Nach diesem Abend sind alte Sympathien wohl endgültig tot: Die zweite TV-Debatte zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump begann ohne Handschlag, blieb lange giftig und zielte teilweise unter die Gürtellinie. Die Entscheidung, die viele nach den jüngsten Enthüllungen über Trumps frauenfeindliche Äußerungen erwartet hatten, blieb aber aus.
Clinton vs. Trump: Hier können Sie das TV-Duell noch einmal ansehen
Das lag nicht zuletzt daran, dass Trump gemessen an der Auftaktdiskussion im September eine Steigerung gelang: Zwar geriet ihm die Reue wenig überzeugend, mit der er alte Prahlereien über sexuelle Übergriffe auf Frauen als Kabinenscherze abtat. Er bestritt, dass ihnen echte Taten zugrunde lagen. Sein Versuch, Clintons Umgang mit entsprechenden Vorwürfen gegen ihren Mann zu thematisieren, konterte die Demokratin routiniert, bevor sie aus Trumps Wahlkampf-Äußerungen das Porträt eines Mannes zusammensetzte, der andere Menschen gewohnheitsmäßig herabwürdigt.
Trump beklagt sich im TV-Duell mehrfach über die Moderatoren
Die erste halbe Stunde schlingerte Trump und ließ Züge seiner schwer kontrollierbaren Reizbarkeit aufblitzen. Er beschwerte sich mehrfach über angeblich unfaire Moderatoren. Als sie ihn dabei erwischten, wie er eine komplett andere Syrien-Politik als sein Vize Mike Pence vertrat, lieferte er diesen ans Messer: Er und ich haben nicht gesprochen. Ich bin anderer Meinung.
Auch danach blieb offensichtlich, dass Clinton ihm in Sachfragen überlegen ist. Doch stilistisch fasste der Milliardär nach einem Drittel der Debatte Tritt. Er trieb Clinton zu ihrem E-Mail-Skandal in die Enge und fand zu seiner alten Botschaft zurück: Die ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin sei zu lang in der Politik, um Teil eines Neuaufbruchs zu werden. Clinton lieferte ebenfalls ein paar gute Attacken, fokussierte sich aber stärker auf ihre inhaltliche Agenda.
Trump ist in Umfragen seit zwei Wochen im Sinkflug, da spielte die Demokratin auf Nummer sicher. Auf viele Diskussionen ließ sie sich gar nicht erst ein: Alles, was sie gerade gehört haben, sei falsch, erklärte sie dem Publikum an der Washington University in St. Louis mehrfach und verwies ansonsten auf ihre Homepage: Dort begleitete ein Team von Faktenprüfern Trumps Behauptungen mit Live-Analysen.
Blitzumfrage sieht Clinton als Siegerin des TV-Duells
Clinton wirkte aufrichtig und sympathisch, was ihr nicht immer gelingt. Sie kämpfte solide, aber letztlich dürfte keiner der beiden Kandidaten an diesem Abend über seinen bestehenden Anhängerkreis hinaus große Erfolge erzielt haben: Wen die Zuschauer als Sieger erlebten, wird davon abhängen, wessen Schwächen sie als gravierender empfinden.
Einer CNN-Blitzumfrage sahen 63 Prozent der Zuschauer Trump besser als erwartet. Trotzdem erklärten 57 Prozent der Befragten Clinton zum Sieger und nur 34 Prozent Trump. Allerdings wies CNN darauf hin, dass Demokraten unter den Befragten leicht überrepräsentiert waren.
Das TV-Duell endet überraschend
Immerhin fand das Town-Hall-Format, bei dem die meisten Fragen von Zuhörern gestellt wurden, ein überraschendes Ende: Auf die Bitte, mindestens eine positive Eigenschaft am Gegner zu finden, pries Clinton Trumps wohlgeratene Kinder und erklärte, das sage auch etwas über den Vater aus. Trump lobte seinerseits die Tatsache, dass Clinton nie aufgebe: "Ich halte das für einen sehr guten Charakterzug."
Im Lauf der Debatte hatte er ihr enormen Hass im Herzen bescheinigt und sie mit Gefängnis bedroht, falls er Präsident werde, aber zumindest am Ende stand ein versöhnliches Bild: Die beiden Konkurrenten, die vor Jahren einmal freundliche Kontakte pflegten, gingen mit Handschlag auseinander.
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