Lange Zeit ging die Erzählung so: Wenn Armin Laschet CDU-Chef wird, lehnt sich Markus Söder erst mal zurück und schlürft entspannt seinen Kaffe aus einer der Superhelden-Tassen, die sich in der Münchner Staatskanzlei angesammelt haben. Denn dann, so die Theorie, sei der Weg für den Bayern zur Kanzlerkandidatur frei. Ganz anders als der egozentrische Friedrich Merz würde sich Laschet dem CSU-Chef nicht mit aller Macht entgegenstellen. Es ist immer noch gut möglich, dass sich die Geschichte genau so abspielen wird. Möglich ist aber auch, dass Armin Laschet – mal wieder – unterschätzt wird. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident will jetzt auch Bundeskanzler werden. Um das zu schaffen, braucht er allerdings Unterstützung. Auf diese Leute wird es im Machtpoker der kommenden Monate ankommen:
Angela Merkel: Es ist nicht so lange her, da wollten CDU-Wahlkämpfer nur ungern mit der Kanzlerin gesehen werden. Doch auf der Zielgeraden ihrer Ära ist Angela Merkel populär wie selten zuvor. Obwohl ihr Image als Krisenmanagerin im Streit um fehlenden Corona-Impfstoff zuletzt Schrammen abbekommen hat, werden die starken Umfrage-Ergebnisse der Union vor allem ihr zugeschrieben. Im Kampf um den CDU-Vorsitz hatte sich Merkel etwas verklausuliert für ein „Team“ an der Spitze ausgesprochen – und damit Laschet gemeint, der ja im Doppelpack mit Gesundheitsminister Jens Spahn angetreten war. Doch nach der Wahl machte die langjährige Parteichefin schnell wieder klar, dass die Musik auch weiterhin im Kanzleramt spielen wird und nicht im Konrad-Adenauer-Haus. Für Laschet wird es nun darauf ankommen, sich neben der Regierungschefin und nicht gegen sie zu profilieren. Im Wahlkampf wäre er schließlich dringend auf ihre Unterstützung angewiesen. Mag sein, dass Merkel das konservative Lager verprellt hat. Doch es haben eben auch viele Menschen der Union ihre Stimme gerade wegen Merkel gegeben. Diese Wähler braucht Laschet für ein starkes Ergebnis bei der Bundestagswahl im September.
Nathanael Liminski: Den Namen dürften selbst Politik-Junkies in diesen Wochen zum ersten Mal hören – zumindest, wenn sie nicht in Nordrhein-Westfalen leben. Wenn sich der Begriff „graue Eminenz“ nicht so sehr mit seinem Alter beißen würde, könnte man den 35-Jährigen genau so bezeichnen. Der Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf ist der strategische Kopf hinter dem Ministerpräsidenten. Einer, der lieber in der zweiten Reihe bleibt und dort sehr effizient kleine Feuer austritt, bevor sie gefährlich werden. Der Netzwerke knüpft – auch nach Berlin, wo dem Landespolitiker Laschet noch die Hausmacht fehlt. Während seinem Chef lange nachgesagt wurde, ihm fehle der unbedingte Wille zur Macht, bastelt Liminski unablässig an dessen Karriere. In noch jüngeren Jahren war der Einser-Abiturient und Reden-Schreiber des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch vor allem durch streng konservative Positionen aufgefallen. Auf den ersten Blick passt das nicht besonders gut zu Laschet, der Merkels Mitte-Kurs fortsetzen will. Doch bei genauerem Hinsehen kann sich das sogar als Vorteil erweisen, um die viel zitierten enttäuschten Konservativen bei der Stange zu halten.
