Am Sonntag war Norbert Röttgen einmal wieder zu einer Talkshow im Fernsehen eingeladen. Der CDU-Politiker war links platziert, auf der anderen Seite Sigmar Gabriel. Das Bild hatte Symbolkraft, denn möglicherweise saß der ehemalige Außenminister Gabriel (SPD) dem künftigen Amtsinhaber Röttgen gegenüber. Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundesfraktion hat gerade einen Lauf und ist im Rennen um den CDU-Vorsitz für die beiden scheinbar aussichtsreicheren Mitbewerber Armin Laschet und Friedrich Merz plötzlich eine ernste Bedrohung.
Ein am Wochenende veröffentlichtes Politiker-Ranking des Forsa-Instituts im Auftrag der Fernsehsender RTLund N-TV hat Röttgen nach oben katapultiert. Sechs Punkte legte der CDU-Politiker zu, er kommt auf 41 Punkte. Friedrich Merz hingegen verlor zwei Punkte auf 33 Punkte und ist damit deutlich abgeschlagen. Zulegen konnte hingegen Armin Laschet (plus zwei), der beim Bewerber-Trio mit 42 Punkten vorne liegt.
Röttgen wurden anfangs kaum Chancen auf den CDU-Vorsitz eingeräumt
Zunächst war Röttgens Bewerbung um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer nicht allzu große Bedeutung beigemessen worden. Im Vordergrund standen die Kandidaturen des Ex-Unionsfraktionschefs Merz und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet. Kenn Wunder, wenn man zurückblickt: 2012 wollte Röttgen Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen werden, verlor aber gegen die volksnahe Amtsinhaberin Hannelore Kraft von der SPD. Die Wahl endete mit einem dramatisch schlechten Abschneiden der CDU. Röttgen ging zurück nach Berlin, Bundeskanzlerin Angela Merkel warf ihren Umweltminister aus dem Kabinett. Später flog Röttgen auch noch aus dem CDU-Bundesvorstand. Als der Außenpolitiker im Februar seinen Hut in den Ring warf, wirkte das ein bisschen wie der Versuch, späte Rache zu nehmen. Der Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass der heute 55-Jährige Angebote von Laschet und dessen Unterstützer Jens Spahn für eine Teamlösung ablehnte.
In den folgenden Monaten agierte der amtierende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag diplomatisch geschickt zwischen den Fronten Merz und Laschet. Er trat als Vermittler auf, wenn das Wort "Kampf" in den Medien zu oft auftauchte. Er spielte früh die Quotenkarte und zeigte gerade erst, dass er bei diesem Thema nicht blufft. Im Falle eines Sieges will er die CDU-Politikerin Ellen Demuth zur Chefstrategin der Partei machen. Damit ist der Posten einer Generalsekretärin gemeint.
Im Falle eines Sieges will Röttgen Ellen Demuth zur Generalsekretärin machen
Demuth, 38 Jahre alt, ist CDU-Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz. Sie steht dort dem Arbeitskreis Gleichstellung und Frauenförderung vor und nennt die paritätische Beteiligung von Frauen und Männern als die wichtigste Modernisierungsaufgabe in der Partei. In der immer noch männerdominierten CDU ist das eine nahezu revolutionäre Ansage, die Röttgen auf dem entscheidenden Wahlparteitag – er wird vermutlich am 16. Januar stattfinden – entscheidende Delegiertenstimmen einbringen könnte.
Für Röttgen muss der CDU-Chef nicht auch Kanzlerkandidat werden
Als die Junge Union die drei Kandidaten zum "Pitch" einlud, machte Röttgen bei diesem ersten großen Aufeinandertreffen der drei Kandidaten eine gute Figur. In der Mitgliederbefragung landete der Nordrhein-Westfale auf Platz zwei hinter Merz. Wenn er diesen Schwung mitnimmt, kann es für ihn weiter nach oben gehen. Am 11. Dezember stellt sich Röttgen im Format "CDU live" exklusiv den Fragen der CDU-Mitglieder. Laschet und Merz sind nach ihm dran, am 14. Dezember sowie am 8. Januar sind von der Partei Runden mit allen drei Kandidaten geplant.
Die Chancen auf den CDU-Vorsitz sind für Röttgen sichtlich besser geworden. Was auch an Röttgens Haltung zur K-Frage liegt. Der Außenpolitiker betont zwar, dass der CDU-Vorsitzende den Zugriff auf die Spitzenkandidatur hat. Gleichzeitig hat er, anders als Merz und Laschet, die Tür für mögliche andere Bewerber nicht zugemacht. In weiser Voraussicht hat er sich respektvoll gegenüber seinen Konkurrenten geäußert – und wohlwollend über die, die im Moment (noch) nicht zur Wahl stehen. Röttgen würde sowohl mit Gesundheitsminister Jens Spahn als auch mit CSU-Chef Markus Söder arbeiten. Als CDU-Vorsitzender könnte er dafür einen Preis nennen. Das Amt des Außenministers zum Beispiel.
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