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Bürgerdialog: Impfen ja, Lockerungen nein: Wie Spahn die dritte Welle brechen will

Bürgerdialog

Impfen ja, Lockerungen nein: Wie Spahn die dritte Welle brechen will

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    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stellte sich in einem Bürgerdialog am Samstag den Fragen zu seiner Impfstrategie und nahm Stellung zu Vorwürfen.
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stellte sich in einem Bürgerdialog am Samstag den Fragen zu seiner Impfstrategie und nahm Stellung zu Vorwürfen. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archiv)

    Zu wenig Impfstoff, zu bürokratisches Vorgehen, zu wenige Schnelltests – die Kritik an der Corona-Strategie des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn reißt nicht ab. Am Samstag stellte er sich via Internet den drängendsten Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Und bat einmal mehr um Geduld.

    Impfen und Testen, darum drehte sich in erster Linie das Gespräch, an dem neben Jens Spahn unter anderem auch der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel, Karl Broich, und der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, teilnahmen. Wer auf einen Lichtblick für die kommende Zeit gehofft hatte, wurde jedoch enttäuscht.

    Jens Spahn: Dritte Corona-Welle kann nur durch Lockdown gebrochen werden

    "Ja, das Impfen und Testen sind die entscheidenden Instrumente, aber eben erst, wenn die dritte Welle gebrochen wurde", betonte Spahn und plädierte für die strenge Einhaltung der Notbremse in Regionen mit Inzidenzen über 100. Mindestens zwei Wochen müsse man das öffentliche Leben weiter herunterfahren, um die Welle zu besiegen. Gerade Ostern sei eine wichtige Phase, um Kontakte zu reduzieren. "Das Impfen allein reicht dafür nicht."

    Trotzdem wird es laut Spahn gerade das Impfen sein, das Deutschland aus der Pandemie herausführt. 15 Millionen Impfdosen sollen im April in Deutschland ankommen, in den folgenden Monaten sollen es noch mehr werden. Bis Mitte April wird die erste – mit 275.000 Dosen noch relativ überschaubare – Lieferung des Herstellers Johnson & Johnson erwartet. Drei neue Impfstoffe, unter anderem der des amerikanischen Herstellers Novavax, befinden sich in der sogenannten Rolling Review, also in der Bewertungsphase, wie Klaus Cichutek vom Paul-Ehrlich-Institut erklärte.

    Dazu sollen nach Ostern zunächst die Hausärzte, später dann auch weitere Fachärzte für die Impfungen einbezogen werden. "Wir haben etwa 50.000 Hausarztpraxen, die nach Ostern mit dem Impfen beginnen. Wenn jeder da 20 Dosen pro Woche bekommt, sind wir schon bei einer Million Tests. Das funktioniert mit unserer aktuellen Impfstoffmenge noch nicht", so Spahn.

    Gesundheitsminister Spahn: Impfzentren sollen weiter geöffnet bleiben

    Weiterhin soll es aber auch die Impfzentren geben. Beide Strategien hätten ihre Berechtigung. "In Impfzentren impft man 10.000 Polizisten besser und schneller als beim Hausarzt. Dafür kennt der Hausarzt seine Patienten und kann anhand der Vorerkrankungen abschätzen, wer früher und mit welchem Impfstoff an der Reihe sein muss." Entsprechend sei es auch möglich, bei überschüssigen Impfdosen pragmatisch zu handeln. Ziel sei es, die am Anfang der Woche gelieferten Dosen bis zum Ende der Woche verimpft zu haben. "Ich habe vollstes Vertrauen in unsere Ärzte", versicherte der Gesundheitsminister.

    Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei das Herunterfahren des bürokratischen Prozesses, zumindest für die Hausärzte. "Natürlich ist das eine pragmatische Entscheidung, aber damit geht auch einher, dass wir keine so genauen Informationen über die Impfvorgänge mehr bekommen", warnte RKI-Chef Wieler. Hier fehle es an vernetzten elektronischen Patientenakten oder einem zentralen Impfregister. Dafür kann innerhalb der kommenden Monate mit dem digitalen Impfnachweis für Covid-19 gerechnet werden – ab 1. Januar 2022 soll dann der komplette Impfpass digitalisiert sein.

    Testen kann laut Spahn einen Weg in die Corona-Lockerungen bieten

    Und auch das Testen pries der Gesundheitsminister fleißig an. Weiterhin gelten die PCR-Tests in dem mehrmals bemühten "Baukasten" an Maßnahmen als die sicherste Methode. Doch auch die Schnell- und Selbsttests sieht Spahn als effektive Ergänzung. Insbesondere seit der Kostenübernahme der Schnelltests durch den Bund am 8. März seien mehr als 10.000 Testzentren entstanden. Er könne die Bürger nur bitten, dieses Angebot auch zu nutzen.

    In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

    Die Reihenfolge der Impfungen ist in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt.

    Zunächst sollen Menschen an die Reihe kommen, die unter "höchste Priorität" eingestuft sind. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger, die älter als 80 Jahre sind, ...

    ...genauso wie Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden oder dort arbeiten.

    Auch Pflegekräfte in ambulanten Diensten und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören dazu. Darunter fallen: Mitarbeiter in Corona-Impfzentren, Notaufnahmen oder Intensivstationen.

    "Höchste Priorität" haben außerdem Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Risikogruppen behandeln. Darunter ist zum Beispiel die Transplantationsmedizin gelistet.

    Als nächstes sollen Menschen geimpft werden, die unter "hohe Priorität" kategorisiert sind. In erster Linie sind das jene, die über 70 Jahre alt sind.

    Auch wer bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen aufweist, fällt in diese Kategorie. Dazu gehören Trisomie 21 und Demenz. Auch wer eine Organtransplantation hatte, wird mit hoher Priorität geimpft.

    Es genügt außerdem, Kontaktperson von Menschen in Risikogruppen zu sein, um mit hoher Priorität geimpft zu werden werden. Dazu gehören enge Kontaktpersonen von Menschen über 80, von Schwangeren oder Bewohnern von Pflegeheimen. Auch Personen, die in Einrichtungen für Senioren oder für Menschen mit geistiger Behinderung leben, sollen mit hoher Priorität geimpft werden. Außerdem fallen Pflegerinnen und Pfleger, die Menschen mit Behinderung stationär oder ambulant betreuen, in diese Kategorie.

    Auch bestimmte Berufsgruppen sollen schnell an die Reihe kommen. Vor allem solche, die in der Öffentlichkeit aktiv sind und viel Kontakt zu Bürgern haben. Dazu gehören Polizisten und Ordnungskräfte, die auf Demonstrationen unterwegs sind, sowie Mitarbeiter in Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern.

    Als dritte Kategorie definiert das Gesundheitsministerium Menschen mit "erhöhter Priorität". Dazu gehört die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren.

    Außerdem sollen dann Menschen geimpft werden, die zwar in medizinischen Berufen arbeiten, aber einem niedrigerem Expositionsrisko ausgesetzt sind. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laboren.

    Erhöhte Priorität haben auch Menschen mit folgenden Krankheiten: Adipositas, chronische Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung, Immundefizienz oder HIV-Infektion, Diabetes mellitus, diversen Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, COPD oder Asthma, Autoimmunerkrankungen und Rheuma.

    Auch bestimmte Berufsgruppen fallen in diese Kategorie. Darunter Lehrer und Erzieher, Polizisten, Regierungsmitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Feuerwehrmänner und -frauen, Katastrophenschutz, THW oder Justiz.

    Erhöhte Priorität haben außerdem Menschen, die in kritischer Infrastruktur arbeiten. Dazu gehören Apotheken und Pharmawirtschaft, öffentliche Versorgung und Entsorgung, Ernährungswirtschaft, Transportwesen, Informationstechnik und Telekommunikation.

    Auch Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen werden mit erhöhter Priorität geimpft.

    Wer nicht in eine dieser drei Kategorien fällt, wird ohne Priorität geimpft. Also erst dann, wenn Menschen aus diesen Kategorien an der Reihe waren.

    Auch Öffnungsschritte – nach dem Brechen der dritten Welle – seien in Kombination mit Negativtests denkbar, etwa im Kultur- oder Gastronomiebereich. "Die Tests sind jetzt ausreichend da. Das gibt uns allen mehr Sicherheit." Trotzdem bleibt die dritte Welle, die es zuvor zu bekämpfen gelte. "Ich kann nur dafür werben, nochmal zwei Wochen alles zu reduzieren, was geht – im Zweifel auch über die staatlichen Anordnungen hinaus. Die letzten beschwerlichen Meter müssen wir noch gehen", erklärte Spahn.

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