Ein jahrelanger Handelskrieg und der Vorwurf, China trage die Schuld an der Corona-Pandemie – so schlecht wie unter Donald Trump waren die Beziehungen der USA zur Volksrepublik seit mehr als vier Jahrzehnten nicht. Und obwohl Trumps Regierung nur noch wenige Tage im Amt ist, setzt sie noch einen drauf. Am Wochenende hob Außenminister Mike Pompeo die geltenden Beschränkungen bei offiziellen Kontakten mit Taiwan auf. Ein Affront. Schließlich verlangt die Führung in Peking vom Rest der Welt, Taiwan nicht offiziell als eigenständiges Land anzuerkennen.
Die „komplexen internen Beschränkungen“ für Diplomaten im Umgang mit Taipeh seien ein „Versuch zur Beschwichtigung des kommunistischen Regimes in Peking“ gewesen, erklärte Pompeo. „Das ist vorbei.“ Es werde keine Rücksichtnahme mehr auf Peking geben.
Peking reagiert in der Taiwan-Frage erbost
Nun könnten alle Beteiligten diese Provokation entspannt ignorieren. Denn was ist schon von einer Regierung zu erwarten, die in wenigen Tagen eh abtreten wird? Tut Peking aber nicht. „Wir hoffen und wissen, dass jene in den USA einen hohen Preis für ihr Fehlverhalten bezahlen werden“, wetterte Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying stattdessen. Die KP-Führung ahnt: Auch mit der neuen Regierung unter Joe Biden wird sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern.
„Die Demokraten werden möglicherweise eine andere Sprache wählen und nicht von einer Entkopplung von China reden“, sagte Julianne Smith im Sommer 2020. Sie war stellvertretende Sicherheitsberaterin, als Biden Vizepräsident war, und wird nun als Nato-Botschafterin gehandelt. An den Grundzügen der China-Politik werden die USA aber auch unter einem neuen Präsidenten festhalten, sagte sie. „Ein wesentlicher Unterschied wird sein, dass die europäischen Verbündeten wieder stärker eingebunden werden.“
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner
Genau dieser Unterschied könnte für die deutsche Bundesregierung aber ganz erheblich werden. Denn tatsächlich war in den vier Trump-Jahren Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Politik gut gefahren, sich aus globalen Konflikten möglichst herauszuhalten. China ist inzwischen aber Deutschlands wichtigster Handelspartner. Trump hatte ohnehin nicht viel übrig für transatlantische Koordination, seine Erwartungen an Deutschland und Europa waren gering. Das dürfte unter Biden wieder anders werden. Nicht zuletzt mit Blick auf China erwartet er von den Europäern mehr Bündnistreue. Das zeigte sich nicht zuletzt Ende des Jahres, als China und die EU sich in letzter Minute der deutschen Ratspräsidentschaft doch noch auf den Abschluss des Investitionsschutzabkommens einigten. Jake Sullivan, Bidens künftiger nationaler Sicherheitsberater, forderte die Europäer auf, die Unterzeichnung des Abkommens zu unterbrechen – um mit der neuen Regierung darüber zu diskutieren. Er wurde ignoriert.
Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantikbrücke und bis 2018 Außenminister, sieht in der Frage nach dem Verhältnis zu China auch die „größte Herausforderung des transatlantischen Verhältnisses“. Der Streit um die Nato-Beiträge sei „ein Fliegenschiss dagegen“, sagte er unserer Redaktion. Gabriel hält es dennoch für richtig, dass die EU sich mit China auf das Investitionsschutzabkommen geeinigt hat. „Es ist unser Interesse, unsere Investitionen zu schützen.“ Das täten die Amerikaner schließlich auch. „Das heißt ja nicht, dass wir nicht eine gemeinsame China-Strategie entwickeln können.“
Eine Mehrheit der Bundesbürger würde sogar noch weiter gehen und politisch gar auf völlige Neutralität pochen. Wie eine von der Welt am Sonntag in Auftrag gegebene Umfrage von Infratest ergab, sind 77 Prozent der Deutschen dafür, sich in einem Konflikt zwischen den USA und der Volksrepublik China herauszuhalten.
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