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Analyse: Warum die Kanzlerfrage in der CDU jetzt wieder reine Männersache ist

Analyse

Warum die Kanzlerfrage in der CDU jetzt wieder reine Männersache ist

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    Drei Männer für die Union (von links): Jens Spahn, Armin Laschet und Friedrich Merz. Sie haben die besten Chancen auf die Kanzlerkandidatur.
    Drei Männer für die Union (von links): Jens Spahn, Armin Laschet und Friedrich Merz. Sie haben die besten Chancen auf die Kanzlerkandidatur. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Das Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union werden wohl drei Herren unter sich ausmachen. Das hat auch damit zu tun, dass sie Politik anders verstehen als Frauen. Fünf Thesen.

    These 1: Frauen werden in der Politik eher geduldet als geschätzt

    Als Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde, fanden das auch viele Männer in der Union gut. Die Zeit für die erste Frau an der Spitze einer Bundesregierung war längst reif. Konnte ja keiner ahnen, dass Merkel sich eineinhalb Jahrzehnte dort oben halten und fast alle ihrer männlichen Konkurrenten überdauern würde. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität sonnten sich die Herren aus CDU und CSU noch ganz gerne im Glanz der mächtigsten Frau der Welt, die Deutschland mit so ruhiger Hand durch die Stürme von Finanz- und Eurokrise steuerte. Doch je länger die Amtszeit dauerte, desto mehr wurden Merkels Schwächen und Fehler in den Vordergrund gestellt. Desto aggressiver wurde sie angegriffen.

    Hinter vorgehaltener Hand sagen nicht wenige, dass jetzt mal wieder ein Mann ans Ruder muss. Ja, Ende der 90er waren viele Parteifreunde auch des ewigen Bundeskanzlers Helmut Kohl überdrüssig. Aber niemand wäre damals in derselben Logik auf die Idee gekommen, dass das Problem auch darin lag, dass Kohl ein Mann war.

    These 2: Frauen machen konsequenter Schluss

    Seit Andrea Nahles ihren Posten als SPD-Chefin hingeworfen hat, ist sie quasi wie vom Erdboden verschwunden. Sie übernahm die Verantwortung für den Niedergang ihrer Partei, den sie beileibe nicht alleine verschuldet hatte. Sie machte von heute auf morgen Schluss mit der Politik, die jahrzehntelang ihr Leben bestimmte. Anders als ihre männlichen Vorgänger Sigmar Gabriel oder Gerhard Schröder widersteht sie seitdem konsequent der Versuchung, schlaue Ratschläge vom Spielfeldrand zu geben. Sie änderte sogar ihre Handynummer, um neu anfangen zu können.

    Auch Annegret Kramp-Karrenbauer hat nun überraschend radikal die Reißleine gezogen. Zwar war sie als CDU-Vorsitzende angeschlagen, doch im Rennen um die Kanzlerkandidatur wäre sie nicht chancenlos gewesen. Während Männer oft erst dann aufgeben, wenn es gar nicht mehr anders geht, gelingt es Frauen häufig besser, einen Schlussstrich zu ziehen und Macht abzugeben. Sie stellen sich früher die Frage: Was will ich ertragen? Ist es das alles wert? Wie immer gibt es natürlich auch in diesem Fall Ausnahmen: Lange dachte man, die pragmatische Angela Merkel, der jedes Machtgehabe zuwider ist, werde anders als all ihre männlichen Vorgänger das Kanzleramt als Erste selbstbestimmt und ohne Druck verlassen. Doch den richtigen Zeitpunkt dafür könnte sie schon verpasst haben.

    These 3: Frauen fehlt der unbedingte Wille zur Macht

    Horst Seehofer ist einer jener mächtigen Männer, die ganz schlecht loslassen können. Weil er aber auch ein Mann mit Weitblick ist, wusste er, dass seine Zeit als bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef irgendwann zu Ende gehen wird – und wollte wenigstens selbst seine Nachfolge regeln. 2013 holte er die damalige Bundesministerin Ilse Aigner zurück nach Bayern und machte sie zu seiner Stellvertreterin. Eine Steilvorlage für die CSU-Politikerin, um eines Tages die Macht in München zu übernehmen. Die hat heute bekanntlich ein anderer: Während Markus Söder zielstrebig und ehrgeizig auf seinen großen Moment hinarbeitete, zeigte seine weibliche Konkurrentin keinen unbedingten Willen, ganz nach oben zu kommen.

    Dass für die CDU-Kanzlerkandidatur mit Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz nun ausschließlich Männer im Gespräch sind, liegt auch daran, dass sich in den vergangenen Jahren – außer Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen, die lieber nach Brüssel ging – keine Frau für die Zeit nach Merkel in Position gebracht hat.

    These 4: Frauen sind schlechter vernetzt als Männer

    Um den sagenumwobenen Andenpakt ranken sich die wildesten Geschichten. Nicht alle stimmen, aber klar ist: Ende der 70er Jahre schwor sich eine Gruppe junger Unionspolitiker auf einer Südamerika-Reise ewige Loyalität. Ihr großes Ziel haben sie bis heute nicht aufgegeben: Einer von ihnen soll es eines Tages bis ins Kanzleramt schaffen. Und noch besteht die Chance dazu, denn Friedrich Merz ist Mitglied des legendären Männerbundes.

    Eine ähnliche Erzählung mit weiblicher Besetzung gibt es nicht. Frauen sind in der Politik noch immer Einzelkämpferinnen. Viele wollen sich nicht dem Verdacht aussetzen, Quotenfrauen zu sein. Viele haben Scheu, im entscheidenden Moment zusammenzuhalten, weil sie nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden wollen. Es dürfte schwierig sein, einen Mann in der Spitzenpolitik zu finden, der sich diesen Gedanken umgekehrt jemals gemacht hat.

    These 5: Frauen polarisieren weniger

    Hätten bei der vergangenen Bundestagswahl allein die Frauen entschieden, wären Union und SPD zusammen auf fast 57 Prozent der Stimmen gekommen. Bei männlichen Wählern waren es nicht einmal 50 Prozent. Männer (Wähler und Politiker) setzen deutlich stärker auf Polarisierung: 16,3 Prozent von ihnen wählten beispielsweise die AfD, aber nur 9,2 Prozent der Frauen taten das. Ebenfalls auffällig: Frauen wählen gerne Frauen, Männer wohl lieber Männer. Als Merkel 2005 zum ersten Mal als Kanzlerkandidatin antrat, wurde sie von beiden Geschlechtern nahezu gleich stark gewählt. Während ihr die Frauen über die Jahre die Treue hielten, verlor sie unter den männlichen Wählern dramatisch an Zustimmung. 2017 wählten 36,4 Prozent der Frauen, aber nur noch 29,2 Prozent der Männer die Union.

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