Was bleibt an Lehren aus der Corona-Krise, sollte in einigen Monaten ein Impfstoff dem gesundheitlich wie wirtschaftlich verheerenden Virus tatsächlich den Garaus machen? Vieles spricht dafür, dass sich der Stil, wie in Deutschland Politik gemacht wird, nachhaltig verändert. Und schon die Pandemie beweist, je nachdem wie die direkten Folgen politischer Entscheidungen sich auf die Betroffenen auswirken, fällt das Urteil über diese Entwicklung positiv oder negativ aus.
Die harten Eingriffe der staatlichen Pandemiebekämpfung in persönliche Freiheiten und das Wirtschaftsleben treffen in der Bevölkerung konstant auf Zustimmungsraten zwischen 70 und über 80 Prozent, auch wenn die Minderheit bisweilen laut Kritik daran äußert. Manchen ist heute noch unheimlich, wie klaglos die meisten Bundesbürger im Frühjahr eine Art Ausgangssperre über sich ergehen ließen und gleichzeitig die Popularitätswerte der verantwortlichen Regierenden nach oben schossen.
In der Corona-Krise schlägt die Stunde der Entscheider
Das Phänomen ist bekannt: In der Krise schlägt die Stunde der Entscheider oder wie Wissenschaftler sagen: Es schlägt die Stunde der Exekutive. Und dennoch hat sich mit der Corona-Krise in der deutschen Politik etwas Grundlegendes verändert, das weitreichende Folgen für die Zukunft hat: Nachdem jahrzehntelang viele in Deutschland den großen Einfluss von Lobbyisten, Wirtschaftsinteressen und Verbänden auf politische Entscheidungen beklagten, haben nun die regierenden Politiker die Vorrangstellung – das sogenannte Primat – der Politik klar zurückerobert.
Am deutlichsten wurde die Bruchlinie im Sommer, als die Bundesregierung kühl das Flehen der einst so mächtigen Autokonzerne nach einer Kaufprämie für konventionelle Pkw abschmetterte, aber ebenso in der „Lockdown“-Politik. Die Machtverhältnisse haben sich zumindest ein Stück weit verschoben, die regierenden Politiker zählen zu den Profiteuren der Krise. Der größte Krisengewinner ist der Staatsglaube, die Verlierer sind vor allem viele kleine namenlose Unternehmen.
Im Superwahljahr dürfte die Angst der Wirtschaft vor einer rot-rot-grünen Regierung wachsen
Sehr viel spricht dafür, dass das gewonnene neue Selbstbewusstsein der Politik das Virus und den Ausnahmezustand überdauern wird. Das gilt nicht nur für die sich in Popularitätswerten sonnenden Ministerpräsidenten und Regierungsmitgliedern.
Auch auf der Oppositionsseite träumen im Bund Grüne und Linke, das Modell Corona harter Entscheidungen im Schulterschluss zwischen Wissenschaft und Politik etwa auf die Klimapolitik zu übertragen. Im kommenden Superwahljahr dürfte die Angst der Wirtschaft vor einer rot-rot-grünen Regierung im Bund deutlich wachsen. Eine Schlüsselfrage für 2021 wird sein, ob die CDU bei ihrer Entscheidung über den Parteivorsitz mit Friedrich Merz den Weg der gesellschaftlichen Polarisierung geht. Oder, ob die Union mit einem deutlich mehr auf die Mitte ausgerichteten Kandidaten darauf setzt, vom Erbe von Angela Merkels Krisenpolitik zu profitieren.
Vertrauen einer Mehrheit in einen starken Staat wird die Pandemie überdauern
Zwar weiß niemand welche Krise als nächstes an den Gittern des Kanzleramts rüttelt. Das Vertrauen einer großen Mehrheit in einen starken Staat wird die Pandemie aber solange überdauern, wie Deutschland viel besser aus der Krise kommt als andere Staaten.
Es ist absehbar, dass künftige Regierungspolitiker diesen Machtzuwachs in die Zukunft retten wollen. Allerdings werden sie diesen Gewinn schnell wieder verlieren, wenn sie nicht deutlich stärker zu einer Politik der Rechtfertigung und Begründung in offenen Debatten zurückkehren, von der die parlamentarische Demokratie lebt. Oder wenn sie sich intransparent bestimmten Interessen verschreiben. Der größte Krisengewinner ist der Glaube in den Staat.
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