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Bundestag: Die 100-Milliarden-Euro-Frage

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Die 100-Milliarden-Euro-Frage

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    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich gestern im Bundestag nicht zu Wort – sie schickte ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ans Rednerpult, der sich für den Beschluss zur Spanien-Hilfe in einer „Ausnahmesituation“ ins Zeug legte.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meldete sich gestern im Bundestag nicht zu Wort – sie schickte ihren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ans Rednerpult, der sich für den Beschluss zur Spanien-Hilfe in einer „Ausnahmesituation“ ins Zeug legte. Foto: Maurizio Gambarini, dpa

    Berlin „Es ist eine Ausnahmesituation.“ Wolfgang Schäuble weiß, dass er die Geduld seiner Abgeordnetenkollegen nicht mehr allzu sehr strapazieren darf. An den Milliardenhilfen für Spanien aber, denen der Bundestag an diesem Nachmittag seinen Segen geben wird, führt für den Finanzminister gleichwohl kein Weg vorbei. Ohne sie, sagt er, den Blick fordernd in den Raum gerichtet, „ist die Stabilität der gesamten Euro-Zone gefährdet“. Nach dieser Logik muss schon der Anschein vermieden werden,

    Berlin, Bundestag. Weil die Zeit wieder einmal drängt, hat Parlamentspräsident Norbert Lammert die Abgeordneten aus ihren Ferien zu einer Sondersitzung zurück nach Berlin beordert – andernfalls könnte die erste, für akute Notfälle gedachte Tranche von 30 Milliarden Euro nicht rechtzeitig bis Ende Juli bereitgestellt werden. Die Regierung in Madrid hat zwar ein 56 Milliarden Euro schweres Paket aus Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen geschnürt, eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild eingeführt und auch sonst einiges unternommen, um sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Diese vielen kleinen Erfolge aber, warnt Schäuble, seien nun durch die Schieflage bei den Banken akut in Gefahr.

    Dennoch ist vielen Abgeordneten bei dem Gedanken, dass sie diesmal keinem klammen Land helfen, sondern „nur“ dessen maroden Banken, alles andere als wohl. Umso eindringlicher beschwört Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenvorsitzende der CSU, noch einmal die Details der Übereinkunft: Die Milliardenhilfen, betont sie, flössen nicht wie eine Subvention direkt an die Institute, sondern als „rückzahlbares, verzinstes Darlehen“ an den spanischen Staat, der für diesen Kredit selbstredend auch hafte.

    Wenig später folgt der Bundestag wie bei allen bisherigen Rettungsoperationen auch diesmal mit großer Mehrheit der Linie der Kanzlerin. 583 von 620 Abgeordneten haben ihre Sommerpause für diese Sitzung unterbrochen, 473 von ihnen stimmen für Schäubles 139 Seiten dicken Antrag, 13 enthalten sich, 97 lehnen die Spanien-Hilfe ab. Einer der 22 Abweichler aus den Reihen der Koalition, der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe, formuliert seine Bedenken so: Es könne nicht angehen, kritisiert er, dass der europäische Steuerzahler spanischen Banken helfe, während deren Eigentümer, Gläubiger und Manager weitgehend ungeschoren davonkämen. „Wie soll das alles weitergehen?“, fragt Kolbe. Dass einer für die Schulden des anderen hafte, „das gibt es nicht einmal in einer Ehe“.

    Steinmeier fürchtet eine gefährliche Kettenreaktion

    Begonnen hat die Sitzung eine halbe Stunde später als ursprünglich geplant – in der Fraktion der SPD ist der Beratungsbedarf offenbar noch etwas größer als in den anderen. Die Diskussion sei sehr kontrovers verlaufen, bestätigt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier anschließend. Am Ende allerdings setzt sich seine Linie unter den Genossen durch: Die Milliarden, die der EFSF nun lockermacht, dienen danach weniger dazu, heruntergewirtschaftete spanische Banken zu stabilisieren als vielmehr den Ruin einer gesamten Volkswirtschaft zu verhindern. Eine solche Kettenreaktion nämlich, warnt Steinmeier, „würde sich in ganz Europa, also auch in Deutschland bemerkbar machen“. Und überhaupt: Die Euro-Zone habe ihre Rettungsschirme ja nicht aufgespannt, um sie dann, wenn sie gebraucht würden, nicht zu benutzen. Gleichzeitig aber fragt der SPD-Fraktionschef auch: „Hat dieses Fass überhaupt einen Boden?“

    Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl ist die Versuchung hier wie dort dennoch groß, dem jeweiligen Gegner nebenbei noch eins auszuwischen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle mokiert sich über die SPD, die sich noch immer nicht auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt habe. Steinmeier wirft der Kanzlerin und ihrem Finanzminister vor, ihre Politik nicht ausreichend zu erläutern: „Wer sich nicht erklärt, wird auch nicht verstanden.“ Und der Grüne Jürgen Trittin kann zwar Gründe genug aufzählen, warum auch der größte Teil seiner Fraktion wieder mit den Regierungsparteien stimmt. Die kleine Breitseite, dass die Koalition die berühmte Kanzlermehrheit zuletzt mehrfach verpasst hat, kann auch er sich nicht verkneifen.

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