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Asyl-Debatte: Darf Ungarn Flüchtlinge einfach weiterschicken?

Asyl-Debatte

Darf Ungarn Flüchtlinge einfach weiterschicken?

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    Polizisten regeln das Chaos vor dem Budapester Bahnhof.
    Polizisten regeln das Chaos vor dem Budapester Bahnhof. Foto: dpa SZILARD KOSZTICSAK

    Die aktuelle Krise legt schonungslos die Schwächen des EU-Asylrechts offen. Europa gibt ein hilfloses Bild ab, seit die Mitgliedstaaten von Flüchtlingen überrollt werden. Am 9. September will Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Lösungsvorschläge präsentieren. Nur was kann die EU wirklich tun? Eine wichtige Rolle spielt dabei die heiß diskutierte Ernennung weiterer sicherer Herkunftsländer oder sicherer Drittstaaten.

    Was ist ein sicherer Drittstaat?

    Der Begriff wird sowohl im deutschen wie im europäischen Asylrecht verwendet. Er bezeichnet Länder, in denen weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung und Behandlung stattfindet, wie es im Grundgesetz heißt. Mit Ausnahme Italiens und Schwedens haben alle EU-Staaten sich gegenseitig als sichere Herkunftsländer anerkannt. Deutschland zählt im Artikel 26 des Asylverfahrensgesetzes außerdem Norwegen und die Schweiz dazu. Als sichere Herkunftsländer bezeichnet der Artikel 29a darüber hinaus Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal und Serbien.

    Was würde eine EU-Liste der sicheren Drittstaaten bringen?

    Ziel der EU-Kommission ist es, die unterschiedlichen nationalen Listen sicherer Drittstatten zu vereinheitlichen. Vor allem die offiziellen EU-Beitrittskandidaten sollen aufgenommen werden. Dann könnten die meisten Flüchtlinge aus dem Westbalkan zurückgeschickt werden.

    Warum können Flüchtlinge einfach aus Österreich oder Ungarn nach Deutschland weiterreisen?

    Flüchtlingsrouten nach Europa

    Von Libyen nach Italien: Auf dem Land- und Seeweg ist die Route von der libyschen Küste über das zentrale Mittelmeer nach Süditalien mit 170 757 registrierten Grenzübertritten im vergangenen Jahr die mit Abstand wichtigste. Dort ereignete sich auch das jüngste Bootsunglück.

    Die Westafrika-Route: Wichtige Korridore sind auch die in Nordafrika gelegenen spanischen Exklaven Ceuta und Melilla sowie die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln.

    Der östliche Mittelmeerraum: Der Land- und Seeweg mit dem Ziel Griechenland beginnt zum Beispiel im ägyptischen Alexandria oder er führt auf verschiedenen Strecken über die Türkei und dann weiter auf der Westbalkanroute nach Ungarn sowie der Route entlang der EU-Ostgrenze.

    Der Luftweg: Nach Angaben der europäischen Grenzschutzagentur Frontex reisen die meisten sogenannten illegalen Flüchtlinge jedoch mit dem Flugzeug nach Europa ein.

    Massengrab Mittelmeer: Seit Jahresbeginn sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Mittelmeer mehr als 1500 Menschen ertrunken. Zum selben Zeitpunkt im Vorjahr waren es demnach 108. Insgesamt zählte die Organisation im vergangenen Jahr 3291 tote und vermisste Flüchtlinge. Damit verläuft zwischen Europa und Afrika die „tödlichste Grenze der Welt“, wie es in einem IOM-Report heißt. Dort ereigneten sich 2014 drei Viertel der weltweiten Todesfälle von Flüchtlingen.

    Triton: In der EU lief im vergangenen Jahr die italienische Seenotrettungsaktion Mare Nostrum aus und wurde durch Triton ersetzt. Das Programm läuft unter dem Dach von Frontex und stellt den Schutz der Grenzen in den Vordergrund. Es beschränkt sich anders als Mare Nostrum auf die 30 Seemeilen von der italienischen Küste. Zudem stehen nur ein Drittel des finanziellen Budgets und wesentlich weniger Ressourcen zur Verfügung. (kna)

    Die wichtigste Bestimmung des europäischen Asylrechtes, das 1999 in der irischen Hauptstadt beschlossen wurde und deshalb Dublin-Vertrag genannt wird, lautet: Ein Asylantrag ist in dem Land zu stellen, in dem ein Flüchtling in die EU einreist. Gegen dieses Verfahren haben in den vergangenen Tagen Ungarn und auch Österreich verstoßen, weil sie Asylbewerber ohne Einzelprüfung nach Deutschland weiterreisen ließen. In Wien begründet man diese Haltung damit, dass Berlin mit seinem Beschluss, praktisch alle Kriegsopfer aus Syrien als asylberechtigt anzuerkennen, einen Sog ausgelöst habe.

    Warum verhält Österreich sich so?

    Zum einen sagt die Bundesregierung in Wien, dass die Aufnahmemöglichkeiten des Landes erschöpft sind. Zum anderen dürfte aber auch der Wahlkampf eine Rolle spielen. In der Alpenrepublik finden wohl noch im Oktober Neuwahlen statt.

    Welche Linie verfolgt die EU?

    Die EU-Kommission will vor allem verhindern, dass sich die Mitgliedstaaten nun gegenseitig das Leben schwer machen wie es derzeit zwischen Ungarn und Österreich auf der einen Seite sowie Deutschland auf der anderen Seite geschieht. Zugleich drängt man die Front der strikten Gegner eines Verteilschlüssels (das sind vor allem die Ost-Mitglieder), endlich der Aufnahme eines bestimmten Kontingents zuzustimmen. Auch dazu wird Juncker in der nächsten Woche einen Vorschlag machen. Im Übrigen versucht Brüssel erkennbar, die Flüchtlinge zu sortieren: Wer vom Westbalkan kommt, muss auch dorthin wieder zurück. Opfer des Syrienkrieges sollen aufgenommen, alle übrigen Asylbewerber individuell beurteilt werden.

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