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Asylpolitik: Was kostet ein Flüchtling den Steuerzahler?

Asylpolitik

Was kostet ein Flüchtling den Steuerzahler?

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    Flüchtlinge warten in der Messe in Erfurt an der Kleiderkammer.
    Flüchtlinge warten in der Messe in Erfurt an der Kleiderkammer. Foto: Martin Schutt, dpa

    Wie viel ein Flüchtling den Steuerzahler kostet – das ist eine Frage, die niemand präzise beantworten kann. Nach verschiedenen Berechnungen schlagen alleine die Unterkunft, die Verpflegung, die ärztliche Versorgung und ein kleines Taschengeld bei einem Erwachsenen mit 1000 Euro im Monat zu Buche.

    Bei 800.000 Flüchtlingen im Jahr sind das 9,6 Milliarden Euro, die Ausgaben für Deutschkurse, neue Planstellen in Ämtern und Behörden und spätere Abschiebungen noch nicht mitgerechnet. Dennoch hat Finanzminister Wolfgang Schäuble bisher keine Probleme, im kommenden Jahr über die bereits eingeplanten Mittel hinaus sechs Milliarden Euro zusätzlich für die Flüchtlingshilfe bereitzustellen.

    Dank der guten Konjunktur, niedriger Zinsen und hoher Steuereinnahmen muss er dafür bislang weder neue Schulden aufnehmen, noch das zehn Milliarden Euro schwere Investitionspaket oder den Abbau der kalten Progression streichen, der die Steuerzahler um 1,5 Milliarden Euro entlastet. Kritisch wird es für Schäuble und seine Kollegen in den Ländern erst, wenn die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten Jahren ähnlich hoch bleibt oder die Wirtschaft einbricht.

    Kaum belastbare Angaben zu den Kosten für Asylbewerber möglich

    Entsprechend vorsichtig beantwortet Ministeriumssprecher Martin Jäger die Frage, wie belastbar denn vor diesem Hintergrund der Haushalt für das Jahr 2016 sei, den der Bundestag in dieser Woche berät. Im Moment, sagt er, sei es „völlig unmöglich, hierzu belastbare und abschließende Aussagen zu treffen“. Auch bei den zusätzlichen sechs Milliarden, auf die Union und SPD sich geeinigt haben, handle es sich nur um „eine Annahme.“ Einige Ministerpräsidenten rechnen schon mit Flüchtlingszahlen von über einer Million.

    Eine präzise Kostenrechnung macht das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden schier unmöglich. Die Beamten, die einen Asylantrag bearbeiten, werden vom Bund bezahlt. Die Kosten der Unterbringung tragen die Kommunen, die dafür wiederum Zuschüsse in unterschiedlicher Höhe von den Ländern erhalten. Muss ein Flüchtling zum Arzt, rechnet der das häufig mit einer Krankenkasse ab, die sich das Geld dann neben einer kleinen Verwaltungsgebühr wieder von der Stadt oder dem Landkreis holt.

    So verteilen sich die Milliarden, die Deutschland für die wachsende Zahl an Flüchtlingen ausgibt, auf dutzende verschiedenster Posten in den unterschiedlichsten Haushalten mit den unterschiedlichsten Zuständigkeiten. Ein Jugendamt, zum Beispiel, betreut ja nicht nur minderjährige Asylbewerber, sondern auch deutsche Kinder. Und auch Sozialleistungen wie Hartz IV bekommen keineswegs nur Flüchtlinge. Allerdings rechnet Sozialministerin Andrea Nahles bereits mit bis zu 460.000 zusätzlichen Beziehern im kommenden Jahr. Zum Vergleich: Im Juli waren aus den zehn wichtigsten Herkunftsländern 161.000 Menschen arbeitslos gemeldet.

    "Zusätzliche Investitionen ins Bildungssystem in zweistelliger Milliardenhöhe"

    Welche Dimensionen die neue Herausforderung noch annehmen kann, zeigt auch ein Rechenexempel des Deutschen Philologenverbandes. „Wenn man davon ausgeht, dass mindestens die Hälfte der allein in diesem Jahr nach Deutschland gekommenen 200.000 bis 250.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder dauerhaft in Deutschland bleiben wird, erfordert dies zusätzliche Investitionen ins Bildungssystem in zweistelliger Milliardenhöhe“, sagt der Vorsitzende des Verbandes, Heinz-Peter Meidinger. „Auch nach der Integration der Kinder aus den Willkommensklassen in den regulären Unterricht werden für viele Jahre zusätzliche Fördermaßnahmen unabdingbar sein.“ Alles in allem, schätzt Meidinger, müssten dazu 3000 bis 4000 junge Deutschlehrer neu eingestellt werden.

    Auch Schäuble selbst ist sich offenbar nicht mehr sicher, ob er im kommenden Jahr tatsächlich noch einmal ohne neue Schulden auskommt. Die Flüchtlingskrise, diese gewaltige Aufgabe, müsse jetzt bewältigt werden, hat er zum Auftakt der Haushaltsberatungen gesagt. „Und wir müssen sie auch jetzt finanzieren.“ Wenn möglich, beteuert er, mit einer schwarzen Null am Ende des Jahres. Und wenn nicht, dann wird es dem Finanzminister nicht an Argumenten fehlen. Seit Anfang Juli, als das Kabinett seinen Etat für das kommende Jahr beschloss, haben sich die Flüchtlingszahlen praktisch verdoppelt.

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