Friedrich Merz: Zu den Enttäuschten gehört auch der Mann, der als ewig uneingelöstes Versprechen in die Geschichte der Union eingehen wird. Friedrich Merz hat in einem früheren Leben gegen Angela Merkel den Kürzeren gezogen, war später mit seinen Comeback-Versuchen erst an Annegret Kramp-Karrenbauer und dann an Armin Laschet gescheitert. Und doch vertritt er noch immer einen nicht unwesentlichen Teil der Partei. Die konservativen und wirtschaftsliberalen Kräfte in der CDU hören auf sein Wort. Um sie einzubinden, braucht Laschet seinen Rivalen. Und obwohl Merz das Gegenteil eines Teamplayers ist, scheint sogar er inzwischen zu realisieren, dass er nicht in der Position ist, Machtansprüche zu stellen. Sollte er sich tatsächlich einreihen wollen und Laschet glaubwürdig unterstützen, könnte er dazu beitragen, die Gräben innerhalb der CDU zuzuschütten – und vielleicht springt dann am Ende ja doch noch ein Ministerposten für ihn heraus.
Norbert Röttgen: Laschets zweiter Kontrahent im Rennen um den CDU-Vorsitz tut sich mit der Rolle als Mannschaftsspieler wesentlich leichter. Röttgen hat immer wieder betont, dass er zu keinem Lager gehört – und bekannte sich noch auf der großen Bühne des Parteitags zum „Team Laschet“. Ganz so einfach ist die Sache dann aber auch wieder nicht. Hinter den Kulissen machte Röttgen auch knallhart deutlich, dass er für diese Unterstützung seinen Anteil an der Macht haben will. Auf einen Platz im Parteipräsidium wollte er jedenfalls nicht verzichten. Der 55-Jährige hatte im Wahlkampf vor allem jüngere Parteimitglieder und Frauen begeistert, die sich seiner „Röttgang“ anschlossen. Dieses Potenzial an Anhängern, die sich eine modernere CDU wünschen, darf Laschet im Bundestagswahlkampf nicht verschenken. Röttgen dürfte aber so froh sein, wieder ganz vorne mitspielen zu dürfen, dass er hier als verlässlicher Mitstreiter gilt.
Susanne Eisenmann: Die Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahl in Baden-Württemberg könnte zum ersten echten Problem des neuen Parteichefs werden. Im März tritt sie gegen den populären grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann an – und gibt bislang keine besonders gute Figur ab. Eine etwas kuriose Wahlkampagne mit Botschaften wie „Ich bin die Nanni“ oder „Wollen wir nicht alle beschützt werden?“ sorgt für Häme. Aktuell fungiert die CDU, die in Baden-Württemberg jahrzehntelang wie selbstverständlich die Ministerpräsidenten gestellt hatte, nur noch als Juniorpartner der Grünen. Sollte sie bei der Landtagswahl noch weiter an Boden verlieren oder aus der Regierung fliegen, könnte das auch dem neuen Bundesvorsitzenden den Start verhageln und seine Position schwächen, wenn CDU und CSU im April ihren gemeinsamen Kanzlerkandidaten küren.
Markus Söder: Und hier schließt sich also der Kreis. Zweimal hat die CSU bislang den Kanzlerkandidaten der Union gestellt. Weder Franz Josef Strauß noch Edmund Stoiber schafften es allerdings bis ganz nach oben. Das könnte den Ehrgeiz des bayerischen Ministerpräsidenten wecken, der sich ja durchaus als Erbe dieser beiden Vorgänger sieht. Ob sich Markus Söder wirklich traut oder nur genießt, dass man es ihm zutraut, ist eine der Fragen, auf die momentan in München und Berlin wohl die meisten Wetten abgeschlossen werden. Fakt ist: An der CSU vorbei wird es keinen gemeinsamen Kanzlerkandidaten geben. Also werden sich die Herren Laschet und Söder, die sich durchaus schätzen, eines Tages im Frühjahr unter vier Augen unterhalten müssen. Dass der Rheinländer dem Franken dann einfach so das Feld überlässt, gilt inzwischen als ausgeschlossen. Doch was passiert, wenn Söder in den Umfragen, wen sich die Deutschen als Kanzler wünschen, dann immer noch so deutlich vor Laschet liegt? Dann kann es gut sein, dass der bayerische Ministerpräsident seine Superhelden-Tassen Ende des Jahres in Umzugskartons packt und an jene Adresse schickt, die Laschet eigentlich schon in sein politisches Navigationsgerät eingegeben hat: Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin.
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