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Demonstrationen: Anti-Rassismus-Proteste: Kommt jetzt die gesellschaftliche Wende?

Demonstrationen

Anti-Rassismus-Proteste: Kommt jetzt die gesellschaftliche Wende?

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    Nach dem Tod dem George Floyd protestierten am Wochenende weltweit hunderttausende Menschen.
    Nach dem Tod dem George Floyd protestierten am Wochenende weltweit hunderttausende Menschen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Seit dem 25. Mai wissen viele Menschen, wie es aussieht, wenn ein Mensch einen anderen umbringt. George Floyds per Video dokumentiertes Ringen um Luft und Leben, sein Tod, hat etwas ausgelöst, das es seit dem Frühjahr 2019 nicht mehr gab: eine überwiegend junge, weltweite und laute Sammelbewegung. Fridays for Future setzte sich für mehr Klimaschutz ein und findet mit diesem Anliegen bis heute Gehör. „MeToo“ ermutigt seit 2017 Frauen, auf sexuelle Belästigungen aufmerksam zu machen und sensibilisiert nicht nur Menschen in sozialen Netzwerken. Sind die aktuellen Anti-Rassismus-Proteste ein ähnlicher, gesellschaftsverändernder Wendepunkt?

    „Ich glaube ja. Es gibt kein Zurück zum Status Quo“, sagt Karim Fereidooni, Rassismusforscher an der Ruhr-Universität Bochum. Er zieht einen direkten Vergleich zu Fridays for Future. „Der Klimawandel hat es in den Mainstream geschafft, weil ihn viele als eigenes Thema, als eigene Bedrohung verstanden haben. So weit sind wir beim Thema Rassismus noch nicht“, sagt der Forscher. „Aber dieses Bewusstsein setzt gerade ein. Und das auf einer breiten Basis: Niemand will in einer Gesellschaft leben, in der so viele Menschen als zweitklassig gesehen werden.“

    Forscher Fereidooni über Proteste: "Politik braucht Druck"

    Am grundsätzlichen Problem, dem schlichten Vorhandensein von Rassismus, änderten die Proteste in so kurzer Zeit nicht viel, sagt Fereidooni. „Die Bundesrepublik Deutschland ist 2020 so rassistisch wie noch nie in ihrer Geschichte. Aber Deutschland war auch noch nie so rassismuskritisch wie heute.“ Und je lauter die Stimmen gegen Rassismus und Diskriminierung seien, desto wahrscheinlicher würden sie gehört – auch von Entscheidungsträgern. „Politik braucht Druck. Und den erzeugen die Proteste massiv.“ Konkrete Forderungen habe die Bewegungen bereits formuliert, im Kern von vielen stehe der Umgang mit Polizeigewalt.

    Doch was muss passieren, damit der Kampf gegen Rassismus dauerhaft auf der öffentlichen Agenda steht? Leslie Gauditz forscht an der Universität Bremen zu Protestbewegungen. Ihrer Ansicht nach müssen vor allem zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits bräuchten bereits bestehende Strukturen im Kampf gegen Rassismus mehr politische und finanzielle Unterstützung. Gauditz nennt Bürgerrechtsorganisationen wie die „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ oder die „Initiative 19. Februar“. „Andererseits müssen sich auch Menschen, die nicht direkt von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, stärker dagegen aussprechen und nicht nur auf die Straße gehen, sondern auch an sich selbst arbeiten. Erst dann wird deutlich, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, von dem Weiße profitieren.“

    Rund 3000 Augsburger haben am Samstag dem getöteten Afroamerikaner George Floyd gedacht und vor der Erhard-Wunderlich-Sporthalle gegen Rassismus demonstriert.
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    Rund 3000 Augsburger haben am Samstag des getöteten Afroamerikaners George Floyd gedacht und vor der Erhard-Wunderlich-Sporthalle gegen Rassismus demonstriert.

    Rassismus: "Ohne soziale Medien funktioniert kein Protest"

    Die Protestforscherin überrascht es nicht, dass das Thema Rassismus nach vielen Vorfällen in der ganzen Welt nun massiver als zuvor verhandelt wird. „Gebrodelt hat es schon lange – in den USA noch etwas deutlicher, aber auch in Deutschland, wo viele Nicht-Weiße benachteiligt werden. Auch Polizeigewalt ist ein Thema, das die Art des Protests prägt.“ Dass die Bewegung eine so breite Öffentlichkeit erreicht habe, liege am Anliegen selbst, aber auch an den digitalen Verbreitungswegen. „Ohne soziale Medien funktioniert kein Protest mehr – egal, ob es ums Klima oder den Kampf gegen Rassismus geht.“ Gegenseitige Solidaritätsbekundungen würden ein internationales Gemeinschaftsgefühl beschwören, verstärkt durch gemeinsam verstandene Begriffe wie „Black lives matter“ („Schwarze Leben zählen“).

    Auch das Einzelschicksal von George Floyd spielt eine entscheidende Rolle, glaubt Rassismusforscher Karim Fereidooni. „Floyds Tod ist ein Symbol für jahrhundertealte Ungerechtigkeit auf der Welt. Dort war ein Mensch wie Du und ich, der wehrlos zu Tode gekommen ist.“ Dieser Anblicke rüttle wach – „stärker als jede wissenschaftliche Untersuchung.“

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