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Augsburger Allgemeine Live: Braun im Interview: Impf-Priorisierung soll ab Anfang Juni fallen

Augsburger Allgemeine Live

Braun im Interview: Impf-Priorisierung soll ab Anfang Juni fallen

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    Kanzleramtsminister Helge Braun im Gespräch mit Chefredakteur Gregor Peter Schmitz.
    Kanzleramtsminister Helge Braun im Gespräch mit Chefredakteur Gregor Peter Schmitz. Foto: Ulrich Wagner

    Wenn Helge Braun spricht, dann tut er das ohne Aufregung in der Stimme. Er erklärt, er vermittelt, er überbringt Botschaften. Aus der Ruhe lässt sich der CDU-Politiker nur selten bringen. Während der Corona-Pandemie ist der 48-jährige eine der wichtigsten Stützen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er steuert die deutsche Corona-Politik ganz maßgeblich. Was er sagt, ist bisweilen das, was sie denkt, aber nicht vor den Kameras aussprechen will. Und so hören alle genau hin, was der 48-Jährige Chef des Kanzleramts zu sagen hat. Vor allem, wenn es ein Satz ist, der Hoffnung macht. Beim Forum „Augsburger Allgemeine live“ unserer Redaktion sagte Braun: „Wir bekommen momentan wirklich von Woche zu Woche mehr Impfstoff.“ Und das könnte für viele Menschen bedeuten, dass sie sich deutlich früher impfen lassen können als vielleicht befürchtet.

    „Wenn die Hersteller so liefern, wie sie es uns versprochen haben, dann werden wir im Laufe des Mai so viel Impfstoff bekommen, dass wir allen, die eine Priorisierung haben, ein Impfangebot machen können und dann kann ab Juni begonnen werden, über die Betriebsärzte und über die Hausärzte auch die breite Bevölkerung zu impfen“, sagt Braun im Gespräch mit Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen. „Das heißt aber nicht, dass dann schon Anfang Juni für alle Impfstoff vorhanden sein wird.“ Es bleibt aber dabei, dass man bis zum Sommer jedem ein Impfangebot machen könne. „Aber die Priorisierung können wir Anfang Juni aller Voraussicht nach aussetzen.“ Und: Es hänge nicht nur von der Menge des Impfstoffes ab, wie schnell der Impffortschritt vollzogen werde, sondern auch mit der Bereitschaft der Bürger, sich auch impfen zu lassen.

    Viele Deutsche sind nach wie vor impfskeptisch

    Die Erfahrung zeigt: Die Skepsis ist trotz aller Appelle längst nicht verschwunden. An den Grippeimpfungen nehmen jedes Jahr noch nicht einmal 50 Prozent der Deutschen teil. „Mit so einer Impfquote könnte man die Corona-Pandemie nicht besiegen“, sagt der ausgebildete Intensivmediziner und Narkosearzt. Ziel sei es, dass sich möglichst alle Erwachsenen impfen lassen. „Denn wenn wir die Corona-Pandemie wirklich besiegen wollen, brauchen wir eine hohe Impfbereitschaft.“

    Die Bundesregierung wolle dafür werben, vor allem, weil es nach wie vor Gruppen gibt, die sich gar nicht impfen lassen können und die deshalb einen besonderen Schutz brauchen. Wer sich impfen lasse, schütze also nicht nur sich selbst, sondern übernehme auch Verantwortung für andere. In Deutschland sind aktuell 21,6 Prozent der Bevölkerung mindestens ein Mal gegen das Coronavirus geimpft. In Sachsen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wurde zumindest der Impfstoff von AstraZeneca in dieser Woche für alle Altersgruppen freigegeben. Für Menschen unter 60 Jahren soll die Impfung aber nur nach einer ausführlichen Beratung erfolgen.

