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Ausblick: Das Superwahljahr 2021 wird die Republik verändern

Ausblick

Das Superwahljahr 2021 wird die Republik verändern

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    Noch ist Angela Merkel die Nummer eins der deutschen Politik. Im Herbst 2021 zieht sie sich zurück. Wird Markus Söder ihr Nachfolger?
    Noch ist Angela Merkel die Nummer eins der deutschen Politik. Im Herbst 2021 zieht sie sich zurück. Wird Markus Söder ihr Nachfolger? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    „Es ist Zeit, dass die Verhältnisse in Deutschland geklärt werden.“ Franz Müntefering steht im Foyer der Parteizentrale und wird gefeiert, als habe er gerade eine Wahl gewonnen. Minutenlang klatschen die Genossen Beifall, obwohl die SPD gerade nach fast 40 Jahren ihr Stammland Nordrhein-Westfalen an die CDU verloren hat. Weil die Union über den Bundesrat der rot-grünen Koalition in Berlin das Regieren damit noch schwerer machen wird, setzen Parteichef Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder alles auf eine Karte und streben vorgezogene Neuwahlen an. Wie ein Boxer, der in seine Ecke gedrängt ist, holt Schröder aus zu einem letzten, verzweifelten Schlag.

    Keine Landtagswahl vorher und nachher hat die politische Tektonik der Bundesrepublik so nachhaltig beeinflusst wie die in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005. Angela Merkel verdankt ihr letztlich ihre Kanzlerschaft – während für die SPD eine lange Leidenszeit begann. Ähnlich geschichtsträchtig war allenfalls noch die Wahl in Baden-Württemberg im März 2011, kurz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Sie bescherte der Republik den ersten grünen Ministerpräsidenten und der SPD die bittere Erkenntnis, dass sie kein Abonnement mehr hat auf Platz zwei im deutschen Parteiensystem.

    Angela Merkel zieht sich aus der Politik zurück

    Das Wahljahr 2021 mit insgesamt sechs Landtagswahlen und einer Bundestagswahl wird ebenfalls ein besonderes – und das keineswegs nur wegen Corona. Angela Merkel zieht sich aus der Politik zurück, was für sich genommen schon eine Zäsur ist, angesichts der nach wie vor ungeklärten Führungsfrage in der CDU aber noch zusätzliche Brisanz birgt. Kann die Union, mit wem auch immer, das Kanzleramt verteidigen? Gelingt der SPD ein politisches Wunder, denn nichts anderes wäre eine Koalition mit Grünen und Linken unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz? Oder schaffen am Ende gar ein Grüner oder eine Grüne den Sprung ins Kanzleramt? Parteichef Robert Habeck jedenfalls hat die Latte hoch gelegt: „Erstmals kämpft eine dritte Partei um die Führung dieses Landes.“

    Ein erster Stimmungstest für die Grünen steht bereits Mitte März an, dann wählt Baden-Württemberg einen neuen Landtag. Zieht der Amtsbonus des populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann dort noch einmal? Oder geht der Sieg an die CDU, die in den Umfragen die Nase gerade knapp vorne hat? In Rheinland-Pfalz, wo am gleichen Tag gewählt wird, liegt die CDU ebenfalls vor der SPD mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Sollte die Staatskanzlei in Mainz tatsächlich an die Union fallen, würde das die Chancen von Scholz bei der Bundestagswahl vermutlich stark schmälern. Die Gefahr, dass er und seine Partei zu den traurigen Figuren des Wahljahres werden, wäre groß.

    Für FDP-Chef Christian Lindner geht es um alles

    Nicht anders ergeht es dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. In Rheinland-Pfalz regiert seine Partei noch in einer Ampelkoalition mit, Baden-Württemberg ist das liberale Stammland – mit zwei Niederlagen an einem Wahlabend aber wäre die Zeit Lindners an der Parteispitze vermutlich schneller vorbei, als es ihm lieb ist. Die Angst, noch einmal den Einzug in den Bundestag zu verpassen, sitzt tief in der FDP.

    Hätte, wäre, wenn. Als Corona Anfang dieses Jahres eher noch eine Ahnung denn eine reale Gefahr war, hatte die Bundespolitik noch andere Sorgen als den Kampf gegen hohe Infektionszahlen. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD wurden von einem heftigen Streit über die Ausrichtung der gemeinsamen Politik gelähmt, zeitweise schien die Koalition gar auf der Kippe zu stehen. Dann aber verabredeten alle Fraktionen im Bundestag mit Ausnahme der AfD, die üblichen Auseinandersetzungen hintanzustellen und gemeinsam den Kampf gegen das Virus aufzunehmen. Bei den Christdemokraten war es zuvor bereits zum schon länger erwarteten Knall gekommen. Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer vermisste vor dem Hintergrund der Regierungskrise in Thüringen den nötigen Rückhalt und kündigte ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur sowie ihren Rücktritt als CDU-Chefin an.

    So beginnt das Superwahljahr am 16. Januar mit einem Parteitag, der entweder Armin Laschet, Friedrich Merz oder Norbert Röttgen zum Vorsitzenden der CDU wählen wird. Die Veranstaltung könnte die erste faustdicke Überraschung im neuen Jahr bringen, denn im Rennen um den Parteivorsitz hat der Außenpolitiker Röttgen überraschend Boden gutgemacht. Ihm wird mittlerweile sogar der Sieg zugetraut.

    Wird Markus Söder doch Kanzlerkandidat?

    Dazu kursiert im Regierungsviertel folgendes Szenario: Keiner der drei Kandidaten erreicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit, Laschet bekommt die wenigsten Stimmen, ist bei der Stichwahl nicht mehr dabei, und seine Unterstützer wandern ins Röttgen-Lager, der sich dann gegen Merz durchsetzt. In diesen Gedankenspielen ist damit aber Schluss für Röttgen. Dass der frühere Umweltminister die bundesweite Strahlkraft besitzt, um auch zum Kanzlerkandidaten ausgerufen zu werden, scheint vielen derzeit eher unwahrscheinlich. Die Wetten laufen da auf den CSU-Vorsitzenden Markus Söder zu. Dem bayerischen Ministerpräsidenten wird am ehesten zugetraut, in die Fußstapfen von Angela Merkel zu treten. Söder ziert sich zwar, doch wenn alle ihn fordern, ihm ein CDU-Chef Röttgen womöglich gar die Kandidatur anträgt, müsste er wohl ran – ob er nun will oder nicht.

    Auch bei den Grünen ist eine womöglich entscheidende Personalfrage noch ungeklärt. Sie müssen sich entscheiden, wen sie im Falle eines Falles ins Kanzleramt schicken wollen – ihre Vorsitzende Annalena Baerbock oder deren Kompagnon Robert Habeck. Sollte die Öko-Partei nach der Bundestagswahl tatsächlich die stärkste politische Kraft in Deutschland werden, worauf die aktuellen Umfragewerte allerdings nicht schließen lassen, müssten sie gleichzeitig womöglich noch eine Richtungsentscheidung treffen: Grün-Schwarz nach Kretschmanns Vorbild oder eine Dreier-Konstellation mit den Linken und der SPD?

    Die Sozialdemokraten kommen bislang nicht in den Tritt. Es bewahrheitet sich, was Umfragen schon Anfang dieses Jahres prognostizierten: Den nach dem Rücktritt von Andrea Nahles zu neuen Vorsitzenden gewählten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans traute von Anfang an nur ein knappes Viertel der Mitglieder zu, die Partei erfolgreich in die Zukunft führen zu können. Nicht nur in Rheinland-Pfalz, auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wackeln daher die Ministerpräsidenten der SPD.

    Unklar ist auf der anderen Seite, ob CDU und CSU ihren Corona-Bonus in eine Zeit hinüberretten können, in der die Pandemie nicht mehr das einzige beherrschende Thema ist. Mit etwas Glück könnte die Corona-Krise im kommenden Sommer halbwegs überwunden sein. Das wäre genau die Zeit, in der ein Bundestagswahlkampf üblicherweise in die heiße Phase geht und andere Themen möglicherweise wieder in den Vordergrund treten.

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