der Spitzengruppe der beliebtesten Politiker. Als im Frühjahr deutlich wird, mit welcher Wucht die Corona-Pandemie die deutsche Wirtschaft trifft, fährt Scholz, der studierte Jurist, große Geschütze auf. Mit der sprichwörtlichen „Bazooka“ will er auf die Krisenfolgen schießen. Milliardenschwere Konjunkturpakete werden geschnürt, nie für möglich gehaltene Investitionsprogramme aufgelegt, die „Wumms“ machen sollen. Scholz, der schon als Hamburger Bürgermeister in der Verantwortung stand, präsentiert sich als schlauer Kassenwart, der gegen das Virus anprassen kann, eben weil er zuvor so sparsam war. Er gewinnt dadurch immer weiter an Popularität. Die SPD dagegen bleibt im Umfrage-Keller. Dabei heißt es doch, dass Krisen die Stunden der Regierung seien und die SPD regiert schließlich seit Jahren mit. Doch nur die Zustimmungswerte der Union steigen, und das sogar massiv. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) können sich als Krisenmanager profilieren.

    Corona-Krise bietet SPD Chance

    Das politische Klima im Land ändert sich drastisch, was auch die Grünen zu spüren bekommen, die in den Umfragen die SPD zwischenzeitlich weit hinter sich gelassen hatten. Bei der SPD nähern sich ab dem Frühjahr die unterschiedlichen Lager immer weiter an. Weitgehend geräuschlos zunächst, setzt sich auch im Willy-Brandt-Haus die Erkenntnis durch, dass mit Olaf Scholz als Kanzlerkandidat die Chancen auf ein respektables Wahlergebnis im kommenden Jahr am größten sind.

    Ausgerechnet die Corona-Krise bietet den sich zeitweise unversöhnlich gegenüberstehenden Parteilagern die Chance, ohne Gesichtsverlust aufeinander zuzugehen. Auf der linken Seite verstummen die Rufe nach einem Ausstieg aus der GroKo, plötzlich werden SPD-Erfolge wie die kürzlich beschlossene Grundrente auch offensiv gefeiert. Scholz kann mit Verweis auf die Pandemie sämtliche Ausgabenzurückhaltung über Bord werfen. Die Schwarze Null ist Geschichte, für zahlreiche Hilfsmaßnahmen für von der Krise gebeutelte Bevölkerungsgruppen ist Geld da. Es fällt auf, wie wohlwollend sich nun Kevin Kühnert über Scholz äußert. Der einflussreiche Noch-Juso-Chef, einst erbitterter GroKo-Gegner, will selbst in den Bundestag, was am ehesten mit Scholz als Zugpferd gelingen kann.

    Mitten im Corona-Sommer einigt sich schließlich ein Grüppchen hochrangiger SPD-Funktionäre auf Scholz als Kanzlerkandidaten. Andere erfolgversprechende Bewerber gibt es kaum. Die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, stehen aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Verfügung. Niedersachsens populärer Ministerpräsident Stephan Weil will nicht. So muss Scholz die Kohlen aus dem Feuer holen. Eine Überraschung ist das nicht, nur die Bekanntgabe kommt früher als erwartet. Dass die Geheimhaltung über Wochen gelungen ist, wertet Scholz als Beleg für die neue Geschlossenheit der Partei. Allzu weit her ist es mit der allerdings nicht. Im Gespräch mit unserer Redaktion kritisiert SPD-Parteilinke Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21: „Ich sehe keine großen Schnittmengen zwischen dem Kandidaten Olaf Scholz und der inhaltlichen Erneuerung, für die die neuen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans stehen.“ Kandidat und Programm müssten zusammenpassen, findet sie: „Überzeugend wäre gewesen, jetzt auch beim Personal Mut zu zeigen.“

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