Ein Gradmesser für den inneren Zustand der CDU ist der „Berliner Kreis“ in der Union. Wenn sich dessen Mitglieder nicht zu Wort melden, ist mit der Partei soweit alles in Ordnung. Als beispielsweise die Flüchtlingsbewegungen im Oktober 2015 das Land in Aufregung versetzten und vielen wenig in Ordnung schien, äußerte die konservative Vereinigung scharfe Kritik am Führungsstil von Angela Merkel. Jetzt jedoch scheint die Partei in unruhiges Fahrwasser zu geraten.
Am Donnerstag meldete sich der „Berliner Kreis“ nach längerer Sendepause wieder zu Wort. Ausgerechnet der Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist das Thema, es birgt viel Konfliktpotenzial für die Union. Ähnlich explosiv ist der Streit um die Finanzierung der Corona-Kosten, der zum offenen Schlagabtausch geführt hat. Was die Umfragewerte angeht, könnte sich die CDU gerade eigentlich entspannt zurücklehnen. Das Gegenteil jedoch ist der Fall.
Der Streit über den Rundfunkbeitrag hat hohes Konfliktpotenzial
„Ich kann die mutigen Landtagsabgeordneten in Magdeburg nur beglückwünschen. Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages ist im Angesicht des immer mehr aus der Zeit gefallenen Angebotes der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten nicht vermittelbar“, erklärte der CDU-Abgeordnete Michael von Abercron am Donnerstag im Namen des „Berliner Kreises“. Der Pinneberger richtete seine Glückwünsche an die CDU Sachsen-Anhalt, die sich gegen die Beitragserhöhung von 86 Cent im Monat wehrt, während die Koalitionspartner SPD und Grüne sie mittragen. Sachsen-Anhalt ist damit als einziges Bundesland noch gegen die Beitragserhöhung, eine Entscheidung wird kommende Woche erwartet.
Es geht vorrangig zwar um eine Erhöhung von lediglich 86 Cent im Monat, aber der Rundfunkbeitrag ist mehr als nur seine Summe. Mit dem Beitrag ist die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verknüpft. Die etablierten Parteien fürchten um ihren Einfluss auf die Sendeanstalten, außerdem könnte über den Streit die CDU-geführte Koalition in Sachsen-Anhalt in die Brüche gehen. Kritik am Rundfunkstaatsvertrag ist außerdem immer ganz nahe an AfD-Positionen. Wenn von Abercron und der „Berliner Kreis“ nun auch noch Öl ins Feuer gießen, kommt das der Parteiführung ungefähr so gelegen wie ein Stromausfall zur besten Sendezeit.
In der Corona-Pandemie kann die Union beim Wähler gerade am besten punkten. Nicht nur, dass CDU und CSU laut aktueller Forsa-Umfrage bei 37 Prozent stehen und damit vier Punkte besser sind als das Ergebnis der letzten Bundestagswahl. Den Schwarzen wird auch die höchste politische Kompetenz zugebilligt. Auf die Frage, welche Partei am besten mit den Problemen in Deutschland fertig werde, kommen CDU und CSU auf satte 41 Prozent. Bei den Grünen sind es acht Prozent und nur fünf Prozent trauen der SPD das zu. Diesen Kredit setzt die CDU nicht nur wegen des Rundfunkbeitrags aufs Spiel.
Der quälend lange Kandidatenkür für den Parteivorsitz
Schon längst hätte ein neuer Vorsitzender gewählt sein sollen. Die Pandemie wirbelte alle Pläne durcheinander, zuletzt verhinderte sie den Wahlparteitag, der eigentlich an diesem Wochenende stattfinden sollte. Ein neuer Termin ist für den 16. Januar angesetzt, der CDU-Vorstand will am 14. Dezember abschließend darüber entscheiden. Als Vorsitzende führt Annegret Kramp-Karrenbauer die Partei noch. Die Saarländerin will in dieser Phase aber keine Leitplanken mehr setzen, um nicht den Spielraum ihres Nachfolgers einzuengen. Die Partei eierte in der Folge ein wenig herum – der Zustand verschlimmert sich, je näher der Abgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel rückt. Derzeit ist in der Partei niemand in Sicht, der Merkels Strahlkraft aufs Volk auch nur im Ansatz ersetzen könnte.
Dass sie deshalb womöglich bis zur Bundestagswahl im September nächsten Jahres an Boden verlieren könnte, macht die Christdemokraten zunehmend nervös. Die Anspannung entlud sich Anfang der Woche in einen Streit während einer Zusammenkunft der CDU-Spitze. Forderungen von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) nach mehr finanzieller Beteiligung der Länder am Corona-Kampf ließen den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier aus der Haut fahren. Mit seiner markanten Reibeisenstimme kritisierte der Hesse nach Angaben von Teilnehmern, Brinkhaus habe offensichtlich keine Ahnung vom Krisenmanagement der Länder. Das Wort „Streber“ soll mit Blick auf Brinkhaus auch gefallen sein – dem Fraktionschef wird zugetraut, dass er sich als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat bewirbt und deshalb jetzt schon mal im Lager der Abgeordneten auf Stimmenfang geht.
Hat Brinkhaus verdeckte Ambitionen nach ganz oben?
Brinkhaus will das weder bestätigen noch dementieren, weiß aber beim Thema Corona-Geld die Fraktion hinter sich. Der stellvertretende Vorsitzende, Andreas Jung, sprang ihm ebenso bei wie Chef-Haushälter Eckhardt Rehberg. Die Fraktion hat mit Zahlen des Finanzministeriums ein Papier ausgearbeitet, das die Lastenverteilung unter die Lupe nimmt: Die Corona-Belastungen des Bundeshaushalts werden für dieses Jahr mit 400 Milliarden Euro beziffert, die von Ländern und Gemeinden mit 89 Milliarden.
Mit den Corona-Kosten allerdings ist es am Ende ähnlich wie mit dem Rundfunkbeitrag. Es geht nicht so sehr ums Geld, sondern um Machtfragen. Und in beiden Fällen ist derzeit noch völlig offen, ob die CDU befriedigende Antworten finden wird.
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