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Asylpolitik: Wie viele Flüchtlinge sind wirklich auf dem Weg - oder schon da?

Asylpolitik

Wie viele Flüchtlinge sind wirklich auf dem Weg - oder schon da?

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    Müde: Ein Flüchtling ist beim Warten vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales im Stehen eingeschlafen.
    Müde: Ein Flüchtling ist beim Warten vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales im Stehen eingeschlafen. Foto: Michael Kappeler (dpa)

    Die letzte offizielle Prognose über in Deutschland ankommende Flüchtlinge ist gut sechs Wochen alt: 800.000 würden in diesem Jahr erwartet, sagte damals Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Heute würde er eine solche Prognose nicht mehr wagen. Von ihm ist so schnell keine zu erwarten, sagte der Minister gestern. Da es europaweit keine funktionierende Erfassung der Flüchtlinge gibt, aber viele, sich teilweise widersprechende Schätzungen kursieren, ist eine seriöse Aussage kaum möglich.

    Verschiedene Zahlen: Grenzagentur Frontex zählt nur registrierte Flüchtlinge

    Zahlen gibt es beispielsweise von der Grenzagentur Frontex, die von Warschau aus die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten an den europäischen Grenzen koordiniert. Deren Chef, der Franzose Fabrice Leggeri, sprach dieser Tage von 630.000 illegalen Einwanderern, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres an den Außengrenzen registriert wurden.

    Eine andere Zahl kommt aktuell von der Internationalen Organisation für Migration (IOM): In diesem Jahr seien bisher 558.000 Migranten mit dem Boot nach Europa gelangt. Rund 3000 seien schätzungsweise auf diesem Fluchtweg ertrunken. Die Hauptroute verläuft über Griechenland, wo laut IOM 420.000 Einwanderer angekommen sind.

    Frontex nennt hier eine deutlich niedrigere Zahl: 359 000 seien heuer auf der ostägäischen Route aus der Türkei nach Griechenland gelangt. Mehr als 150000 stammten aus Syrien, 48000 aus Afghanistan. Eine der möglichen Ursachen für die Differenz dürfte sein: Frontex zählt nur die registrierten Flüchtlinge.

    Weil viele Flüchtlinge von Griechenland aus – wenn sie denn mit Fähren von den Inseln nach Piräus oder Thessaloniki gebracht worden sind – auf der Westbalkanroute über Mazedonien und Serbien Richtung Mitteleuropa, insbesondere Deutschland unterwegs sind, gibt es von dort eigene Frontex-Zahlen: Knapp 205.000 Migranten wurden dort bis Ende September registriert.

    Was bringen die geplanten Maßnahmen der Politik?

    Was bekommen Flüchtlinge?

    Flüchtlinge erhalten gemäß Asylbewerberleistungsgesetz Mittel zur Sicherung ihres Existenzminimums. Wie viel Bargeld ein Flüchtling bekommt, hängt davon ab, wie lange er in Deutschland ist und welche Sachleistungen er in seiner Unterkunft erhält.

    In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Sachleistungen gewährt. Dinge des täglichen Bedarfs wie Essen oder Möbel werden dort meist zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Bargeld für persönliche Bedürfnisse.

    Alleinstehende erhalten 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, kriegt 113 Euro. Für Kinder stehen Familien je nach Alter 85 bis 92 Euro zu.

    Wenn Asylbewerber nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften des Landes untergebracht sind und damit in der Regel Essen und andere Sachleistungen wegfallen, gibt es mehr Bargeld.

    Erwachsene Alleinstehende erhalten dann 216 Euro, Kinder oder weitere Haushaltsmitglieder 133 bis 194 Euro.

    Hier gibt es allerdings etwas Spielraum: Anstelle der Geldleistungen können auch - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist", wie es im Gesetz heißt - Wertgutscheine und Sachleistungen gewährt werden.

    Zudem übernehmen die Behörden anfallende Wohnkosten. Auch bei Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt erstattet der Staat die Kosten.

    Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Damit erhält ein Alleinstehender etwa 392 Euro. Zudem werden seine Wohnkosten erstattet. (dpa)

    Wie viele es wirklich waren, weiß angesichts der chaotischen Zustände keiner wirklich. „Die Zahlen klaffen auseinander“, stellt auch der Geschäftsführer von ProAsyl, Günter Burkhart, fest – nicht zuletzt angesichts der am Montag verbreiteten Prognose, in diesem Jahr würden 1,5 Millionen Menschen in Deutschland eine Zuflucht suchen. Anders als viele Politiker zweifelt er an der Wirksamkeit geplanter Maßnahmen zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Eine angekündigte Grenzsperrung führe – siehe Ungarn – ebenso zu einer „Torschlusspanik“ und rasant steigenden Flüchtlingszahlen wie die jüngsten Pläne des türkischen Präsidenten Erdogan: Dieser hat angeboten, gemeinsam mit der griechischen Marine die Flüchtlingsboote in der Ostägäis zu stoppen, wenn die EU sich im Gegenzug an den Kosten für den Umgang mit syrischen Flüchtlingen in der Türkei deutlich mehr beteiligt. Im Gespräch sind bis zu eine Milliarde Euro in diesem und im nächsten Jahr.

    ProAsyl rechnet damit, dass sich bis zu einer politischen Einigung, die sich bis ins kommende Frühjahr hinziehen kann, noch Unzählige auf den Weg nach Europa machen werden. Dazu nochmals Zahlen: Laut Erdogan leben in der Türkei derzeit 2,5 Millionen Flüchtlinge, davon 2,2 Millionen Syrer.

    Eine Hauptflüchtlingsroute fehlt in allen Statistiken komplett

    Die meisten emotional bewegenden Bilder von Flüchtlingen stammen von den griechischen Ägäis-Inseln Kos und Lesbos, von der italienischen Insel Lampedusa oder dann vor allem von den Grenzen zu Mazedonien, Ungarn, Österreich oder Deutschland. Frontex weist aber ausdrücklich auch auf eine wenig beachtete Tatsache hin: Eine der Hauptflüchtlingsrouten ist der Luftweg. Die meisten, die sich heute illegal in Europa aufhalten würden, heißt es bei Frontex, seien mit gültigen Papieren eingereist und dann nach dem Auslaufen der Aufenthaltserlaubnis einfach in einem der europäischen Länder geblieben. Zahlen dafür gibt es nicht.

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