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AstraZeneca: So unterschiedlich gehen Staaten mit AstraZeneca um

AstraZeneca

So unterschiedlich gehen Staaten mit AstraZeneca um

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    An wen soll der Impfstoff von AstraZeneca verabreicht werden?
    An wen soll der Impfstoff von AstraZeneca verabreicht werden? Foto: Jens Büttner, dpa

    Der Impfstoff von AstraZeneca bleibt in Europa trotz seltener schwerer Nebenwirkungen weiterhin für alle Altersgruppen zugelassen. Insofern bleibt es den EU-Ländern überlassen, wie sie das Mittel des britisch-schwedischen Herstellers einsetzen. In Deutschland empfiehlt ihn die Ständige Impfkommission, Stiko, wegen der seltenen Gefahr von Hirnthrombosen nur für Menschen über 60 Jahren. Für Jüngere nur auf eigenes Risiko.

    „Der Einsatz der Covid-19-Vaccine AstraZeneca für eine erste oder zweite Impfstoffdosis unterhalb dieser Altersgrenze bleibt indes nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoakzeptanz nach sorgfältiger Aufklärung möglich“, heißt es in den aktuellen Stiko-Empfehlungen, die ständig überprüft und bei neuen Erkenntnissen überarbeitet werden.

    In Deutschland traten über dreißig Fälle von Hirnthrombosen in Zusammenhang mit AstraZeneca vor allem bei Frauen unter 55 Jahren auf. Das sind zehnmal mehr Fälle pro Kopf wie in Großbritannien, wo 18 Millionen Menschen mit AstraZeneca geimpft wurden und die Anzahl der gemeldeten Sinusvenen-Thrombosen ähnlich hoch war wie im nicht geimpften Bevölkerungsteil. Großbritannien beschloss nun jedoch eine Altersgrenze von 30 Jahren.

    Österreich hält unverändert am Impfplan mit AstraZenca fest

    Frankreich impft bereits seit Mitte März keine Frauen unter 55 Jahren mehr mit AstraZeneca.  Kurz vor Ostern folgten auch die Niederlande dem deutschen Beispiel und setzten am Mittwoch die Impfungen mit AstraZeneca vorläufig ganz aus, nachdem fünf Fälle der seltenen Hirnvenenthrombosen bei 400.000 Impfungen gemeldet wurden.

    Österreich hält dagegen unverändert am Impfplan mit AstraZenca fest, obwohl dort Anfang März einer der ersten Todesfälle in Zusammenhang mit der Impfung bekannt wurde. Auch in vielen andern europäischen Ländern gilt der von der Universität Oxford entwickelte Wirkstoff nach wie vor als der wichtigste Impfstoff gegen Corona-Infektionen.

    Experten wie der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, halten den klassischen Vektor-Impfstoff von AstraZeneca für über 60-Jährige für genauso sicher wie den neuartigen mRNA-Impfstoff von Biontech, da Sinusvenenthrombosen fast ausschließlich in jüngeren Jahren auftreten. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA stellte zwar klar fest, dass es einen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Thrombosen bei einer sehr geringen Zahl von Blutplättchen gebe. Dies trete allerdings sehr selten auf.

    In Deutschland gilt die rasche Aufdeckung der seltenen Nebenwirkung als großer Erfolg für die Arzneimittelsicherheit

    Die Experten vermuten, dass es um eine Immun-Reaktion gehe. Trotz dieses Risikos von Blutgerinnseln empfiehlt die EMA die Anwendung des Impfstoffes weiterhin uneingeschränkt. „Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von Covid-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken“, sagte EMA-Chefin Emer Cooke in Amsterdam. Und auch die Weltgesundheitsorganisation sprach sich am Mittwochabend noch für die weitere Verwendung von AstraZeneca aus.

    In Deutschland gilt die rasche Aufdeckung der seltenen Nebenwirkung ebenso wie die von der Uni Greifswald wenig später entwickelten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten als großer Erfolg für die Arzneimittelsicherheit.

    Der Chef der Ständigen Impfkommission Thomas Mertens sagte unserer Redaktion, die Bevölkerung habe ein Recht auf eine gründliche Analyse aller verfügbaren Daten und Erkenntnisse. Laut Mertens prüft die Kommission und das Robert-Koch-Institut auch jüngste Vorschläge, das Impftempo zu erhöhen, indem bei mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung länger als sechs Wochen ausgedehnt werden könnte. „Stiko und RKI beschäftigen sich intensiv auch mit dieser Frage und wollen zu einer wissenschaftlich begründbaren Stellungnahme kommen“, so Mertens. Skeptisch äußert sich der Nürnberger Virologe Klaus Überla. „Hinweise auf eine nachlassende Wirksamkeit, beginnend sechs Wochen nach einer Biontech-mRNA-Immunisierung, sprechen aus meiner Sicht gegen den Vorschlag“, sagte er unter Hinweis auf schottische Studien.

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