    Kanzleramtsminister Helge Braun war zu Gast bei "Augsburger Allgemeine live".
    Kanzleramtsminister Helge Braun war zu Gast bei "Augsburger Allgemeine live". Foto: Ulrich Wagner

    Deutschland will Sputnik-Impfstoff kaufen

    Um das Impftempo weiter zu beschleunigen und den Prozess auf eine breitere Basis zu stellen, hat sich Deutschland zudem dazu entschlossen, 30 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V zu erwerben. Voraussetzung sei aber die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde. Ein Vorgang, der durchaus kritisiert wird. Darf man ein Regime unterstützen, das massiv gegen Menschenrechte verstößt und sich nicht an internationale Regeln hält? „Impfstoff ist keine ideologische Frage“, sagt Braun. Doch um unabhängiger zu werden, müsse Europa auch die eigene Produktion hochfahren. In den vergangenen Wochen hat das Biontech-Werk in Marburg seinen Betrieb aufgenommen, das sei ein Fortschritt. Die Hersteller Biontech/Pfizer erklärten vergangene Woche, bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen Corona-Impfstoff an die EU-Staaten zu liefern. Davon könnte Deutschland rechnerisch gut neun Millionen Impfdosen erwarten.

    Seit Beginn der Impfkampagne wurden über 25,5 Millionen Impfdosen an Deutschland geliefert, die meisten davon von Biontech/Pfizer. Doch der Kanzleramtschef warnt auch vor überzogenen Erwartungen. „Impfstoffproduktion ist nichts einfaches“, betont er im Gespräch mit unserer Redaktion. Und sie ist vor allem auch Vertrauenssache – das hat die Politik im Ringen um den Impfstoff von AstraZeneca erlebt. Seit öffentlich wurde, dass eine mögliche Nebenwirkung die Entstehung von schweren Thrombosen ist, haben viele Menschen Angst, sich das Mittel verabreichen zu lassen. Zu Unrecht, wie Braun meint: „Das ist ein guter und sicherer Impfstoff.“ Viele Menschen würden die Gefahr höher einschätzen als sie tatsächlich ist.

    Erneut wirbt Braun auch für strenge Regeln im Kampf gegen die Pandemie. Das Beispiel China zeige, dass es auch für die Wirtschaft große Vorteile habe, wenn die Inzidenzzahlen dauerhaft niedrig gehalten werden. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir zeitweilig entschiedener gewesen wären“, gibt der CDU-Politiker zu. Doch die Politik versuche durchaus abzuwägen, die Grundrechte nur so weit einzuschränken wie möglich. Dazu sei die Bundesnotbremse erlassen worden, ein Instrument, das die dritte Corona-Welle brechen soll. Nicht in allen Punkten entspricht die seiner Vorstellung. „Ich hätte mir eine frühere, strengere Ausgangssperre gewünscht“, sagt Braun. Doch sie sei ein Kompromiss, der nun auch juristisch haltbar sein soll. Der Kanzleramtschef appelliert deshalb an die Bürger, das eigene Verhalten zu kontrollieren und sich zurückzunehmen. „Die meisten Ansteckungen passieren im direkten privaten Umfeld“, mahnt er. Kontakte zu vermeiden sei daher das A und O in den kommenden Wochen ehe der Impffortschritt sich deutlich niederschlage. Ein Dauerzustand jedenfalls sollten, so Braun, die Einschnitte nicht sein.

    Persönliche Belastung für Helge Braun ist hoch

    Die Belastung bekommt der Politiker auch selbst sehr deutlich zu spüren. „So etwas wie Wochenende oder ein Osterfest hat es dieses Jahr für mich nicht gegeben“, erzählt Braun. „Aber ich habe den großen Ehrgeiz, dass Deutschland besser durch diese Pandemie kommt als viele andere Länder.“ Dass viele Menschen von einer Auszeit, von Urlaub träumen, dafür hat er zwar Verständnis, mahnt aber zugleich zu Vorsicht. Selbst wenn die dritte Welle im Sommer gestoppt werden kann, sei es nicht auszuschließen, dass neue Virus-Mutationen auftauchen. Wer reise wolle, solle daher genau schauen, wohin er fährt und wie sein Aufenthalt dort möglichst sicher gestaltet werden könne.

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