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Analyse: Warum die SPD Neuwahlen fürchtet

Analyse

Warum die SPD Neuwahlen fürchtet

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    SPD-Chef Martin Schulz, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (links): inhaltlich wie personell völlig unsortiert.
    SPD-Chef Martin Schulz, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (links): inhaltlich wie personell völlig unsortiert. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Wenn die SPD nach ihrer historischen Wahlschlappe wieder auf die Beine kommen will, müsste sie sich jetzt so schnell wie möglich inhaltlich und vor allem personell neu aufstellen. Doch nichts davon geschieht. Der gescheiterte Kanzlerkandidat Martin Schulz klammert sich an sein Amt als Parteichef. Und inhaltlich hat er den Sozialdemokraten erst einmal einen Diskussionsprozess verordnet, der bis Ende des kommenden Jahres dauern soll. So will Schulz seine Position bei der Basis stärken.

    Natürlich muss sich die SPD dringend Gedanken machen, wofür sie eigentlich steht, will sie jemals wieder an alte Erfolge anknüpfen. Doch so wie Schulz die Sache angeht, droht ein Jahr zu verstreichen, in dem nach außen das Bild einer unentschlossenen, zerstrittenen, mit sich hadernden Partei entsteht. Die noch immer dieselben Leute führen, die das Wahldebakel zu verantworten haben. Von Geschlossenheit ist nichts mehr zu spüren. Die alten Querelen, der Dauerstreit, sie sind wieder da.

    Schulz' Hoffnungen, beim Parteitag Anfang Dezember als Chef bestätigt zu werden, speisen sich aus dem Umstand, dass es niemanden gibt, der jetzt den Mut hätte, beherzt nach der Parteiführung zu greifen. Die SPD-Führungskräfte, die das Zeug dazu hätten, in vier Jahren einen neuen Anlauf auf das Kanzleramt zu unternehmen, wagen sich nicht aus der Deckung, sticheln aber gegen Schulz.

    In der SPD gibt es viel Kritik an Martin Schulz

    Manuela Schwesig etwa. Die Ex- Familienministerin muss sich nicht in die Niederungen Opposition begeben, sondern kann als Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern weiter Regierungserfahrung und Ansehen sammeln. Schwesig, der Kanzlerambitionen nachgesagt werden, hat Schulz zuletzt deutlich ermahnt, dass die neue SPD weiblicher werden müsse.

    Bei den SPD-Frauen ist der Groll gegen Schulz insgesamt groß. Mit wenig feinfühligen Personalentscheidungen vergrätze er Bundesgeschäftsführerin Juliane Seifert, Ex-Juso-Chefin Johanna Uekermann und andere. Dass Schulz die glücklose Aydan Özguz als Partei-Vizechefin mit der smarten Natascha Kohnen aus Bayern ersetzen kann, dürfte ihm bei den SPD-Frauen nur wenig Luft verschaffen. Andrea Nahles spricht sich zwar dafür aus, dass Schulz als Parteichef weitermacht, ist zuletzt aber auf Distanz gegangen. Als SPD-Fraktionschefin hat sie eine hervorragende Ausgangsposition, sich in den kommenden Jahren für Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz zu empfehlen.

    Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz nölt ohnehin ständig gegen Martin Schulz. Er wird noch etwas Gras über den eskalierten G-20-Gipfel in seiner Heimatstadt wachsen zu lassen, bevor er nach höheren Ämtern greift. Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Sigmar Gabriel sparen nicht mit Kritik an Schulz.

    Weil das Murren über den angeschlagenen Parteichef zunimmt, verliert die bei der Wahl auf 20,5 Prozent abgesackte Partei weiter an Ansehen. Den gerupften Chef wird dennoch niemand vom Thron stoßen, Schulz soll jetzt den Übergang gestalten. Dass er noch einmal Kanzlerkandidat werden könnte, scheint aber ausgeschlossen. Bei den Beteuerungen, die SPD sei im Falle des Scheiterns der Jamaika-Gespräche jederzeit für Neuwahlen gerüstet, scheint der Wunsch Vater des Gedankens zu sein. In der inhaltlich wie in Personalfragen nach dem Wahldebakel völlig unsortierten SPD geht eher die Angst um, dass es bei einer neuerlichen Wahl noch schlimmer kommen könnte als beim Fiasko vom 24. September.

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