Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Asylbewerber: Ist die Flüchtlingskrise noch finanzierbar?

Asylbewerber

Ist die Flüchtlingskrise noch finanzierbar?

    • |
    Bundeswehrsoldaten helfen bei der Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einem Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin.
    Bundeswehrsoldaten helfen bei der Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einem Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin. Foto: Gregor Fischer, dpa

    Wolfgang Schäuble redete nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kam sofort zur Sache. Die aktuelle Flüchtlingssituation sei eine „Bewährungsprobe für Deutschland und Europa“, die Bewältigung dieser „anspruchsvollen Aufgabe“ habe „absolute Priorität“. Und dann versprach er: „Die Aufgabe stellt sich jetzt, und wir werden sie jetzt bewältigen, und wir müssen sie auch finanzieren – wenn möglich ohne neue Schulden.“ Dem hätten sich alle anderen Ausgabenwünsche unterzuordnen. Und weiter: Es bleibe bei der schwarzen Null, „und zwar nicht nur im kommenden Jahr, sondern auch in den Folgejahren“.

    Das war am 8. September, als der Finanzminister seinen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr in den Bundestag einbrachte. Doch schon damals gab es erhebliche Zweifel, ob Schäubles Etat angesichts des nicht versiegenden Ansturms an Flüchtlingen noch zu halten sei. Vor allem die Oppositionsparteien forderten eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Unterbringung, Versorgung und Integration der Menschen. „Ungeplante Ereignisse sind in dem Haushaltsentwurf, so, wie er jetzt vorliegt, nicht vorgesehen. Alles wird der schwarzen Null untergeordnet. Das führt in eine Sackgasse“, kritisierte die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch von den Linken.

    Was bedeutet "Königsteiner Schlüssel" bei Verteilung der Flüchtlinge?

    Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss sich erst mal registrieren lassen. Meist passiert das in der am nächsten gelegenen Erstaufnahmeeinrichtung im jeweiligen Bundesland.

    Die Verteilung auf die Länder geschieht dann nach dem «Königsteiner Schlüssel». Grundlage für dessen Berechnung sind Bevölkerungszahl (ein Drittel) und Steuereinnahmen (zwei Drittel).

    Die Quote wird von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz jährlich neu ermittelt.

    2015 nimmt Nordrhein-Westfalen die meisten Flüchtlinge auf, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Die niedrigsten Quoten haben Bremen, das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern.

    Den «Königsteiner Schlüssel» an sich gibt es seit 1949: Die Bundesländer einigten sich damals im hessischen Königstein auf einen Schlüssel zur Finanzierung von Forschungseinrichtungen außerhalb der Universitäten.

    Das Instrument wird inzwischen aber auch für andere Fragen rund um die Lastenverteilung unter den Ländern genutzt. Seit Anfang 2005 dient der Schlüssel als Basis für die Verteilung von Asylbewerbern. dpa

    Nun hat erstmals auch ein führender Vertreter der Großen Koalition die schwarze Null infrage gestellt und den Finanzminister aufgefordert, von diesem Ziel abzurücken. In einem Interview mit der Welt rief der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner, Partei- und Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Schäuble vielmehr dazu auf, „für die kommenden Jahre einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich für Bildung, Integration und Infrastruktur“ zu mobilisieren. „Diese Investitionen würden zum Konjunkturpaket für ganz Deutschland.“ Fachleute würden den Bedarf „alles in allem“ auf gut 20 Milliarden Euro für die kommenden Jahre schätzen. Deswegen passe es nicht in die Zeit, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, so Stegner. Ein derartiger „Kraftakt für Bildung und Integration“ wäre nicht nur richtig für die Flüchtlinge, „sondern würde dem ganzen Land guttun“. Ähnlich argumentierte auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Ein Investitionspaket sei wichtiger als die schwarze Null.

    Flüchtlingskrise: Steuererhöhungen für Vermögende?

    Noch weiter ging die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann. Sie brachte einmal mehr Steuererhöhungen für Vermögende ins Spiel, um die Kosten für die Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge zu finanzieren. Diese Aufwendungen seien eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagte Uekermann. „Da müssen gerade die, die viel haben, mehr beitragen.“

    Die Bundesregierung wie die Union wiesen die Forderungen aus den Reihen des Koalitionspartners allerdings unverzüglich entschieden zurück. Das Finanzministerium verwies darauf, dass es im Augenblick noch viel zu früh sei, um seriös die Kosten der Flüchtlingskrise zu beziffern. Zudem gelte das Wort der Kanzlerin, die erst vor wenigen Wochen Steuererhöhungen wegen der

    Flüchtlingskrise: Sind Steuererhöhungen nötig?

    Was bekommen Flüchtlinge?

    Flüchtlinge erhalten gemäß Asylbewerberleistungsgesetz Mittel zur Sicherung ihres Existenzminimums. Wie viel Bargeld ein Flüchtling bekommt, hängt davon ab, wie lange er in Deutschland ist und welche Sachleistungen er in seiner Unterkunft erhält.

    In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Sachleistungen gewährt. Dinge des täglichen Bedarfs wie Essen oder Möbel werden dort meist zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Bargeld für persönliche Bedürfnisse.

    Alleinstehende erhalten 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, kriegt 113 Euro. Für Kinder stehen Familien je nach Alter 85 bis 92 Euro zu.

    Wenn Asylbewerber nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften des Landes untergebracht sind und damit in der Regel Essen und andere Sachleistungen wegfallen, gibt es mehr Bargeld.

    Erwachsene Alleinstehende erhalten dann 216 Euro, Kinder oder weitere Haushaltsmitglieder 133 bis 194 Euro.

    Hier gibt es allerdings etwas Spielraum: Anstelle der Geldleistungen können auch - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist", wie es im Gesetz heißt - Wertgutscheine und Sachleistungen gewährt werden.

    Zudem übernehmen die Behörden anfallende Wohnkosten. Auch bei Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt erstattet der Staat die Kosten.

    Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Damit erhält ein Alleinstehender etwa 392 Euro. Zudem werden seine Wohnkosten erstattet. (dpa)

    Ökonomen und Wirtschaftsexperten sind sich dagegen derzeit noch uneins. Während der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen davon ausgeht, dass die Zuwanderung von mehr als einer Million Menschen in die deutschen Sozialsysteme „massive Steuererhöhungen“ nach sich ziehen werde, hält der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, Steuererhöhungen für unnötig. Der deutsche Staat mache nach seiner Ansicht derzeit mehr als ausreichende Überschüsse, um die Mehrausgaben zu stemmen. Genauso argumentiert auch Schäuble. „Wir sind in der Lage, jetzt auf diese große Herausforderung angemessen zu reagieren, weil wir uns in den letzten Jahren finanzielle Handlungsfähigkeit erarbeitet haben.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden